- Telegram ist nach WhatsApp einer der populärsten Messenger. Der Dienst profitiert davon, dass sich aktuell viele Nutzer vom Marktführer abwenden.
- Der Messenger bringt viele Funktionen mit, die andere nicht haben.
- Es gibt aber einige Sicherheitslücken – und das Programm ist ein Sammelbecken für Verschwörungsgläubige und rechte Gruppen.
Telegram befindet sich im Höhenflug: 500 Millionen aktive monatliche Nutzer vermeldeten die Macher des Messengers im Januar auf Twitter. Sie erklären den Zulauf in dem Tweet so: "Die Leute wollen nicht mehr länger ihre Privatsphäre gegen kostenlose Services eintauschen."
Telegram spielt damit auf den größten Konkurrenten WhatsApp an, der derzeit zwei Milliarden Mitglieder hat. Weil WhatsApp immer wieder neue Nutzungsbedingungen ankündigt und sowieso viele Daten der Nutzer sammelt, wanderten zahlreiche Anwender ab. Auch die Angst, was während des Facebook-Totalausfalls am 4. Oktober mit den Daten der Nutzerinnen und Nutzer gemacht haben könnte, verunsichert eben jene. Sie suchen nach sicheren Alternativen. Dienste wie Signal, Threema und Telegram verzeichnen aktuell Rekord-Downloads.
Allerdings ist Telegram nicht so sicher, wie die Betreiber behaupten. Wie erklären darüber hinaus, warum das kostenlose Programm umstritten ist und welche Funktionen es bietet.
Wie sicher ist Telegram im Vergleich zu anderen Messengern?
Viele Nutzer wenden sich von WhatsApp ab, weil der Dienst zu viele Daten speichert oder es womöglich Datenlücken gibt. Allerdings ist Telegram keine sichere Alternative – im Gegenteil.
Anders als WhatsApp, Threema und Signal verschlüsselt er nicht alle Nachrichten Ende-zu-Ende. Nur beim Austausch in sogenannten geheimen Chats ist das der Fall, die Nutzer aber explizit auswählen müssen: Dann wird der Inhalt auf dem Telefon des Senders chiffriert und erst auf dem Endgerät des Empfängers wieder entschlüsselt. Während der Übertragung kann niemand die Nachricht lesen, auch nicht der Betreiber, über dessen Server sie verschickt wird.
Alle Gruppen-Unterhaltungen und normalen Einzel-Chats sind bei Telegram zwar verschlüsselt, aber eben nicht mit der sicheren Ende-zu-Ende-Variante. Das heißt, dass jemand oder die Firma sie abfangen, dechiffrieren und lesen kann.
Welche Daten Telegram speichert
Telegram speichert zudem die Kontakte der Nutzer und die Unterhaltungen - ausgenommen der geheimen Chats - auf den eigenen Servern. Das sei für die Anwender "einfacher", heißt es in den Fragen und Antworten auf der Telegram-Webseite. Zum Beispiel könnten sie nur so von unterschiedlichen Geräten aus auf ihre Chats zugreifen.
Telegram erlaubt sich selbst, weitere Daten zu erheben und bis zu zwölf Monate zu speichern. In der nur auf Englisch verfügbaren Datenschutzerklärung ist unter dem Punkt "Safety and security" von IP-Adresse, Nutzername und genutztem Gerät die Rede. Der Satz endet aber mit "etc.": Es könnten also weitere Daten erfasst werden.
Es gibt noch ein paar weitere Haken: Der Dienst ist zwar Open-Source. Aber Telegram legt den Verschlüsselungscode nicht offen, er kann also nicht von Sicherheitsexperten eingesehen werden. Wo die Telegram-Server stehen, ist nicht bekannt – und damit auch nicht, welche Datenschutzgesetze eigentlich gelten. Für die Anmeldung ist die Eingabe der Telefonnummer verpflichtend.
Warum Telegram noch umstritten ist
Telegram ist zudem eine Anlaufstelle für Verschwörungsgläubige, Rechtsextremisten und Islamisten, die sich dort relativ ungestört austauschen können. Der Messenger lässt Nutzer in der Regel schreiben, was sie wollen. Auf öffentlichen Kanälen werden nur illegale Inhalte blockiert, etwa Urheberrechtsverletzungen. Viel Wert legt der Messenger auf den "Schutz der privaten Konversationen vor Dritten, beispielsweise Behörden", steht in den Fragen und Antworten. Man wolle "keinesfalls Nutzer daran hindern, auf friedliche Weise alternative Meinungen zum Ausdruck zu bringen".
Ganz frei schalten und walten lässt aber auch Telegram seine Mitglieder nicht: Kürzlich löschte der Dienst Dutzende rechtsextreme Gruppen, die auf der Plattform zu Gewalt aufgerufen hatten.
Wer hinter dem Messenger steckt
Der gebürtige Russe Pawel Durow hat 2013 mit seinem Bruder Nikolai Telegram erfunden. Mit ihm hatte er 2006 auch die russische Facebook-Konkurrenz Vk.com entwickelt.
Der Messenger ist für Durow ein Werkzeug zum Austausch auch bei staatlicher Repression. Die betraf ihn in seinem Heimatland selbst: Er hatte sich geweigert, Behörden Zugriff auf die Messages der Mitglieder zu geben. Durow lebt seit Jahren an einem geheimen Ort im Exil. Die Telegram-Entwickler sitzen laut Webseite in Dubai.
Welche Funktionen Telegram mitbringt
Bei Telegram können Anwender Nachrichten schreiben, telefonieren und Videogespräche führen. Außerdem senden und empfangen sie Dateien, Videos, Fotos, Sprachnachrichten, Kontakte, den Standort und Musik.
Die Anwendung für Android und iOS hat ein paar Besonderheiten, die die Konkurrenz nicht bietet: Verschickte Daten können bis zu 1,5 Gigabyte groß sein, so lassen sich auch große Dateien und Datenmengen teilen.
Anwender können den Messenger außerdem mit sogenannten Bots personalisieren. Das sind kleine Tools, die jeder selbst entwickeln kann, etwa für Umfragen oder Erinnerungen.
Auch riesige Unterhaltungen sind möglich: In Gruppen tauschen sich bis zu 200.000 Nutzer aus. Darüber hinaus gibt es Kanäle, bei denen ein Nutzer Informationen an viele andere schickt. Solche Kanäle verwenden zum Beispiel Attila Hildmann, Michael Wendler und Xavier Naidoo, um ihre kruden Thesen zu verbreiten.
Der Messenger bessert immer wieder mit neuen Funktionen nach. In geheimen Unterhaltungen können Anwender schon länger die Selbstzerstörung von Nachrichten aktivieren. Nach der ausgewählten Zeit werden sie auf den Geräten des Absenders und des Empfängers gelöscht. Das ist jetzt teilweise auch in normalen Chats möglich: Dort lassen sich Bilder und Videos mit einem Timer versehen, bei dem man die Zeit zwischen einer Sekunde und einer Minute einstellen kann.
Fazit: Ist Telegram eine gute Alternative zu WhatsApp?
Wer jetzt überlegt, WhatsApp aus Sorge um die Privatsphäre zu verlassen, sollte sich lieber nicht bei Telegram anmelden. Der Messenger hat zwar einige praktische Extras, ist aber keine sichere Alternative.
Der Dienst könnte für viele Nutzer künftig unattraktiver werden: Pawel Durow erklärte vor einigen Monaten bei Twitter, dass der Messenger ab nächstem Jahr Geld einspielen soll. In den Kanälen wird dann Werbung ausgespielt, einige neue Funktionen könnten Geld kosten.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass chiffrierte Chats von Telegram gespeichert werden. Diese Aussage ist irreführend. Richtig ist, dass zwar die normal verschlüsselten Chats gespeichert werden, nicht aber die "geheimen Chats", die Ende-zu-Ende verschlüsselt sind.
Verwendete Quellen:
- Recherche im Telegram-Messenger
- Telegram-Webseite
Hinweis: Dies ist ein Artikel aus unserem Archiv ,den wir aus aktuellem Anlass neu aufbereitet haben.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.