Namhafte Medien berichten aktuell aufgeregt über eine Rückrufaktion, bei der VW Autos wegen defekter Airbag-Gasgeneratoren von Takata in die Werkstätten ruft. Allerdings ist alles halb so wild – wenn überhaupt.

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Seit dem Wochenende geistern Berichte über eine Rückrufaktion von VW und Audi durch die Medienlandschaft. Dabei geht es um ein seit mehr als zehn Jahren bekanntes Problem: fehlerhafte Gasgeneratoren des zwischenzeitlich insolventen und inzwischen in chinesischer Hand befindlichen Zulieferers Takata. Deren Treibmittel können selbst dann eine explosive Mischung ergeben, wenn gar kein Unfall passiert ist und der lebensrettende Luftsack folgerichtig überhaupt nicht im Einsatz sein sollte.

100 Millionen zurückgerufene Autos – ernsthaft?

Die Artikel suggerieren, dass Volkswagen und insbesondere die Nutzfahrzeugsparte des Autokonzerns deswegen einen "weltweiten Rückruf" starte; immer wieder ist darin von "Lebensgefahr" die Rede. Besonders interessante Ausmaße nimmt die Maßnahme auf der Website von "T-Online" an. "Volkswagen und Audi rufen weltweit mehr als 100 Millionen Fahrzeuge‚ aufgrund von Lebensgefahr durch fehlerhafte Takata-Airbags‘ zurück." Wie realitätsfern diese Aussage ist, zeigt die Tatsache, dass die gesamte Volkswagen AG in den vergangenen zehn Jahren nicht auf 100 Millionen ausgelieferte Fahrzeuge kommt. Vielmehr liegt der Verdacht habe, dass da in der T-Online-Redaktion etwas durcheinandergebracht wurde.

Video: Reportage

Doch es geht nicht nur um derartige Übertreibungen. Was die Berichte – ausnahmslos übrigens – nicht erwähnen, sind Details zu diesem Rückruf. Welche Baureihen sind betroffen? Um wie viele Autos geht es – in Deutschland, in Europa und weltweit? Wie lauten die Referenznummern – beispielsweise beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) – oder der interne Hersteller-Code? Dieser Mangel an Information lässt die Betroffenen, also die Besitzerinnen und Besitzer eines potenziell fehlerhaften VW- oder Audi-Modells, oft ratlos zurück. Unkoordinierte Rückfragen seitens der Kundschaft, was da eigentlich los sei, sind die Folge. Nicht nur in den Werkstätten, sondern auch in unserer Redaktion.

"Berichte haben uns überrascht"

Da liegt der Verdacht nahe: Der Sache per Recherche auf den Grund zu gehen und den eigenen Leserinnen und Lesern Informationen statt Verwirrung zu bieten, wurde hier versäumt. Weder sind in den Artikeln KBA-Statements enthalten noch Reaktionen aus dem Volkswagen-Konzern. Deshalb "haben uns die Berichte auch überrascht", sagt ein Sprecher von VW Nutzfahrzeuge auf Nachfrage von auto motor und sport. Wirklich erklären könne man sich in Hannover nicht, warum die Geschichte in der Welt ist – und warum gerade jetzt.

Fakt ist: Wegen potenziell lebensgefährlicher Takata-Gasgeneratoren werden seit 2013 Autos verschiedenster Hersteller zurückgerufen. Bisher sind es global betrachtet mehr als 100 Millionen (wohlgemerkt alle Marken addiert, nicht nur von VW und Audi), weshalb die Maßnahme im Laufe der Jahre zum größten Rückruf der Automobilgeschichte erwachsen ist. Auch Volkswagen holte wegen des Problems bereits mehrere Millionen Fahrzeuge in seine Vertragswerkstätten. Und tut dies weiterhin, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen.

KBA listet 12 VW-Takata-Rückrufe auf

Aktuell listet die Datenbank des KBA allein bei der Marke VW etwa ein Dutzend Rückrufe auf, die in direktem Zusammenhang mit dem Takata-Problem stehen – die bisher letzten von ihnen wurden im September 2024 gestartet. Die erwähnten Berichte suggerieren dagegen, VW habe einen neuen weltweiten Rückruf wegen der fehlerhaften Takata-Gasgeneratoren initiiert. Doch das wird von VW auf Nachfrage bestritten.

Der Hersteller verweist auf jene Maßnahmen, die vom KBA bereits erfasst wurden. Dabei geht es um fast alle Baureihen sowie Pkw und Nutzfahrzeuge; die ältesten betroffenen Autos stammen von 1997. Angesichts der Masse an Fahrzeugen sei es unmöglich, den Rückruf als Einzelmaßnahme abzuarbeiten, heißt es herstellerübergreifend. Stattdessen laufe die Aktion in Chargen ab und werde kontinuierlich erweitert. Und "nach Verfügbarkeit der Ersatzteile kamen sukzessive weitere Modelljahre hinzu", sagt der Sprecher.

Hersteller-Websites liefern Gewissheit

Kundinnen und Kunden von VW und Audi, die Gewissheit haben wollen, können sich auf den Hersteller-Websites informieren, ob ihre Autos betroffen sind. Wer dort seine Fahrgestellnummer eingibt, erfährt genau, welchen Status das eigene Fahrzeug in Bezug auf den Rückruf aktuell hat. Die entsprechende Infoseite von VW Nutzfahrzeuge wird in den genannten Berichten auch erwähnt. Allerdings wirkt es dort so, als sei diese frisch ans Netz gegangen. "Dabei ist sie schon seit mehreren Jahren online", bestätigt der Sprecher.

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Eigentümer und Eigentümerinnen von VW- und Audi-Modellen, deren Fahrzeuge wegen fehlerhafter Takata-Gasgeneratoren zurückgerufen werden, sollten dies freilich nicht auf die leichte Schulter nehmen und ihr Auto schnellstmöglich in die Werkstatt bringen. Ein ungeeignetes Treibmittel kann in Kombination mit einer damals schlampigen Qualitätskontrollen zu ungewollten und besonders heftigen Airbag-Auslösungen führen. Umherfliegende Splitter- und Metallteile können ernsthafte Verletzungen nach sich ziehen; bei einigen Fällen kamen in der Vergangenheit dabei Autoinsassen zu Tode.

Hinweis: In der Fotoshow bieten wir Ihnen einen Überblick über die bisher wichtigsten Auto-Rückrufe des Jahres 2025.  © auto motor und sport