Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hat Zahlen einer Analyse präsentiert, die belegen sollen, dass österreichische Autobahnen sicherer seien als deutsche. Grund hierfür sei das österreichische Tempolimit. Der ADAC dagegen setzt sich gegen ein generelles Tempolimit ein und kommt zu ganz anderen Zahlen. Wie sicher sind Deutschlands Autobahnen wirklich im Vergleich?
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bringt das Thema Tempolimit wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Laut einer Analyse kamen in Deutschland im Schnitt der vergangenen drei Jahre pro 1.000 Autobahnkilometer um 35 Prozent mehr Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben als auf Österreichs Autobahnen. Auch die Zahl der Unfälle und Verletzten war der Analyse zufolge deutlich höher.
Eine Analyse mit Schwächen
Das höhere Unfallrisiko führte der VCÖ, der gegen eine Anhebung des österreichischen Limits auf Tempo 140 ist, darauf zurück, dass es in Deutschland kein Tempolimit gebe.
Dabei weist die Analyse einige Schwächen auf:
- Gerechnet wird mit den Unfällen und Toten je 1.000 Streckenkilometer. Wie stark die Autobahnen frequentiert werden, wie viele Fahrzeuge darauf unterwegs sind, sagt diese Variable nicht.
- Die höhere Zahl an Toten und Unfällen wird ohne Begründung durch das fehlende Tempolimit erklärt. Ob erhöhte Geschwindigkeit überhaupt Unfallursache war, lässt sich aus den Zahlen nicht herauslesen.
- Obwohl drei Jahre untersucht worden sind, ist diese Fallzahl für so eine Untersuchung statistisch recht gering. Die Zahlen weisen große Schwankungen auf, die auf Drittvariablen hindeuten wie warme, trockene Winter.
- In Deutschland herrscht auf 38 Prozent der Streckenkilometer bereits ein dauerhaftes oder temporäres Tempolimit. Ein Vergleich der Streckenabschnitte in Deutschland mit und ohne Limit findet nicht statt.
Die Analyse des VCÖ sorgt vor allem deswegen für Aufsehen, da bislang deutsche Autobahnen als sicherer galten im Vergleich zu den österreichischen. Dies war auch der Anlass der Analyse, wie Christian Gratzer vom VCÖ gegenüber unserer Redaktion erklärte.
Der Grund: In europäischen Statistiken wird meist nicht nach Streckenkilometern gerechnet, sondern im Verhältnis zur Bevölkerungszahl oder der Zahl der zugelassenen Fahrzeuge. Berechnet man die Verkehrstoten auf Autobahnen auf dieser Grundlage, steht Deutschland in jedem der letzten drei Jahre besser da als Österreich.
Österreich (Verkehrstote auf Autobahnen je Mio. Einwohner/ Kraftfahrzeuge) | Deutschland (Verkehrstote auf Autobahnen je Mio. Einwohner/ Kraftfahrzeuge) | |
2015 | 5,79 / 7,63 | 5,07 / 6,72 |
2016 | 5,26 / 6,91 | 4,75 / 6,27 |
2017 | 6,32 / 8,27 | 4,89 / 6,42 |
Mehr Tote je Unfall in Österreich
Wie der ADAC gegenüber unserer Redaktion mitteilte, ist aber ein Vergleich nach Kraftfahrzeugkilometern, also der Zahl an gefahrenen Kilometern auf der Autobahn, sinnvoller, da dies das Verkehrsvolumen miteinbezieht.
Demnach lag die Zahl der Getöteten zum Beispiel 2013 auf deutschen Autobahnen bei 1,7 je einer Milliarde Fahrzeugkilometer. Österreich hatte mit 2,55 Verkehrstoten je Milliarde Fahrzeugkilometer auch hierbei einen schlechteren Wert. Aktuell liegt die Zahl in Deutschland bei 1,6. Für Österreich liegen die aktuellen Zahlen noch nicht vor.
VCÖ-Sprecher Christian Gratzer vom VCÖ hält den Indikator Fahrzeugleistung dagegen nur für bedingt aussagekräftig, da es bei hohem Verkehrsaufkommen auch mehr Stau geben könnte, bei dem das Risiko tödlicher Unfälle nur gering ist.
Der ADAC verglich auch innerhalb Deutschlands Abschnitte mit und ohne Tempolimit und kam zu dem Ergebnis, dass sich hier kein großer Unterschied zeigt. Auch eine höhere Unfallschwere, also eine höhere Zahl an Toten durch Unfälle, lässt sich laut ADAC nicht feststellen.
Vergleicht man die österreichischen Unfall- und Opferzahlen, die auch der VCÖ herangezogen hat, mit denjenigen aus Deutschland, sind die österreichischen Unfälle sogar folgenschwerer trotz Tempolimit:
Österreich (Verkehrstote auf Autobahnen je 1.000 Unfälle) | Deutschland (Verkehrstote auf Autobahnen je 1.000 Unfälle) | |
2015 | 23,1 | 20,6 |
2016 | 19,3 | 18,5 |
2017 | 23,8 | 19,5 |
Landstraßen sind am gefährlichsten
Der ADAC setzt sich gegen die Einführung eines generellen Tempolimits ein und verweist darauf, dass in Deutschland etwa ein Drittel des Straßenverkehrs über Autobahnen läuft, dort aber nur rund 12 Prozent aller Verkehrstoten zu beklagen sind. Am gefährlichsten sind Landstraßen, über die 40 Prozent des Verkehrsaufkommens läuft, auf die aber 60 Prozent aller Verkehrstoten in Deutschland kommen.
Während in Österreich ab August auf zwei Teststrecken Tempo 140 eingeführt wird, sind die Deutschen in Meinungsumfragen zunehmend geteilter Meinung: 52 Prozent sind gegen ein generelles Tempolimit, 42 Prozent dafür. 2014 waren noch 65 Prozent dagegen und nur 35 Prozent dafür.
Die Verkehrssicherheit auf deutschen Autobahnen steigt unabhängig von den Diskussionen um ein Tempolimit seit Jahren. So sank die Zahl der Verkehrstoten auf deutschen Autobahnen in den letzten 25 Jahren um 66 Prozent. Bessere Sicherheitsstandards sowie warme, trockene Winter zeigen einen signifikanten Einfluss auf die Verkehrssicherheit.
So war etwa laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) das Jahr 2016 zur Winterzeit außergewöhnlich warm und trocken, was den deutlichen Rückgang der Unfall- und Opferzahlen 2016 sowohl in Deutschland als auch Österreich erklären könnte.
Verwendete Quellen:
- Destatis
- Statistik Austria
- Pressemitteilung des VCÖ
- Informationen des ADAC
- Informationen des VCÖ
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