Honda wird ab 2026 eine neue Generation von Elektroautos auf den Markt bringen. Die Modelle der "0 Series" kommen auch als SUV zu uns, werden aber nicht in Japan, sondern in Nordamerika gebaut. Wir nehmen die Technik unter die Lupe und durften sie sogar schon testen.
Bereits Anfang des Jahres 2024 zeigte Honda auf der CES in Las Vegas erste Konzepte von neuen E-Autos. Die sind für den weltweiten Markt bestimmt und sollen ab 2026 in Nordamerika eingeführt werden. Um den globalen Null-Emissions-Anspruch auch im Namen zu zeigen, wird das neue Label "Honda 0 Series" heißen. Die 0 steht aber auch für den Neustart vom sprichwörtlichen "Nullpunkt" aus. Wir erklären die neue Technik im Detail.
7 neue Elektro-Modelle bis 2030
Zunächst stellten die Japaner auf der CES 2024 in Las Vegas zwei Konzepte vor – einen flachen, langgestreckten Saloon und einen geräumigen Van. Die Saloon-Limousine ist so oder so ähnlich als Serienmodell bestätigt. Ob Honda tatsächlich auch einen Elektrovan plant, ist noch nicht klar. Viel deutlicher setzen die Japaner in naher Zukunft auf das Thema SUV.
Honda-CEO Toshihiro Mibe stellte uns jüngst in Japan die Produktplanung der kommenden Jahre vor. Sieben Modelle sollen bis zum Ende des Jahrzehnts auf der neuen Elektroplattform basieren. Neben dem Saloon stehen als Erstes ein Midsize-SUV (Tiguan-Klasse) und ein Einstiegs-SUV auf dem Plan. Es folgen ein noch größerer SUV mit drei Sitzreihen sowie eine kompakte und kleinere Variante. Als Siebtes im Bunde soll eine kompakte Limousine im Civic-Format folgen.
Saloon-Limousine macht den Anfang
Das Concept Saloon tritt als langgestreckte Crossover-Limousine an. Die Nase duckt sich tief. Die Dachlinie läuft in einem Bogen von der Spitze bis zum hohen Heckabschluss. Auf einem bulligen Unterbau mit großen Rädern sitzt ein filigranes Greenhouse, das auf große Glasflächen setzt. Türen sind nicht zu erkennen. Das rundum mit LED-Lichtleisten eingefasste Kühlermaul scheint am Heck in gleicher Form mit roten Rücklichtleisten auf.
Vier Einzelsitze mit viel Bewegungsfreiheit sowie ein extrem reduziertes Cockpit mit Yoke-Lenkrad und großen Bildschirmflächen dominieren im Innenraum. Die Bildschirme für die Fondpassagiere sind direkt in die Vordersitze eingearbeitet. Das gesamte Armaturenbrett lässt sich – zumindest in der Studie – samt Lenkrad komplett einfahren. Das schafft nochmals mehr Bewegungsfreiheit vor den vorderen Passagieren.
Stattliches E-SUV statt geräumiger Van
Als zweites Konzept fiel auf der CES in Las Vegas, das sogenannte Space-Hub auf. Es verfolgt den gleichen Design-Ansatz wie der "Saloon", setzt dabei aber auf eine deutlich höher verlaufende Dachlinie. Entsprechend macht der Space-Hub auf MPV oder Van. Zugang zum Innenraum gewähren hier vier seitliche Türen. Während die Kabine üppig verglast ist, zeigt sich der Heckbereich komplett verschlossen. Im Fond bilden zwei sich gegenüberstehende Zweierbänke das Reiseambiente unter einem riesigen Glasdach.
Vom Van war in jüngster Zeit allerdings keine Rede mehr. Vielmehr drehte sich bei den Ausführungen des Honda-Chefs vieles um SUV. Als Erstes dürften wir uns an dieser Stelle auf einen elektrischen Tiguan-Gegner – also einen ID.4 von Honda – freuen. Gebaut wird der wie alle anderen Elektro-Modelle der 0 Series in Nordamerika – zunächst im Honda Marysville Auto Plant Ohio/USA.
Neues Honda-Werk in Ontario/Kanada
Dazu wollen die Japaner eine Produktion von Batterien und Elektroautos in Kanada aufbauen. Dafür investiert Honda rund 10 Milliarden Euro in eine neue Fabrik in der Provinz Ontario. Dort winkt der Staat mit hohen Fördersummen zur Ansiedlung von Firmen aus dem eMobility-Sektor, um ein Zentrum vom Rohstoffabbau über die Produktion von Fahrzeugen und Batterien entstehen zu lassen. Kanada konkurriert hier mit dem Standort der Nachbarstaaten aus den USA.
Allein wird Honda die Batterieproduktion sicher nicht auf die Beine stellen. Schließlich sollen hier auch die Kathodenmaterialen selbst hergestellt und verarbeitet werden. Als möglicher Partner steigt höchstwahrscheinlich LG mit ins Boot. Mit dem koreanischen Konzern LG Energy Solution ist Honda auch für das Werk in Ohio/USA eine Gemeinschaft eingegangen, um hier ab 2025 mit der Batterieproduktion zu beginnen.
400-Volt-Akku mit 80 bis 90 kWh
Apropos Batterie. Die konnten wir uns in Japan bereits ansehen – tiefe Details wurden allerdings nicht verraten. Besonders stolz ist man bei Honda auf das flache Package. Der Akku-Kasten, der bei allen Modellen im Unterboden zwischen den Achsen Platz findet ("Skateboard-Plattform"), baut etwa 6 Prozent flacher auf als bei der Konkurrenz. Welche Mitstreiter hier als Referenz dienten, verrät Honda allerdings nicht. Verbaut werden prismatische Zellen von LG. In mehreren Modulen verbaut, kommt die gesamte Batterie dann auf gut 80 Kilowattstunden.
Auch bei der Ladeleistung halten sich die Japaner noch bedeckt. In 15 Minuten soll Strom für etwa 160 Kilometer nachgeladen werden. Nicht unbedingt ein Top-Wert. Geht man von einem Durchschnittsverbrauch von 20 kWh je 100 Kilometern aus, landet man je nach Umrechnung und mit Ladeverlusten bei etwa 120 bis 150 kW Ladeleistung. Die Reichweite der kommenden 0-Series-Modelle gibt Honda zunächst mit 480 Kilometer an.
Allradantrieb und bis zu 360 kW/490 PS
Die neue Honda-Plattform ermöglicht sowohl Heck- als auch Allradantrieb mit zwei unterschiedlichen E-Maschinen. Hauptantriebsquelle ist ein 180-kW-Motor. In alter Währung leistet der also 245 PS. Bei Allradmodellen lässt er sich mit einem 50-kW-Motor an der Vorderachse kombinieren. Aber auch zwei große oder ein kleiner Motor können dank der variablen Plattform zum Einsatz kommen.
So ist eine Leistungspalette denkbar, die alles vom 50 kW starken Stadtauto bis zum Sportwagen mit 360 kW realisieren kann. Zu Fahrleistungen oder Verbrauchswerten gibt es noch keine Angaben. Die Motoren stammen allerdings nicht aus eigener Produktion, sondern von einem nordamerikanischen Hersteller. Mehr wollte uns Honda – selbst der weltweit größte Motorenhersteller – bisher nicht verraten.
Erste Fahrprobe im getarnten SUV
Dass nicht alles nur bloße Theorie ist, davon durften wir uns auf dem Honda-Testgelände im Japan bereits überzeugen, als wir uns ans Steuer eines sogenannten "Mules" (Maulwurf) setzten. Bei einem solchen Entwicklungsträger versteckt sich die neue Antriebstechnik im Kleid eines bekannten Autos – in unserem Fall der stattliche SUV CR-V, den es in Deutschland nur als Hybrid oder Plug-in-Hybrid gibt (ab 50.000 Euro).
Die Elektrovariante gibt sich daher völlig unaufgeregt und unspektakulär, beschleunigt bei Bedarf kräftig durch und fährt sich ansonsten wie ein "normaler" CR-V. Via Schaltpaddel verstellt dieser CR-V allerdings seine Rekuperation in fünf Stufen. Mit der stärksten (am linkem Paddel ziehen) beherrscht der Wagen das sogenannte "One-Pedal-Driving" – also das Fahren nur mit dem Gaspedal. Lupft man den Fuß, bremst das Auto relativ stark bis zum Stillstand ab. Fünf Züge am rechten Pedal, und die Rekuperation ist zurückhaltend eingestellt. Jetzt segelt das Auto, rollt gefühlt bis zum Horizont und verzögert nur über den Windwiderstand.
Leichtbau, Effizienz und Gigacasting
Das Thema Reichweite wollen die Japaner in Zukunft nicht über riesige Batterien, sondern über Effizienz und Leichtbau angehen. Neue Verarbeitungstechniken wie CDC-Schweißen (Constant Chopping Welding) und Aluminium-Druckguss (Gigacasting) sollen dabei helfen. Mit modernen 6.000-Tonnen-Pressen sollen beispielsweise die großen Batteriegehäuse in einem Arbeitsschritt gefertigt werden.
Im neuen Werk in Kanada kommen dazu noch 10.000-Tonnen-Pressen zum Einsatz, die in der Lage sind, ganze Hinterwagen am Stück zu fertigen. Honda folgt bei der Series 0 damit einem Trend in der Automobilindustrie, hin zu günstigeren und schnelleren Fertigungsmethoden. Allein durch das Gigacasting können bis zu 30 Prozent des Herstellungs-Aufwands eingespart werden. Zur neuen Honda-Plattform gehören natürlich auch alle verfügbaren Assistenzsysteme sowie eine umfassende Konnektivität via Google Android Automotive.
Honda wird CO2-neutral
Mit den Modellen der Honda 0 Series wollen die Japaner den Rückstand zur Konkurrenz in Sachen E-Mobilität aufholen. Bis 2050 will das Unternehmen komplett CO2-neutral wirtschaften. Daher setzt Honda bis 2040 auf die vollständige Elektrifizierung des Antriebs und möchte nach 2039 weltweit nur noch Brennstoffzellenfahrzeuge und Elektroautos verkaufen. Die neue Honda 0 Series folgt auf den e:Ny1, den Honda seit diesem Jahr im Programm hat. Er ist aktuell Hondas einziges Fahrzeug mit E-Antrieb, denn der kompakte Honda e wurde 2023 nach vier Jahren ohne Nachfolger eingestellt. © auto motor und sport
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