Bei Massendemonstrationen in der Türkei wird zum Boykott des VW-Konzerns aufgerufen. Grund dafür ist ein umstrittener Vertriebspartner.

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In der Türkei spitzen sich die politischen und gesellschaftlichen Spannungen weiter zu. Seit der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu am 19. März 2025, einem prominenten Oppositionspolitiker und designierten Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Volkspartei (CHP), erlebt das Land die größten Proteste seit den Gezi-Demonstrationen 2013. Neben Straßenprotesten hat die CHP nun eine Boykottkampagne gegen Unternehmen gestartet, die als regierungsnah gelten – darunter auch deutsche Marken wie Volkswagen und Audi.

Hintergrund der Proteste und Boykottaufrufe

İmamoğlu wurde unter Korruptions- und Terrorvorwürfen inhaftiert, die er bestreitet. Die Opposition sieht die Anschuldigungen als politisch motiviert, um ihn vor den Präsidentschaftswahlen 2028 auszuschalten. Millionen Menschen demonstrieren seither landesweit gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. CHP-Chef Özgür Özel hat angekündigt, die Proteste durch regelmäßige Kundgebungen und eine Boykottkampagne langfristig aufrechtzuerhalten.

Regierungsnaher Vertriebspartner

Die Boykottaufrufe richten sich gegen Unternehmen, die mit Erdoğan oder regierungstreuen Medien in Verbindung stehen. Dazu zählen neben türkischen Firmen auch internationale Marken wie Volkswagen und Audi. Diese werden wegen ihrer Kooperation mit der Doğuş Holding ins Visier genommen, einem Konzern, dem auch regierungsnahe Fernsehsender wie NTV gehören. In der Türkei werden unter anderem die Marken Audi und VW von Doğuş Otomotiv vertrieben.

Das Unternehmen ist einer der führenden Automobilimporteure und -distributoren des Landes und repräsentiert insgesamt 16 internationale Marken, darunter auch weitere VW-Konzernmarken wie Porsche, Škoda, Bentley und Lamborghini. Ferit Şahenk, der Vorsitzende der Doğuş Holding und einer der reichsten Menschen in der Türkei, ist politisch umstritten, insbesondere wegen seiner engen Verbindungen zur türkischen Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Angespanntes Verhältnis

Das politisch aufgeladene Verhältnis von Volkswagen auf dem türkischen Markt ist nicht neu. Bereits 2020 hatte VW seine Pläne für ein Werk in Manisa bei Izmir endgültig aufgegeben. Kritiker sahen darin einen Rückzug aus politischen Gründen, obwohl VW offiziell wirtschaftliche Gründe wie den Nachfragerückgang während der Corona-Pandemie angab. Die türkische Regierung reagierte darauf mit Maßnahmen gegen den Konzern. Damals wurden Ministerien und Behörden angewiesen, Fahrzeuge aus dem VW-Konzern als Dienstwagen auszumustern.

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Im Jahr 2024 verkaufte der Volkswagen Konzern laut Geschäftsbericht in der Türkei insgesamt 178.713 Fahrzeuge, was einem Anstieg von 7,7 % gegenüber den 166.001 Einheiten im Jahr 2023 entspricht. Die Marke Volkswagen Pkw setzte davon 96.968 Fahrzeuge ab und belegte damit den vierten Platz unter den meistverkauften Automarken in der Türkei.  © auto motor und sport