In China verliert VW Marktanteile, weil der Konzern keine günstigen E-Autos kann. Die Strategie: Kooperation mit lokalen Konkurrenten. In Indien will es Volkswagen besser machen und versucht’s von Anfang an mit der gleichen Methode. Fällt dabei ein Budget-Car für Europa ab?
Den indischen Markt beackert der VW-Konzern mit Skoda. Die Tschechen bezeichnen Indien als Schlüsselmarkt für ihre Internationalisierungspläne und als zukünftiges Exportzentrum. Etwa 50 Prozent der außerhalb der Tschechischen Republik hergestellten Škoda-Fahrzeuge stammen aus Indien. 2023 verkaufte der Konzern gut 101.000 in Indien gebaute Autos, 44.000 davon wurden exportiert.
2025 zielt Skoda mit dem komplett neuen kompakten SUV Kylaq auf das größte Segment, das mehr als 50 Prozent des Marktes ausmacht. Der Kylaq ist das dritte speziell für Indien entwickelte Modell und soll helfen, das Verkaufsziel von 100.000 Fahrzeugen in Indien bis 2026 zu erreichen (Alle Modelle des aktuellen Portfolios von Škoda in Indien sehen Sie hier). Angesichts von mehr als vier Millionen Neuzulassungen pro Jahr auf dem indischen Markt wirkt das nicht allzu ambitioniert.
Warum will der VW-Konzern E-Autos für Indien?
Perspektivisch braucht Volkswagen für den indischen Markt ein Elektroauto im Angebot, weil auch dort die CO₂-Emissionen von Pkw limitiert werden. Auch in Indien geht das über Grenzen für den Flottenverbrauch (Corporate Average Fuel Consumption, CAFE). Ab 2027 soll die CAFE-III-Norm (91,7 g CO₂/km) gelten, ab 2032 CAFE IV (70 g/km). Das ist ohne Elektromodelle mit nennenswerten Stückzahlen nicht zu schaffen. Dafür wiederum ist ein konkurrenzfähiger Preis entscheidend, der in Indien noch schwieriger zu erreichen ist als in Europa. Trotzdem kommt ein Ausstieg aus dem Wachstumsmarkt strategisch nicht wirklich infrage.
Škoda erwartet eine BEV-Anteil von 15 bis 30 Prozent und hat dementsprechend einen Plan zur E-Mobilität entwickelt. Das Unternehmen unterstützt nach eigenen Angaben Maßnahmen, "die zu einem nachhaltigen BEV-Ökosystem in Indien führen. Man teste intensiv den Enyaq für Indien und werde ein passendes E-Modell in Indien auf den Markt bringen, wo man aber auch Potenzial für Plug-in- oder Mild-Hybride erkennt.
Plattform für Indien auf Basis von der für China
Autocar India ist sicher: Das erste E-Auto von Skoda soll 2027, also mit dem Inkrafttreten von CAFE III, auf den Markt kommen. Der Enyaq dürfte das eher nicht sein, er ist zu teuer.
Die Website berichtete vielmehr im Oktober 2024, dass günstige E-Autos für Indien auf Basis der für China gemeinsam mit Xpeng entwickelten Plattform (China Main Platform, CMP) entstehen sollen. Das erste CMP-Auto wird demnach ein fünfsitziger, elektrischer SUV.
Die CMP-Fahrzeuge sollen bis zu 4,8 Meter lang sein können. Zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren wolle Skoda die Modelle im Werk Chakan, so autocar.
Was wird aus der Kooperation mit Mahindra?
Zuvor hatte Volkswagen offenbar geplant, ein elektrisches Einstiegsmodell auf Basis des MEB Small mit Frontantrieb zu entwickeln, und zwar in Partnerschaft mit Mahindra. Die Inder sollten ihre starke Marktposition beim Vertrieb und die Produktionskompetenz vor Ort einbringen, Volkswagen die Technik des Elektrobaukastens. Mahindra war der logische Partner: Schon im Mai 2022 hatten die Wolfsburger mit dem indischen Unternehmen eine Absichtserklärung zur Nutzung von Bauteilen unterzeichnet. Daraus wurde ein Liefervertrag über Komponenten des MEB von Volkswagen für Mahindras eigens entwickelte Elektroplattform Inglo. Der Vertrag umfasst sogar Batterie-Einheitszellen. Mahindra wird damit der erste externe Partner, der diese einsetzt. Schon da wollten beide Unternehmen eine mögliche Ausweitung der Zusammenarbeit prüfen. Zwischenzeitlich hat Mahindra die Elektro-Crossover BE 6e und XEV 9e vorgestellt – mit MEB-Komponenten und Batterie-Einheitszellen von VW.
Teures Investment
Autocar India beruft sich auf Quellen, deren zufolge die CMP 30 Prozent günstiger ist als der MEB Small, obwohl die Entwicklung nur 24 Monate gedauert haben soll. Die technischen Details der CMP sind noch geheim; es steht aber zu vermuten, dass sie wie der MEB serienmäßig Hinterrad- und optional Allradantrieb hat. Der Radstand wie beim ID.4 (2,77 Meter) soll Batteriegrößen zwischen 40 und 80 kWh erlauben. Damit wäre das E-Auto für Indien erheblich größer als der für Europa geplante ID.1, der ab 2027 trotz Produktion in Europa für 20.000 Euro zu haben sein soll – und den VW-Chef Schäfer auch in Indien anbieten will. Das größere Indien-Auto dürfte aber wohl kaum mehr kosten.
Allerdings wären die Investitionen trotz der Nutzung der China-Plattform enorm: Adaption der CMP, Entwicklung und Aufbau eines lokalen Zulieferer-Ökosystems würden rund 2 Milliarden Euro verschlingen, schätzt Autocar India. VW bzw. Skoda streben dafür das Joint Venture mit Mahindra an. Aber die Inder zögern offenbar, weil sie auch eigene Pläne zur Entwicklung von E-Autos haben.
Eine Frage von "Leben und Tod"
Zuletzt tat sich zudem ein beträchtliches finanzielles Risiko für den indischen Markt auf: Wie Reuters und in der Folge zahlreiche Medien berichten, werfen indische Zollbehörden dem Unternehmen vor, seit 2012 insgesamt knapp 1,4 Milliarden Dollar zu wenig Einfuhrzölle gezahlt zu haben, indem VW ganze Bausätze nach Indien importiert habe, die dann vor Ort endmontiert werden ("Completely Knocked Down"-Produktion, CKD). Dafür ist ein Zollsatz von 30 bis 35 Prozent fällig, für einzelne Autoteile dagegen liegt der Zollsatz zwischen fünf und 15 Prozent. Als Strafe für die in den Augen der indischen Behörden offenbar betrügerische Praxis stehen 2,8 Milliarden im Raum – und mithin mehr als für die Investitionen in die länderspezifische Plattform. Sollte die indische VW-Tochter die gesamte Summe von 2,8 Milliarden Dollar an Zöllen und Strafen zahlen müssen, könnte das dazu führen, dass sie nicht überlebensfähig sei, zitiert das Manager Magazin einen VW-Anwalt aus einer Gerichtsverhandlung im Februar 2025. "Die Sache ist ernst. Es ist jetzt eine Frage von Leben oder Tod."
Volkswagen India wehrt sich gerichtlich. Man habe die indische Regierung über das Modell des Einzelteilimports informiert und habe bereits 2011 entsprechende Genehmigungen dafür erhalten. Der Steuerbescheid stehe im Widerspruch zur Position der Regierung und gefährde die Grundlage des Vertrauens, das ausländische Investoren in die Maßnahmen und Zusicherungen der Regierung setzen möchten, heißt es laut Autocar India in einer Gerichtsakte.
Indien oder Trump – immer Ärger mit den Zöllen
Die Strafzahlungen würde sich für den stückzahlmäßig noch immer überschaubaren indischen Markt (2023: 4,1 Millionen Fahrzeuge) allenfalls nach Jahren rentieren. Gleichzeitig versuchte der VW-Konzern ein beispielloses Sparprogramm mit Stellenabbau und Werksschließungen in Deutschland umzusetzen. Auch, weil der Marktanteil in China schrumpft wie Eis in der Sonne und die Gewinne aus dem bislang größten Ländermarkt gleich mit. Um so größer wäre der Druck für Synergien zwischen den Marktregionen. Wenn der VW-Konzern dabei lernen würde, wie günstige E-Autos für Indien darstellbar sind, könnte das zumindest teilweise auf den europäischen Markt übertragbar sein. Der Produktion in Europa und den Arbeitsplätzen würde das wohl eher nicht helfen.

Inzwischen kommen noch die unabsehbaren Folgen von Donald Trumps Zollpolitik hinzu. Verkäufe in Indien könnten perspektivisch Teile der auf dem US-Markt wegfallenden Stückzahlen kompensieren. Die Rendite dürfte ungleich geringer sein – und sie hängt entscheidend davon ab, ob der Volkswagenkonzern die Herausforderung Billigauto meistern kann. © auto motor und sport