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Anders als China fehlt der EU eine Gesamtstrategie von Politik und Wirtschaft bei der Batterieproduktion. Ohne die wird es für europäische Hersteller schwierig, gegen die chinesische Übermacht zu bestehen.

Bis 2050 soll der Ausstoß an Treibhausgasen in der EU auf null gesenkt werden – so die europäische Klimastrategie "Green Deal". Auf den Verkehrssektor entfallen etwa ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen in Europa, die Hälfte davon allein auf Pkw. Für eine drastische Senkung der CO₂-Emissionen des Verkehrs muss bis 2035 wenigstens die Neuwagenflotte komplett auf emissionsfreie Antriebe umgestellt sein. Aber noch immer tragen drei Viertel aller neu in der EU zugelassenen Pkw einen Verbrenner unter der Haube. Der Wandel sei laut dem Europäischen Rechnungshof – dem luxemburgischen Kontrollorgan der Brüsseler EU-Politik – kaum mehr zu schaffen.

Dass sich EU-Parlament und Kommission offiziell dazu verpflichtet haben, die Klimaschutzpläne im Jahr 2026 noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen, mutet da wie ein kontraproduktiver Witz an: Der Europäische Rechnungshof veröffentlichte in den vergangenen Jahren immer wieder Untersuchungsberichte, denen zufolge man die ersten Zwischenziele längst verfehlt hat. Statt Lockerungen wären Nachbesserungen dringend nötig.

Video: Im Video: BMW CMCC Batterieproduktion

E-Autos sind wichtig, aber politisch umstritten

Die Prüfer stellten fest, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge entscheidend für eine emissionsfreie Fahrzeugflotte sind. Doch die europäische Batterieindustrie sei im globalen Wettbewerb zurückgeblieben. Weniger als zehn Prozent der weltweiten Batterieherstellung erfolgten hier. Und dabei handele es sich zumeist um außereuropäische Unternehmen. Weltweit produziere China mit 76 Prozent aller Fahrzeugbatterien den Löwenanteil.

Größtes Problem hierbei: Die starke Abhängigkeit von importierten Rohstoffen sowie die industrielle Unabhängigkeit von Staaten wie eben China. Daher könnten Elektroautos "in der Tat zu einem doppelten Dilemma für die EU werden: zwischen ökologischen Prioritäten und Industriepolitik und zwischen Umweltzielen und den Kosten für die Verbraucher," sagt Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs.

Die Kosten für Autofahrer fallen zuerst beim Kaufpreis für E-Autos ins Gewicht. Die europäischen Autohersteller konnten schon bei Verbrennermodellen nur vereinzelt (Dacia) vertretbare Preise für die breite Masse darstellen. Bei E-Autos verspricht der Volkswagen-Konzern die vielfach geforderten bezahlbaren Einstiegsmodelle (Arbeitstitel VW ID.2) für 25.000 Euro – ab 2026. Ein Jahr später soll ein Kleinwagen (ID.1) auf den Markt kommen, der noch günstiger werden soll (ab 20.000 Euro).

Volkswagen steigt in Batteriezellfertigung ein

Weil 40 Prozent der Wertschöpfung in der Batterie stecken, geht das nur, wenn der Autobauer deren Herstellung selbst hinbekommt. Volkswagen unternimmt als erster europäischer Hersteller mit der erst 2022 gegründeten Tochtergesellschaft PowerCo enorme Anstrengungen, um eine eigene Batterie-Zell-Produktion (und auf die kommt es an) im großen Stil zu etablieren. 2025 soll in der ersten VW-eigenen Batteriefabrik in Salzgitter die Produktion starten. Finale Kapazität: 40 GWh – genug für etwa 500.000 Elektrofahrzeuge. Laut Volkswagen baut PowerCo derzeit drei Gigafabriken in Europa und Nordamerika (im kanadischen St. Thomas) mit einem Gesamtvolumen von bis zu 200 GWh auf. Bis 2030 will PowerCo mehr als 20 Milliarden Euro investieren.

Verdammt viel Geld für einen Autohersteller und doch nur ein Bruchteil dessen, was die chinesische Volkswirtschaft längst in den Aufbau einer ganzen E-Auto-Industrie gesteckt hat. Anders als die Europäer weniger mit dem Ziel der Dekarbonisierung des Verkehrs als im Streben nach wirtschaftlicher Dominanz. Aber selbst die USA, nicht für zentralistisch gelenkte Fünf-Jahres-Pläne bekannt, haben mit ihrem gigantischen Förderprogramm – dem sogenannten "Inflation Reduction Act" – ein fruchtbareres industrielles Klima für Zukunftstechnologien (die im Zweifel CO₂-mindernd sind) geschaffen.

Konzern gegen Volkswirtschaft, David gegen Goliath

Wie überfällig ein solch konzertierter Plan für Europa ist, zeigt ein Gespräch mit Sebastian Wolf, COO von PowerCo, im Moove-Podcast. Der Produktionsexperte sagt beispielsweise, VW werde "eins zu eins verglichen mit China nicht diesen Kostenpunkt erreichen können". Natürlich hat das damit zu tun, dass Gebäude und Produktionsmittel in China erheblich günstiger darstellbar sind. Und dass der Strom günstiger ist. Aber Programme wie der IRA etwa setzen genau da an: Sie fördern am Ende Auto-Akkus, die aus den USA kommen. Das heißt eben nicht, dass der Strom verbrauchssteigernd insgesamt subventioniert wird, sondern, dass der Strom zur Produktion von Batterien günstiger wird. Hilfreich, denn er macht 30 Prozent der Herstellungskosten von Zellen aus.

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Kohlestrom sollte es freilich nicht sein, sonst geriete die CO₂-Bilanz der Akkus schnell aus dem grünen Bereich. Das weiß auch VW, drum will der Hersteller seine Giga-Fabriken zu 100 Prozent mit Strom aus regenerativen Quellen betreiben. Aber wenn sich der Autobauer darum genauso kümmern muss wie um die Sicherung der Rohstoffkontingente, wird das Ungleichgewicht offensichtlich: Gegen Chinas rund 17 Billionen Euro Bruttoinlandsprodukt und gut 1,4 Milliarden Menschen nehmen sich 322 Milliarden Euro Jahresumsatz des VW-Konzerns mit seinen 684.000 Mitarbeitern eher mickrig aus.  © auto motor und sport

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