Es kann nervenaufreibend sein, wenn uns ein Wort auf der Zunge liegt. Anders als wenn wir einen Begriff gar nicht kennen oder ihn wirklich vergessen haben, sind wir sicher, dass wir ihn abgespeichert haben. Wir sind ganz nah dran und kommen doch nicht drauf. Was ist in solchen Situationen in unserem Gehirn los und was hilft, um sich aus dem frustrierenden Zustand schnell wieder zu befreien?
Wie heißt denn dieser ägyptische Glückskäfer nochmal? Irgendwas mit einem "S" am Anfang und vielen Silben. Jeder kennt dieses quälende Gefühl, dass man sich sicher ist, einen Begriff zu kennen, er liegt einem gleichsam auf der Zunge, aber will einfach nicht raus. Große Erleichterung stellt sich ein, wenn er einem dann einfällt: Skarabäus! Endlich!
Das sogenannte "Tip-of-the-tongue"-Phänomen erlebt man im Durchschnitt ein- bis zweimal pro Woche. Oft fallen einem der Anfangsbuchstabe oder die Endung des Wortes ein, manchmal kennt man die Anzahl der Silben oder die Wortmelodie. Der Begriff scheint zum Greifen nahe, aber man kann dennoch nicht voll darauf zugreifen.
Mit zunehmendem Alter tritt dieser Zustand häufiger auf. Das sei ganz normal. Eine beginnende Demenz müsse man deswegen nicht befürchten, sagt der Psychologe Prof. Dr. Michael Niedeggen von der Freien Universität Berlin.
Gedächtnis- oder Sprachproblem?
Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig, was genau hinter dem Phänomen steckt, denn seine Erforschung ist schwierig. Es ist nicht leicht, Probanden künstlich für Untersuchungen in den Tip-of-the-tongue-Zustand hineinzuversetzen. "Man stellt viele Fragen wie in einem Wissenstest und hofft, dass man bei einem der gesuchten Begriffe einen solchen Moment erwischt", erklärt Niedeggen.
Die Studien, die es bislang dazu gibt, deuten auf zwei mögliche Ursachen hin: In manchen Fällen zeigt die dabei gemessene Gehirnaktivität an, dass es sich um ein Abrufproblem handelt und das Gedächtnis kurzzeitig blockiert ist.
In anderen Fällen liegt das Problem in der Art, wie unser Gehirn Sprache verarbeitet. Dann wird ein anderes, ähnlich klingendes Wort aktiviert und blockiert den Zugriff auf den eigentlich gesuchten Begriff. Meistens ist es ein häufiger benutztes Wort, das einen eher seltener verwendeten Begriff überlagert.
In beiden Fällen sei das Auftreten des Zungenspitzenphänomens an sich nichts Schlimmes, betont Niedeggen. "Es ist ein Alltagszustand, der mit einer emotionalen Erregung einhergeht, die einem einfach nur signalisieren soll: Bleib' dran an der Suche, du kennst das Wort."
Welche Strategie hilft?
In den meisten Fällen kommt man nach einiger Zeit von selbst auf den Begriff. Was man am besten tun kann, um den Prozess zu beschleunigen, hängt davon ab, ob es einen Blockierer gibt, so Niedeggen: "Wenn einem die ganze Zeit ein phonologisch ähnliches Wort einfällt, dass man sagen will, dann ist der gesuchte Begriff überdeckt. In dem Fall sollte man erst mal diesen Blockierer loswerden, indem man sich entspannt und nicht gedanklich sein Lexikon weiter durchgeht, um auf ähnlich klingende Begriffe zu kommen." Sonst bleibe der Blockierer aktiviert und funke immer weiter dazwischen.
Im anderen Fall, wenn kein ähnlicher Begriff den Abruf stört, könne man dagegen aktiv im Gedächtnis kramen und nach dem Wort suchen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Prof. Dr. Michael Niedeggen vom Arbeitsbereich Allgemeine Psychologie und Neuropsychologie der Freien Universität Berlin
- Roger Brown: The "tip of the tongue" phenomenon
- Timothy Perfect: The tip-of-the-tongue phenomenon: Do experimenter-presented interlopers have any effect?
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