Vor 100 Jahren veröffentlichte Albert Einstein seine "Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie" – ein kompliziertes Werk. Wir helfen Ihnen, es zu verstehen.
Mit dem ersten Teil seiner Relativitätstheorie, der speziellen Relativitätstheorie, revolutionierte
Versetzen wir uns in das Jahr 1905. Wie war denn die Ausgangslage für Albert Einsteins Forschungen?
Heinrich Päs: Damals haben sich die Leute, von der alltäglichen Erfahrung ausgehend, Raum und Zeit als starre Sachen vorgestellt. Also dass Raum und Zeit unveränderlich sind und Zeit stetig voranschreitet. Es gab damals aber schon einen Widerspruch: Wenn man sich parallel zu einer elektromagnetischen Welle wie Licht bewegt, dann hat die Theorie nicht mehr gestimmt.
Und das war Einsteins Ausgangspunkt.
Und was besagt jetzt die Relativitätstheorie?
Forscher haben die Lichtgeschwindigkeit gemessen. Und zwar in der Form, wie die Lichtgeschwindigkeit von unterschiedlichen Beobachtern gesehen wird. Zum Beispiel die Lichtgeschwindigkeit entgegen der Erdbewegung um die Sonne und parallel dazu.
Dabei kam immer das gleiche Ergebnis heraus, das Licht war immer gleich schnell - egal wie schnell man sich selbst bewegt. Einstein hat das als Ausgangspunkt für seine Theorie genommen.
Man kann sich das so vorstellen: Wenn man einen Lichtstrahl losschickt und ihm hinterherrennt, bleibt die Lichtgeschwindigkeit immer die gleiche. Also auch, wenn man mit der Hälfte der Lichtgeschwindigkeit dem Lichtstrahl hinterherrennt, oder gar mit 99 Prozent – der Lichtstrahl bewegt sich trotzdem immer mit der gleichen Geschwindigkeit von einem weg.
Und die Frage ist: Wie geht das? Und das geht so: Je schneller man sich bewegt, desto langsamer vergeht die persönliche Zeit. Sie wird also gedehnt, wohingegen der Raum gestaucht wird.
Das heißt also: Dadurch, dass Einstein herausgefunden hat, dass Lichtgeschwindigkeit nicht veränderlich ist, müssen die anderen Parameter zwangsweise veränderlich sein?
Genau. Eine Geschwindigkeit messen Sie ja immer, indem Sie eine Strecke durch eine Zeit teilen. Bei der Lichtgeschwindigkeit sind das zum Beispiel 299.792.458 Meter pro Sekunde. Wenn diese Geschwindigkeit aber immer die gleiche ist, egal wie schnell Sie dem Messobjekt hinterherjagen, ist die einzige logische Möglichkeit, dass sich Strecke und Zeit verändern!
Können Sie dafür ein praktisches Beispiel nennen? Vielleicht aus dem Alltag, dass man sich das vorstellen kann?
Aus dem Alltag nicht, weil wir es dort meistens mit Geschwindigkeiten zu tun haben, die viel langsamer als die Lichtgeschwindigkeit sind, so dass man diese Effekte nicht sehen kann. Aber im Prinzip kann man ganz genaue Uhren in extrem schnelle Flugzeuge packen und dann messen, dass diese Uhren langsamer gehen.
Also es gibt tatsächlich Experimente, die diese Theorie stützen?
Ja, sicher! Die ist sehr gut belegt. Eine andere Möglichkeit sind zum Beispiel Elementarteilchen, die in der Atmosphäre entstehen, wenn kosmische Strahlung auf die Atmosphäre prasselt. Diese Teilchen haben eine ganz kurze Lebensdauer und dürften uns eigentlich nie erreichen.
Aber dadurch, dass sie so schnell sind, vergeht die Zeit für sie extrem langsam. Damit reicht ihre Lebensdauer aus, um bei uns auf der Erde gemessen werden zu können. Sie leben also länger als jene Elementarteilchen, die ruhen.
Ganz schön kompliziert. Wie lange braucht ein Physikstudent, bis er das begriffen hat?
Es ist schwer zu sagen, wann man überhaupt etwas vollkommen begriffen hat. Also die spezielle Relativitätstheorie unterrichten wir im ersten Semester und das dauert etwa 15 Stunden Vorlesung. Die allgemeine Relativitätstheorie, die Einstein einige Jahre später veröffentlicht hat, ist sehr viel schwieriger.
Die spezielle Relativitätstheorie gilt nur für Beobachter, die sich in einer konstanten Geschwindigkeit befinden. Und die allgemeine gilt für beliebige Beobachter; und dafür müssen Studenten sehr komplexe Mathematik erlernen und anwenden.
Es gibt sogar Lösungen der allgemeinen Relativitätstheorie, bei denen man die Zeit so stark krümmen kann, dass sie wieder in sich selbst zurückläuft. Das wäre so eine Art Zeitreise.
Zeitreise? Das klingt nach Hollywood! Könnte man das in irgendeiner Art und Weise tatsächlich in der Praxis umzusetzen?
Nein, so weit ist es noch nicht. Wir wissen, dass Raum und Zeit gekrümmt sind und wir wissen, dass bestimmte Formen von Materie Raum und Zeit krümmen. Die Theorie lautet: Ja, diese und jene Materieform könnte Raum und Zeit so stark krümmen, dass die Zeit in sich selbst zurückläuft.
Aber die Frage ist: Gibt es diese Materieform wirklich? Oder könnten wir sie wirklich finden?
Wenn ich jetzt bei der nächsten Grillparty angeben möchte und mit einem Satz sagen möchte: Ich weiß, was hinter der Relativitätstheorie steckt, und zwar...
... dass statt Raum und Zeit die Lichtgeschwindigkeit unveränderlich ist, und Raum und Zeit selber veränderlich werden. Das ist die spezielle Relativitätstheorie.
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