Das Leben ist ein Wunder an Komplexität. Aus einfachen Molekülen erschafft es einen Körper, der laufen, wachsen, lieben und denken kann. Doch die hochgeordneten Strukturen des Lebens lassen sich nur mithilfe von sehr viel Energie erhalten. Alterung, Krankheiten und letztlich der Tod sind die Folge, wenn die molekulare Ordnung gestört ist – ein Schicksal, das am Ende jeden trifft.
Gegen Ende seines langen Lebens hat der Körper eines Menschen Erstaunliches geleistet. Wenn er 80 Jahre auf dieser Erde zubrachte, dann hat das Herz rund drei Milliarden Mal geschlagen und er hat in jeder Sekunde seines Daseins rund 50 Millionen Zellen produziert. Um diese aus einfachen chemischen Bausteinen herstellen zu können, hat der Körper Nahrung und die darin enthaltene Energie aufgenommen.
Energie aber heißt Leben. Sie ist unerlässlich, damit der Körper seine ungeheuer komplexen Strukturen – Organe, Gewebe, Zellen – aufbauen kann und biochemisch funktioniert. Denn die unbelebte Welt hat einen Hang zum Chaos, sie strebt einen Zustand größtmöglicher Unordnung an (Fachleute nennen diese physikalische Größe Entropie). Und so ist das Leben ein ständiger Kampf gegen die Unordnung – den wir am Ende verlieren werden. Mit dem Tod wird sich unser Organismus auflösen und in einfache Moleküle zerfallen. "Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub", wie es bei evangelischen Bestattungen heißt. Das Chaos wird siegen.
Die Anzeichen des Todes
Meistens schon Wochen, bevor der Tod in unmittelbare Nähe rückt, sind bei einem alten Menschen typische Anzeichen zu erkennen. Sie beschreibt der Journalist Roland Schulz in seinem Buch "So sterben wir": Der Appetit nimmt ab, weil der Geruchssinn nachlässt, der Schlaf wird länger, die Kraft schwindet. Durst ist kaum noch vorhanden, Mundhöhle und Kehle sind trocken, weil meist durch den Mund geatmet wird. Alles wird immer mühsamer.
In diesem Stadium mag der Körper zwar schwach, krank und gebrechlich wirken, doch im Innern ist er noch vital: Das Blut zirkuliert in den Adern und versorgt jede Zelle, Muskeln und innere Organe arbeiten, Nervenzellen feuern ihre elektrischen Impulse durch Hirn, Rumpf und Gliedmaßen. Es ist diese Kraft des Lebens, die den Körper mit dem Tod wie ein magisches Fluidum verlässt. Wenn sie fehlt, setzt sofort ein dramatischer, endgültiger Prozess des Verfalls ein. Der Leichnam beginnt, sich zu zersetzen und letztlich aufzulösen.
Das Ende kommt mit dem Moment, in dem das Herz zu schlagen aufhört und der letzte Atemzug getan ist. Dann hält der Kreislauf an und das Blut kann den Organen und Geweben keinen Sauerstoff und keine Nährstoffe mehr bringen. Das Gehirn stellt meist schon nach zwanzig bis dreißig Sekunden seine Aktivität ein, der Betroffene fällt ins Koma. Patienten, die zum Beispiel einen Herzinfarkt überlebt haben und wieder zu Bewusstsein gelangten, berichten häufig von Nahtoderfahrungen in diesem Zustand, von Lichterscheinungen am Ende eines Tunnels. Möglicherweise, so vermuten manche Forschende, ist das ein letztes Aufbäumen oder ein abbrennendes neuronales Feuerwerk des sterbenden Gehirns.
Forschende entdeckten bei Sterbenden im Koma Anzeichen von Bewusstsein
Ein Team um die Neurologin und Physiologin Jimo Borjigin von der University of Michigan hat das Phänomen kürzlich an vier im Koma liegenden, sterbenden Patienten wissenschaftlich untersucht. Messungen der Gehirnströme (EEG) begannen, kurz bevor die künstliche Beatmung abgeschaltet wurde, und zeichneten auf, was dann geschah. Bei zwei der Sterbenden breitete sich über das Gehirn eine Woge aus sogenannten Gammawellen – elektrischen Impulsen mit einer Frequenz von mehr als 25 Hertz – aus. Sie gelten als mögliches Zeichen von Bewusstsein. Ähnliche Muster elektrischer Wellen sind auch bei Träumenden bekannt und bei Epileptikern, die während eines Anfalls visuelle Halluzinationen und außerkörperliche Erfahrungen erleben. Ob die Sterbenden in ihren letzten Momenten tatsächlich bewusste Erlebnisse hatten, kann nicht gesagt werden. Borjigin und ihr Team halten es für möglich, dass das Gehirn selbst nach einem Herzstillstand noch aktiv sein kann und sehen weiteren Forschungsbedarf – auch um vielleicht einst verstehen zu können, wie das Bewusstseins eigentlich funktioniert. Und das ist immer noch eines der größten wissenschaftlichen Rätsel.
Fest steht allerdings, dass menschliche Nervenzellen ohne Sauerstoff nur acht bis zehn Minuten lang überleben können. Dann hören sie endgültig auf, elektrische Impulse zu übertragen und sterben ab: die Funktion des Gehirns erlischt, der Mensch ist im medizinischen Sinn tot. Doch sterben in diesem Moment bei weitem nicht alle Zellen seines Körpers: Die des Herzens überleben 15 bis 30 Minuten, Leber- und Lungenzellen bis zu einer Stunde. Andere können noch weit länger existieren; die der Hornhaut sogar drei Tage.
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Das letzte Kapitel eines Lebens
Weil der Kreislauf im Augenblick des Herzstillstands stoppt, fließt das Blut aus den hoch gelegenen Adern nach unten – daher sieht der Verstorbene oben aschfahl aus – und sammelt sich dort zu dunklen Leichenflecken. Die zunächst erschlafften Muskeln werden im Verlauf der nächsten Stunden steif – die Leichenstarre setzt ein. Denn Eiweißstrukturen, die sich bei der Muskelkontraktion normalerweise gegeneinander verschieben, bleiben nun aneinander haften und machen das Bewegungsorgan starr.
Und der Körper fängt an, sich selbst zu verdauen. Enzyme, die normalerweise von den Zellen der Magen- und Darmschleimhaut abgegeben werden, um die Nahrung aufzuschließen, bauen die Wände dieser Organe ab. Bakterien aus dem Darm können sich daraufhin im Leichnam ausbreiten und ihn als gigantisches Nahrungsreservoir nutzen.
Zudem gerät die zuvor fein abgestimmte Biochemie in den abgestorbenen Körperzellen aus den Fugen. In ihnen enthaltene Eiweiße bauen nach wie vor Stoffe ab – doch es kommen keine neuen hinzu, weil Energie und Nachschub fehlen. Schließlich lösen sich die Zellmembranen auf, der Inhalt der Zelle mitsamt den verdauenden Eiweißen ergießt sich in den Zwischenraum, löst benachbarte Zellen und ganze Gewebe auf. Die Macht des Chaos triumphiert endgültig über das Prinzip der Ordnung. Es ist das letzte Kapitel einer Geschichte, die rund 80 Jahre zuvor mit einer winzigen Zelle begonnen hatte.
Wie alles begann - und 200 verschiedene Zelltypen entstehen
Der Startschuss für ein neues Leben fällt in dem Moment, in dem ein Spermium in eine Eizelle dringt und sie befruchtet. Rund 30 Stunden später teilt sich die Zelle ein erstes Mal, nach drei bis vier Tagen hat sich der menschliche Keim in eine Kugel aus 16 gleichen Zellen gewandelt. Doch anschließend entwickeln sich die Zellen unterschiedlich; sie spezialisieren sich. So entstehen schließlich mehr als 200 unterschiedliche Zelltypen. Sie verbinden sich zu Geweben, diese formen Organe und es erwächst ein funktionierender Körper. Er ist aus rund 100 Billionen einzelnen Zellen zusammengesetzt, einer gigantischen Zahl.
Während die unbelebte Natur nur aus relativ einfachen Molekülen besteht – etwa Kohlendioxid, Wasser oder Sauerstoff -, enthält jede dieser Zellen langkettige Eiweißverbindungen und Erbmoleküle. Sie sind aus tausenden Atomen zusammengesetzt und haben alle ihren Platz in der Zelle. Das Leben hat aus chaotisch durcheinander schwirrenden, simplen Substanzen eine extreme Ordnung geschaffen.
Der Tod spielt von Anfang an eine Rolle
Die Zunahme an Komplexität, die ein Mensch während seiner Entwicklung im Mutterleib erfährt, gehört daher zu den erstaunlichsten Phänomenen überhaupt (das trifft natürlich in ähnlicher Weise auf die Entwicklung anderer Lebewesen zu – egal ob Tier oder Pflanze). Der Körper entwirft sich quasi selbst und organisiert seinen eigenen Aufbau auch noch. Es sind genetische und epigenetische Prozesse, die diesen Plan des Lebens umsetzen.
Sogar der Tod hat von Anfang an eine Funktion in diesem Spiel. Denn in den Zellen gibt es ein genetisches "Selbstmordprogramm". Einmal aktiviert, veranlasst es eine Zelle, abzusterben und sich aufzulösen. Nur dank dieses Programms lassen sich bestimmte Strukturen überhaupt erst bilden, zum Beispiel die Hand. Sie entsteht zunächst als paddelförmige Struktur. Erst wenn Zellen in bestimmten Arealen dieses Paddels gezielt absterben und dadurch Zwischenräume entstehen, erhält die zukünftige Hand ihre typische Form mit fünf einzelnen Fingern.
Gut acht Wochen nach der Zeugung haben sich alle Gewebe, Körperteile, Organe geformt und sind zum großen Teil funktionstüchtig. Die befruchtete Eizelle hat sich zum Embryo gewandelt und ist auf das 150-fache ihrer ursprünglichen Größe gewachsen. Bis zur Geburt nimmt dessen Länge nochmals um das 15-fache zu, das Gewicht sogar um das 300– bis 400-fache.
Die Geburt: Ein extremer Wechsel der Umgebung
Nach rund 38 Wochen schließlich ist der neue Mensch bereit für einen grundlegenden Umschwung: die Geburt. Das Kind selbst schüttet Hormone aus und sendet so Signale an den mütterlichen Körper, die diesen Vorgang einleiten. Während der eigentlichen Geburt macht es einen dramatischen Wechsel des Lebensraums durch. Aus einer dunklen, warmen und geschützten Umgebung im Mutterleib gerät das Baby in eine helle, kalte und von Licht- und akustischen Reizen überflutete Welt, in der es atmen und Nahrung in Form von Muttermilch selbst aufnehmen muss.
Die nächste Phase, die Kindheit, wird vor allem durch zwei Vorgänge geprägt: schnelles körperliches Wachstum und das Erlernen von Fähigkeiten. Direkt nach der Geburt bestimmen angeborene Reflexe das Verhalten. Doch nach und nach übernehmen höhere Hirnregionen die Kontrolle über die Bewegungen. Das Baby lernt den Kopf zu heben, sich zu drehen, zu krabbeln und – mit etwa einem Jahr – auf zwei Beinen zu laufen.
Innerhalb des ersten Lebensjahres hat es sein Gewicht verdreifacht und etwa um 50 Prozent an Größe zugenommen. Aber es hat auch enorm viel gelernt, wobei die Vernetzung seines Gehirns stetig komplexer wurde, und das geschieht weiter: Im Alter von drei bis vier Jahren beherrscht das Kind die wichtigsten physischen Herausforderungen, etwa das Gehen, Springen, Laufen, Treppensteigen und Hantieren mit Objekten.
Vom Kind zum Erwachsenen
Für die motorische und geistige Entwicklung von größter Bedeutung ist ein Vorgang, der die elektrische Leitfähigkeit in den Nerven enorm verbessert und mit sieben Jahren weitgehend abgeschlossen ist. Dabei geht es um eine Umkleidung der Nervenfasern mit einem isolierenden Material, die eine weitaus schnellere Weiterleitung von Reizen erlaubt. Sie ermöglicht es, eine große Anzahl feiner Neuronen zu hoch effektiven, schnellen Schaltkreisen zusammenzuschließen – und so die Funktion des Gehirns für die folgenden Lebensabschnitte zu optimieren.
Die nächste Phase beginnt bei Mädchen im Alter von zehn bis elf Jahren, bei Jungen im Durchschnitt zwei Jahre später: Sie nehmen erneut kräftig an Größe zu. Doch dies ist kein reiner Wachstumsschub, sondern eine Art Revolution: Der Körper baut sich selbst nochmals kräftig um – von dem eines Kindes zu dem eines Erwachsenen. In der Pubertät bereitet er sich zudem auf seine wichtigste biologische Aufgabe vor: die Fortpflanzung.
Revolution im Gehirn: Weshalb Pubertierende so seltsam sind
So prägen sich unter dem Einfluss der Geschlechtshormone die charakteristischen Körpermerkmale von Frau und Mann aus. Doch mindestens ebenso wichtig sind Vorgänge im Gehirn; es strukturiert sich in dieser Lebensphase um – mit weitreichenden Folgen: Pubertierende kommen morgens nur schwer aus dem Bett, neigen zu Gefühlsausbrüchen, können die Konsequenzen ihres Handeln oft nicht einschätzen, gehen hohe Risiken ein und kommen auf außergewöhnliche, kreative Ideen.
Wenn diese Revolution mit etwa 20 Jahren langsam ausklingt, steht der Mensch auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Entwicklung – und wird dieses Niveau etwa ein Jahrzehnt lang halten können. Der Organismus ist nun anatomisch, physiologisch und sexuell voll ausgereift. Muskeln, Herz und andere Organe funktionieren am effizientesten. Spitzensportler sind auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit.
Dass wir immer dieselben bleiben, ist eine Illusion
Der junge Mensch hat nun bereits mehr als ein Viertel seiner statistisch zu erwartenden Lebensspanne hinter sich gebracht. Seit Jahren besitzt er ein Bewusstsein seiner selbst, seiner individuellen Einzigartigkeit und lebt mit dem Gefühl, immer dieselbe Person gewesen zu sein. Doch was den Körper betrifft, ist dieser Eindruck von Beständigkeit ein Trugschluss.
Denn die meisten Zellen seines Körpers sterben nach einiger Zeit – manche nach Tagen, andere nach Wochen oder Monaten – ab und werden durch neue ersetzt. Die Zellen etwa, welche die Schleimhäute von Magen und Darm bilden, existieren nur wenige Tage lang. Sind sie verbraucht, sterben sie und werden ins Innere der Organe abgestoßen. Nur wenige Zelltypen, etwa Nerven-, Herzmuskel- und die meisten Sinneszellen, müssen ein Leben lang halten.
Noch stärker wandelt sich der Mensch auf der Ebene der Moleküle: Degenerierte, nicht mehr richtig funktionierende werden ununterbrochen gegen intakte und unverbrauchte ausgetauscht. So täuscht der Eindruck, dass der Mensch einen beständigen Körper hat; die Konstanz liegt allein im Wandel. Trotz des Gefühls eines Individuums, immer dasselbe zu sein, macht sein Organismus eine Entwicklungsphase nach der anderen durch.
Schon auf dem Gipfel der Kraft trägt der Körper den Zerfall in sich
Und noch eines dürfte einem jungen Erwachsenen in dieser Lebensphase nicht klar sein: Sein Körper, der die maximale Fitness erreicht und den Gipfel der Kraft erklommen hat, trägt längst den Zerfall in sich. Obwohl wir es nicht wahrhaben wollen, sind wir vom Beginn unseres Daseins an dem Untergang geweiht. Denn der Körper führt einen Kampf gegen das Chaos, den er auf molekularer Ebene einfach nicht gewinnen kann.
Es beginnt mit den Eiweißmolekülen. Damit eine Zelle optimal leistungsfähig bleibt, müssen alle biochemischen Vorgänge in ihr reibungslos ablaufen. Doch die Moleküle verlieren nach einiger Zeit an Wirkung, indem sich zum Beispiel ihre räumliche Struktur verändert: Sie altern. Deshalb werden in der Zelle ständig neue Eiweiße hergestellt und alte vernichtet. Doch weil die DNA im Laufe eines Lebens ebenfalls Schäden erleidet – und zwar umso mehr, je länger ein Mensch existiert – werden immer häufiger unvollkommene Eiweißmoleküle fabriziert.
Weshalb die Haut schlaffer wird und das Auge schlechter sieht
Auch auf den Ebenen der Zellen, der Gewebe und Organe macht sich der Alterungsprozess bemerkbar. So wird beispielsweise die Haut im Verlauf der Jahre immer schlaffer und faltiger, weil sich der Stoffwechsel in bestimmten Fasern, aus denen sie aufgebaut ist, verlangsamt und sich das darunter liegende Bindegewebe verändert.
Das Auge, das mit 30 Jahren noch Dinge in zwölf Zentimeter Abstand scharf sieht, kann im Alter von 50 Jahren nur noch auf eine Entfernung von mehr als 30 Zentimetern fokussieren, weil die Augenlinse nicht mehr so elastisch ist. Und die Muskelkraft lässt nach: Zwischen 30 und 80 Jahren verlieren die Muskel durchschnittlich 30 Prozent ihrer Zellen.
Allerdings muss die körperliche Leistungsfähigkeit nicht zwangsläufig nachlassen. Offenbar haben Training und Lebensweise einen starken Einfluss auf Muskelkraft und Ausdauer. Und das gilt wohl auch für viele geistigen Fähigkeiten. Der Mensch kann sich also gegen den unaufhörlichen Verfall stemmen, kann ihn abbremsen. Verhindern aber kann er ihn – zumindest bislang – nicht.
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Training hilft, kann aber den Abbau nicht rückgängig machen
Trotz allen Trainings verändert sich der Körper immer weiter und wird in den letzten Lebensjahrzehnten immer schwächer und anfälliger für Krankheiten. Die vom Herzen beförderte Blutmenge sinkt, die Atemkapazität nimmt deutlich ab, weil die Lunge an Elastizität verliert. Die Geschwindigkeit der Reizleitung in den Nerven wird geringer und Reflexe werden langsamer. Zudem degenerieren Muskeln, Gelenke werden steifer und die Kopfbehaarung wird schütterer.
Und am Ende siegt der Zerfall, denn die sich ansammelnden Schwächen, Schäden und Veränderungen in den Zellen bewirken, dass irgendwann die ersten Organe versagen – häufig das Herz-Kreislauf-System. Auch Krebserkrankungen fordern ihren Tribut: Schäden am Erbgut lassen Tumorzellen unkontrolliert wachsen, bis sie andere Gewebe und Organe schädigen oder zerstören.
Auf molekularer Ebene betrachtet, ist Altern also eine Anhäufung von Schäden, die die hochkomplexe Ordnung des Lebens stören. Forschende haben mittlerweile etliche Faktoren entdeckt, die solche Defekte auslösen: Zum Beispiel ultraviolette, kosmische oder Röntgenstrahlung, chemische Mutagene wie etwa Nitrosamine, manche Viren oder spontane Mutationen (Kopierfehler während der DNA-Verdoppelung). Eine entscheidende Rolle beim Altern aber spielen aggressive Sauerstoffverbindungen: sogenannte freie Radikale.
Was Alterungsprozesse bremsen soll
Weil sie vor allem bei der Energiegewinnung in der Zelle entstehen, kamen Forschende auf eine Idee: Eine kalorienarme Ernährung – bei der also weniger Energie umgesetzt wird und somit weniger der aggressiven Stoffe frei werden – könnte diesen Schädigungsmechanismus vermindern und so die Alterung aufhalten. Tatsächlich zeigte sich der Mechanismus in Tierversuchen und scheint beim Menschen ebenfalls zu greifen.
Zum einen entstehen bei geringerer Nahrungszufuhr in den Kraftwerken der Zelle offenbar weniger schädliche freie Radikale. Zum anderen aber aktiviert der Hungerstress zusätzlich einen molekularen Mechanismus, der die DNA vor Schäden bewahrt.
Auch etliche Gene können den Schutzmechanismus ankurbeln und die Lebensdauer steigern. Wie man inzwischen weiß, spielen epigenetische Strukturen – quasi Schalter, die die Aktivität von Genen regulieren – ebenfalls eine Rolle beim Altern.
Die meisten Zellen enthalten eine Lebensuhr, die ihr Ende besiegelt
Es gibt noch etwas, das die Lebensspanne begrenzt: Offenbar tragen die meisten Körperzellen eine Art molekulare Zeitbombe in sich. An den Enden ihrer Chromosomen – die ja die Erbsubstanz enthalten – tragen die Zellen eine spezielle Molekülkette. Sie signalisiert der Zelle "Ich darf mich teilen". Doch bei jeder Teilung wird ein Stückchen der Kette abgeschnitten. Ist sie ganz verschwunden, erhält die Zelle nun das Signal: "vernichte dich selbst" und ein Selbstmordprogramm spult sich ab.
Rund 50 Mal kann sich eine solche Zelle daher teilen – dann ist Schluss. Wenn aber keine neuen Zellen mehr gebildet werden, kann der Körper sich nicht mehr regenerieren und ist dem Untergang geweiht. Der Tod ist also von der Evolution fest vorgesehen. Mit 115 bis 120 Jahren sei das Limit der menschlichen Lebensspanne erreicht, nehmen manche Fachleute an.
Auch wenn die Forschung in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat und sich manche Alterungsprozesse vielleicht bremsen, im Tiermodell an Mäusen sogar zurückdrehen lassen – die Tür zum "ewigen Leben", zu extremer Langlebigkeit, ist für Menschen noch immer nicht aufgestoßen. Und deshalb müssen wir uns vorerst damit abfinden, dass unser Organismus verfallen und sich am Ende auflösen wird.
Menschen sind aus Sternenstaub gemacht
Sobald das Leben aus dem Körper weicht, siegen die Kräfte des Chaos. Hochkomplizierte Eiweißverbindungen, Kohlenhydrate und Fette zerfallen in kleinere Moleküle. Bei einer Erdbestattung mögen sie zum Teil noch anderen Organismen als Nahrung dienen und somit erneut in den Kreis des Lebens gelangen.
Bei einer Feuerbestattung entflieht der größte Teil der körperlichen Überreste als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Dort kann der Stoff zunächst verweilen, um irgendwann von Pflanzen aufgenommen zu werden und so in den Kreislauf zurückkehren. In der Asche der Verstorbenen finden sich Mineralstoffe, die vor allem die Elemente Phosphor und Kalzium, aber auch Sauerstoff, Kohlenstoff, Kalium, Schwefel, Natrium oder Magnesium enthalten. Viele davon sind wichtige Nährstoffe für die Vegetation.
Dass es all diese Teilchen, aus denen unsere Körper aufgebaut sind, überhaupt gibt, ist ebenfalls einem Todesfall zu verdanken. Denn die meisten Elemente entstanden einst im Inneren von riesigen Sternen und wurden unter ungeheurem Druck durch Fusionsprozesse gebildet. Und als diese Sterne ihre Existenz in einer gigantischen Explosion als Supernova beendeten, schleuderten sie ihr Innenleben ins All hinaus. Aus den Resten solcher Explosionswolken hat sich einst unser Sonnensystem mitsamt der Erde geformt.
Vielleicht mag daher im Angesicht des Todes diese Vorstellung tröstlich erscheinen: Wir Menschen sind aus Sternenstaub gemacht und nach dem Ableben werden unsere Atome wiederum in anderen Organismen "recycelt". So gesehen bilden Leben und Sterben einen immerwährenden Kreislauf.
Verwendete Quellen
- Piper: So sterben wir
- PNAS: Surge of neurophysiological coupling and connectivity of gamma oscillations in the dying human brain
- Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns: Wie altern wir? Die Kennzeichen des Alterns
- Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns: Lässt sich das Altern bremsen?
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