Sind wir allein im Universum? Mit einem großen Arsenal astronomischer Instrumente haben Wissenschaftler bereits mehr als 3.000 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Nun berichten sie über ein besonderes Exemplar in unserer direkten kosmischen Nachbarschaft.
Forscher haben nach eigenen Angaben den erdnächsten Planeten jenseits unseres Sonnensystems entdeckt. Dort könnten sogar Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen.
Hinter dieser Vermutung stehen allerdings noch viele Fragezeichen, wie die Astronomen um Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary Universität in London betonen. An der Entdeckung waren auch deutsche Wissenschaftler beteiligt.
Für eine nähere Charakterisierung des sogenannten Exoplaneten muss sich vor allem die Technik verbessern. Denkbar seien etwa hochauflösende Spektroskopie in den nächsten Jahrzehnten und möglicherweise sogar Roboterexpeditionen in den kommenden Jahrhunderten, schreiben die 31 Autoren der Studie im Fachblatt "Nature".
Durch indirekte Verfahren unter anderem mit Teleskopen der Europäischen Südsternwarte (Eso/Garching) in Chile ist es dem Team gelungen, Hinweise auf einen Exoplaneten bei Proxima Centauri zu sammeln. Das ist der nächste Nachbarstern unserer Sonne mit einem Abstand von rund 40 Billionen Kilometern.
Forscher vermuten ganzes Planetensystem
"Wir haben einen Gesteinsplaneten entdeckt, der Proxima Centauri umkreist", betonte Anglada-Escudé bei einer Eso-Pressekonferenz am Mittwoch. "Dies ist der dichteste Planet, den wir jemals finden werden, denn Proxima Centauri ist der nächste Stern zu unserer Sonne." Die Forscher vermuten, dass der Stern sogar ein ganzes Planetensystem besitzt.
Der jetzt identifizierte Planet umkreist Proxima Centauri den Berechnungen zufolge mit einer Umlaufzeit von 11,2 Tagen in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern. Die Entfernung zwischen Erde und Sonne beträgt ungefähr 20 mal so viel. Seine Masse entspricht nach Schätzungen mindestens dem 1,3-Fachen der Erdmasse. Nach dem üblichen System haben die Forscher ihn Proxima Centauri b genannt - oder kurz: Proxima b.
Der Planet soll sich in der sogenannten habitablen Zone befinden, in der die Temperaturen die Existenz von flüssigem Wasser erlauben - was wiederum als Voraussetzung für Leben angesehen wird.
Das ist möglich, obwohl er seinen Stern relativ eng umkreist. Denn Proxima Centauri ist ein roter Zwergstern, der deutlich leichter und dunkler ist als unsere Sonne. Mit ihr verglichen liegt Proximas Masse bei 12 Prozent, die Leuchtkraft bei gerade einmal 0,17 Prozent.
Der Planet bekommt dadurch sogar nur etwa zwei Drittel der Energie, die von der Sonne auf die Erde einstrahlt, wie die Wissenschaftler erläuterten. Seine Durchschnittstemperatur würde dadurch bei lediglich minus 40 Grad Celsius liegen, eine mögliche Atmosphäre könnte die Temperatur jedoch durch den Treibhauseffekt über den Gefrierpunkt heben.
"Wir haben keine Ahnung, ob dieser Planet eine Atmosphäre hat oder nicht und ob er Wasser besitzt oder nicht", betonte Ko-Autor Ansgar Reiners von der Universität Göttingen. "Aber die Existenz ist plausibel."
Dennoch gibt es viele Unwägbarkeiten für die Entwicklung von möglichem Leben: Sehr wahrscheinlich rotiert Proxima b so, dass er dem Stern immer dieselbe Seite zuwendet - dort wäre es ewig heiß, auf der anderen Seite ständig kalte Nacht. "Es ist unklar, wie Leben unter solchen ungünstigen Bedingungen entstehen kann", schreiben Forscher vom Max-Planck-Institut (MPI) für Astronomie in Heidelberg, die an der Studie beteiligt sind.
Zudem bombardiere Proxima Centauri seinen Begleiter mit hochenergetischen Teilchen und Röntgenstrahlung. Unklar ist, ob ein Magnetfeld und eine Atmosphäre Proxima b davor schützen.
Nachweis von Leben schwierig
Konkretere Informationen über die Umweltbedingungen auf dem möglichen Planeten sollen weitere Beobachtungen ergeben. Sollte es dort sogar Leben geben, dürfte ein möglicher Nachweis nach Einschätzung der Forscher allerdings noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen.
"Was uns Wissenschaftlern besonders gefällt: Das ist der häufigste Sternentyp", sagte MPI-Astronom Martin Kürster der Deutschen Presse-Agentur. 70 bis 80 Prozent der Sterne in der Milchstraße seien rote Zwerge. "Wenn es schon beim ersten einen Treffer gibt, legt das die Vermutung nahe, dass es viele solcher Planeten gibt."
Bislang haben Astronomen den Angaben zufolge mehr als 3.500 extrasolare Planeten entdeckt, doch keinen so nah an unserem Sonnensystem. "Das bringt diesen Planeten sogar in die Reichweite von Raumsonden", betonte Reiners.
So hatte die Initiative "Breakthrough Starshot" im Frühjahr den ambitionierten Plan angekündigt, eine Flottille von lasergetriebenen Nanosonden als erste interstellare Kundschafter zum Alpha-Centauri-System zu schicken.
Es sei sehr wahrscheinlich, dass bei diesem Vorhaben nun vor allem Proxima Centauri ins Visier genommen werde, sagte der Direktor der vom russischen Milliardär Juri Milner finanzierten Initiative, Pete Worden, bei der Eso-Pressekonferenz in Garching. "Wir hoffen, dass wir innerhalb einer Generation die Nanosonden starten können."
Dass die Forscher erst jetzt Hinweise auf Proxima b fanden, liegt an Messmethoden und -grenzen. Mit einem Eso-Spektographen und einer Methode, die minimale Sternbewegungen nachweist, fand Anglada-Escudé Indizien für einen Planeten.
Viele Nachmessungen und der Vergleich mit alten Messdaten von MPI-Forscher Kürster belegen nach Einschätzung der Experten, dass es kein stellares Störsignal ist. Die Wahrscheinlichkeit für ein Störsignal bezifferte Anglada-Escudé auf eins zu zehn Millionen.
"Die Signale sind mit extrem hoher Signifikanz vorhanden und über jeden Zweifel erhaben", sagte Kürster. Fraglich sei die Interpretation gewesen. Ein Planet sei die "weitaus plausibelste" Erklärung für die zahlreichen Indikatoren.
"Die Wahrscheinlichkeit für einen Planeten liegt bei nahezu 100 Prozent." Dennoch sprechen die Forscher bis zu einer unabhängigen Bestätigung streng wissenschaftlich von einem Gesteinsplaneten-Kandidaten.
Bis die Forscher Proxima b direkt abbilden können, wird es dauern. Für die heutige Technik sei der Stern zu hell, der Planet ihm zu nah. "Möglicherweise schafft die nächste Generation von Teleskopen das", so Kürster. Sie solle Mitte des nächsten Jahrzehnts in Betrieb gehen. © dpa
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