(fa) Küsse machen das Leben schön. Fast alle Menschen in nahezu allen Kulturen signalisieren sich Zuneigung durch inniges Küssen. Über den Grund des Zungenkusses beim Menschen gibt es nun eine neue wissenschaftliche Erklärung: Das innige Küssen zweier Liebenden ist ein biologischer Test der Küssenden - unter anderem.
Herkunft des Küssens
Im Tierreich geben sich Rhinozerosse liebevolle Nasenstüber, Hunde lecken sich über das Gesicht und Vögel schnäbeln - Wissenschaftler sehen in diesen Verhaltensweisen die Vorstufen dessen, was beim Menschen der Kuss ist.
Verschiedene Theorien über den Zungenkuss, das innige Küssen und dessen Herkunft beim Menschen, galten bislang als gesichert: Nach heutigen Erkenntnissen geht der Kuss zurück auf die Mund-zu-Mund-Fütterung, die bei vielen Tieren und sogar bei einigen Volksstämmen üblich ist. Eine weitere Theorie führt das Küssen auf die orale Phase des Kindes und die in dieser Zeit stattfindende Lustbefriedigung über den Mund zurück.
Doch reicht die Mund-zu-Mund-Fütterung als Erklärung für den erotischen menschlichen Kuss aus? Das Füttern sei dem Verhalten zweier küssender Menschen zumindest ähnlich, sagt die Psychologin Wendy Hill vom Lafayette College in Easton (Pennsylvania). Bei beiden Verhaltensweisen gebe es "oralen Kontakt aus positiven Motiven": Beim Zungenkuss und bei der Mund-zu-Mund-Fütterung würden Nerven stimuliert und es werde etwas ausgetauscht. "Beim Kuss ist das Speichel", meint Hill.
Im Speichel vermuten Wissenschaftler nun die Geheimnisse des erotischen Kusses. In dieser Flüssigkeit, sagte die Biologin Sarah Woodley von der Dusquesne Universität, Pennsylvania, seien vermutlich chemische Botenstoffe enthalten, die bei der Partnerwahl der Menschen eine erhebliche Rolle spielen.
Küssen = Partneranalyse
Philematologen - Kußforscher - haben in Chicago auf einem Kongress die neusten Erkenntnisse aus der Kuss-Wissenschaft diskutiert. Woodleys Theorie zufolge ist Küssen ein hauptsächlich biochemischer Vorgang und der intime Zungenkuss nichts anderes als eine Analyse des anderen Partners.
Diese Analyse erfolgt in Form eines Testes der Geruchs- und Botenstoffe im Speichel, der Zunge und der Mundschleimhaut. Der Sinn dieses Testes ist einfach: Ist der, den man gerade küsst, ein potenzieller Partner für mich, ist er krank oder sind seine oder ihre Gene schlecht? Die Küssenden erkennen durch den Kuss, ob sie biologisch zueinander passen.
Der menschliche Speichel enthält Botenstoffe, die wir über die Geruchs- und Geschmacksnerven wahrnehmen. Was unangenehm riecht und schmeckt, mögen wir nicht. Üble Gerüche könnten ein Zeichen für Krankheiten sein oder zumindest auf eine genetische Ausstattung des Kusspartners schließen lassen, die mögliche Nachkommen anfällig für Krankheiten macht. Der Zungenkuss beim Menschen wäre demnach eine Art vorzeitige Evolutionskontrolle, um Patzer bei der Nachkommenschaft zu verhindern.
Warum Männer und Frauen verschieden küssen
Dass längeres intimes Küssen stimulierend wirkt, ist bekannt. Wendy Hills Studienergebnisse liefern nun aber eine Erklärung dafür, warum das so ist: Bei längerem Küssen sinkt bei Männern und Frauen der Cortisol-Spiegel - der Oxytocin-Gehalt stieg im Versuch bei den Männern deutlich an, während er bei den Frauen zurückging. Das sexuell stimulierende Hormon Oxytocin steigert beim Menschen die Lust, Cortisol ist ein Stresshormon.
Eine weitere wissenschaftliche Erkenntnis der Philematologen: Männer tun es, Frauen tun es, aber für jedes Geschlecht bedeutet das Küssen etwas vollkommen anderes. Offenbar haben Männer und Frauen unterschiedliche Motive, ihren Speichel durch einen intimen Kuss auszutauschen und biologisch zu analysieren.
Helen Fisher von der Rutgers Universität in New Brunswick sagt: "Männer sind die nasseren Küsser". Und das decke sich mit ihren Motiven: Männer würden küssen, um dem Ziel "Sex" näher zu kommen, so die Anthropologin. Dies funktioniere, indem sie die Frau mit dem männlichen, testosteronhaltigen Speichel in Kontakt bringen und ihr so biochemisch Lust auf die Lust machen.
Möglich sei auch, so Fischer, dass Männer durch besonders feuchte Küsse den Östrogengehalt im Speichel der Frau ermitteln, um unterbewusst Aufschluss über deren Fruchtbarkeit zu erhalten. Auch aus diesem Grund soll das Küssen, so Fishers Theorie, Männern zu Beginn einer Beziehung wichtiger sein als Frauen.
Hingegen geht es Frauen beim Küssen laut Fisher eher darum, potentielle Partner auf ihre Tauglichkeit zu testen. Und das bedeutet: Frauen küssen, weil sie Hinweise über die Gesundheit und die Kraft des Mannes erhalten wollen, um gesunde Nachkommen zu zeugen. So gesehen küssen Männer für die Gegenwart, Frauen küssen für die Zukunft.
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