Verschiedene Kulturen deuten dieselben Gesichtsausdrücke offenbar unterschiedlich. Dieses überraschende Ergebnis einer Studie stellen spanische Forscher in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") vor.
So wird ein nach Luft schnappendes Gesicht in westlichen Kulturen gemeinhin als Ausdruck von Angst oder Unterwerfung gesehen. Die Trobriander, Einwohner der gleichnamigen Inselgruppe, die zu Papua-Neuguinea gehört, verstehen denselben Gesichtsausdruck dagegen als Zeichen von Ärger und Bedrohung.
Bislang wurden Gesichtsausdrücke gemeinhin als Ausdruck von grundlegenden Emotionen des Menschen gesehen, die kulturübergreifend gleich verstanden werden. In den letzten Jahren regte sich unter Wissenschaftlern aber zunehmend Widerspruch gegen diese Überzeugung.
So argumentieren einige Verhaltensforscher, Gesichtsausdrücke seien soziale Werkzeuge, die abhängig von Kultur und Situation dazu benutzt würden, andere Menschen zu beeinflussen.
Andere Gesellschaft, andere Sitten
Beide Vermutungen wurden bisher vor allem durch Studien in westlichen Gesellschaften überprüft. Das Team um den Sozialpsychologen Carlos Crivelli von der Autonomen Universität Madrid konzentrierte sich dagegen auf Erwachsene von den Trobriand-Inseln in der Salomonensee.
Deren Bewohner bewahren ihre traditionellen Gewohnheiten und Überzeugungen, zu denen der Glaube an Hexerei ebenso wie bestimmte Rituale und nicht zuletzt ihre eigene Sprache gehören. Gleichzeitig leben die Trobriander relativ abgeschirmt von den Einflüssen der Industriestaaten ebenso wie von denen der Hauptinsel Neuguinea.
In der ersten Studie sollten 188 erwachsene Trobriander Fotos von verschiedenen Gesichtsausdrücken Emotionen und soziale Motive zuzuordnen. Hier ergab sich ein gemischtes Bild.
So wurden vor allem glückliche und traurige Mienen übereinstimmend als Gefühle gedeutet, während ein ablehnender Gesichtsausdruck als Zurückweisung und damit als soziales Motiv verstanden wurde. Für die anderen mimischen Ausdrücke war das Ergebnis uneinheitlich.
Angst oder Ärger?
Viel überraschender war allerdings, dass die Trobriander das Bild eines nach Luft schnappenden Menschen mit weit aufgerissenen Augen als Ausdruck von Ärger oder einem drohenden Angriff einstuften. In westlichen Kulturen wird ein solcher Gesichtsausdruck allgemein als Zeichen von Angst oder Unterwerfung verstanden.
Dies zeigte eine zweite Studie, in der die Forscher die Lesart der Trobriander mit der von spanischen Erwachsenen verglichen. Diese erkannten in den Gesichtsausdrücken tatsächlich Angst. Die Wissenschaftler betonen abschließend, ihre Ergebnisse ließen daran zweifeln, dass ein angsterfülltes Gesicht universell als solches verstanden werde.
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