Kleine Kinder erscheinen uns oft furchtlos, mit zunehmenden Alter werden viele Menschen jedoch vorsichtiger. Manche entwickeln etwa plötzlich Höhenangst oder trauen sich ein Hobby nicht mehr zu. Warum das so ist und wie man dem entgegensteuern kann, darüber haben wir mit dem Altersforscher Sven Voelpel gesprochen.

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Der Eindruck ist, dass man im Alter immer ängstlicher wird. Können Sie das bestätigen?

Sven Voelpel: Ja, das ist so. Es geht nicht allen so, aber bei überdurchschnittlich vielen Menschen nehmen die Ängste im Alter zu.

Warum werden wir denn immer ängstlicher?

Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Natürlich sammelt man über seine Lebenszeit Erfahrungen, darunter auch negative. Dadurch erwartet man [mit fortschreitendem Alter, Anm.d.Red.] auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Negatives und wird ängstlicher. Ein Kind ist dagegen noch unerschrocken.

Das heißt, wir müssen das einfach akzeptieren?

Dass die Ängste zunehmen, ist der Ist-Zustand - nicht aber der Soll-Zustand. Um dem vorzubeugen müssen wir an unseren Verhaltensweisen, Denkweisen und Einstellungen ansetzen. Dann muss es nicht dazu kommen, dass wir ängstlicher werden. Wissen wirkt auch hier Wunder.

Wie kann man der Angst aktiv entgegenwirken?

Vieles ist Kopfsache, die Einstellung ist entscheidend. Eine positive Einstellung zum Alter verlängert mein Leben nachweislich um 7,5 Jahre und ich bin dann auch 7,5 Jahre länger fit. Das heißt, ich bin biologisch auch um 7,5 Jahre jünger.

Eine positive Einstellung zum Alter ist sehr wichtig. Durch die richtige Einstellung bleiben wir länger jung. Nach dem Motto "Glaube versetzt Berge".

Was passiert, wenn ich ängstlich an etwas herangehe?

Wenn ich ängstlich an etwas herangehe, wird die Wahrscheinlichkeit größer, sich zu verletzen. Die Unbedarftheit eines Kindes ist also eigentlich etwas sehr Gutes. Eigentlich sollte man die Erfahrung eines Älteren mit der Einstellung eines Kindes kombinieren.

Was würden Sie jemandem raten, der immer gerne in den Bergen war, es sich heute aber nicht mehr zutraut, weil er Höhenangst bekommen hat?

Wenn man die Einstellung hat, dass man etwas nicht mehr kann, weil man alt ist, dann ist das so. Wenn man sich Studien zum Ruhestand ansieht, dann stellt man fest, dass bei denjenigen, die aktiv in den Ruhestand gehen, also sich beispielsweise sozial engagieren oder ein neues Hobby beginnen, der Blutfluss im Gehirn ansteigt, weil sie sich auf neue Dinge einlassen, neue Leute treffen, etwas Neues lernen und so weiter.

Diejenigen, die passiv in den Ruhestand gehen, die es sich also eher bequem auf der Couch machen, bei denen nimmt der Blutfluss im Gehirn ab. Krankheiten wie Herzinfarkte, Bandscheibenvorfälle und Depressionen nehmen bei diesen Menschen zu.

Wenn wir nicht sozial isoliert werden, weiterhin unsere Hobbys ausüben und in Vereine gehen, dann bleiben wir aktiv. Wenn man also Angst hat, dann wäre also die richtige Einstellung, erst recht in die Berge zu fahren. Das ist eine mentale Einstellungssache. Man kann wirklich alles machen, dafür gibt es genügend beeindruckende Beispiele.

Ist also wirklich alles nur Kopfsache?

Vieles. Auch in der Pädagogik gibt es dafür Beispiele. So hat man Lehrern gesagt, dass bestimmte Kinder hochbegabt seien, was gar nicht der Fall war. Nach einem Jahr waren sie [die Kinder, Anm.d.Red.] es aber tatsächlich, weil sie anders behandelt, gefördert und entwickelt wurden.

Wenn ich mir vorstelle, dass etwas passiert, dann passiert es auch zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, als wenn ich es mir nicht vorstelle.

Wie kann man konkret an seiner Einstellung arbeiten?

Folgendes kann man als älterer Mensch machen, wenn man Angst hat: Sich in Dankbarkeit üben. Ich sollte mir einfach sagen, ich bin dankbar und glücklich darüber, dass ich jetzt in die Berge gehen kann und werde das total genießen. Dann stelle ich den Zustand, den ich erreichen will, schon in meinem Unterbewusstsein her.

Wenn ich mich darauf programmiere, also beispielsweise abends mit dem Gedanken einschlafe und morgens damit aufwache, dann erkennt mein Körper nicht den Unterschied, ob ich mir das real vornehme oder nicht. Im Englischen sagt man dazu "Mindfulness".

Wenn derjenige aber dennoch zu dem Schluss kommt, dass er sich in den Bergen nicht mehr wohlfühlt, was würden Sie ihm dann sagen?

Ich würde ihm dringend raten, sich schnell ein anderes Hobby zuzulegen, um den Alterungsprozess nicht zu beschleunigen.

Es ist ganz wichtig, dass nicht einfach etwas wegfällt, sondern dass man etwas anderes findet, von dem man begeistert ist. Man soll vor allem das machen, was einem wirklich Spaß macht.

Prof Dr. Sven Voelpel hat einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaft an der Jacobs University Bremen und ist Gründungspräsident des WDN - WISE Demographie Netzwerks.
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