Zigarettenfilter sollen das Rauchen angeblich gesünder machen. Tatsächlich sind sie eine reine Mogelpackung - und noch dazu massiv umweltschädlich. Denn über die achtlos weggeworfenen Glimmstängel-Reste landen sowohl Plastik als auch jede Menge Gifte in Böden und Gewässern. Die Politik will das Problem nun angehen. Auch die Konsumenten sind gefragt.
Auf der Welt gibt es Milliarden Raucher und viele von ihnen missbrauchen die Welt als Aschenbecher. Bis zu zwei Drittel aller Zigaretten landen am Ende auf dem Boden, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Studie von 2017 schreibt.
Das mache bis zu 680.000 Tonnen pro Jahr. 30 bis 40 Prozent der Abfälle, die aus dem Meer gefischt oder von den Stadtreinigungen zusammengetragen werden, sind demnach Zigarettenstummel.
Das Problem ist jedoch längst nicht nur ein optisches. Denn Zigarettenstummel sind Giftmüll, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie enthalten über 7.000 teils giftige Chemikalien.
Liegen die Stummel auf Straßen, in Parks oder an Stränden herum, werden die Gifte ausgewaschen. So gelangen sie in unserer Meere, in das Grundwasser und in die Böden, auf denen unser Obst und Gemüse wächst.
Über 50 krebserregende Stoffe
Was das für Kleinlebewesen wie Fische bedeutet, haben Forscher der Universität San Diego gezeigt, indem sie Kippen in Wasser aufgelöst und dann Fische eingesetzt haben. Schon bei einem Zigarettenstummel, aufgelöst in einem Liter Wasser, trieben nach vier Tagen die ersten Tierchen leblos an der Oberfläche.
Das Team um Professor Thomas Novotny wies außerdem nach, dass das Gift auf diesem Weg auch in die Nahrungskette gelangen kann. Allerspätestens da kommt das Problem wieder beim Mensch an: Laut WHO können mindestens 50 der Stoffe Krebs erregen.
Als Beispiele zählt Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, im Gespräch mit unserer Redaktion Nikotin, Metalle wie Arsen, Blei, Kupfer sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe auf.
Eine reine Werbelüge
Nicht nur deshalb würde die Wissenschaftlerin die Filter am liebsten ganz aus dem Verkehr ziehen. "Sie bringen auch nichts, sondern haben wahrscheinlich sogar zu mehr Krebsfällen geführt", sagt Mons.
Die Tabakindustrie vermarktet Zigaretten mit Filter seit den 50er-Jahren als gesunde Alternative zur filterlosen Zigarette. Doch wer glaubt, seinem Körper damit wirklich etwas Gutes zu tun, ist einer Werbelüge aufgesessen. "Dadurch, dass der Rauch gefiltert wird, müssen Raucher stärker ziehen, um an das Nikotin zu kommen. Der Rauch geht dadurch tiefer in die Lunge", erklärt Mons.
Die Angaben zu Nikotin- und Teergehalt auf den Verpackungen seien geschönt. "Wer das Filterpapier ablöst und es gegen das Licht hält, sieht kleine Löcher. Die Tabakindustrie hat damit, wenn man so möchte, quasi genau wie die Autoindustrie die Abgaswerte manipuliert." Im standardisierten Test würden die Löcher dafür sorgen, dass zusätzliche Luft von Außen eingezogen wird, die den Rauch verdünnt und die Schadstoffkonzentration heruntersetzt. Nur: Raucher verdecken diese Löcher üblicherweise mit den Fingern oder Lippen.
"Die Tabakindustrie macht Gewinne auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung und auf Kosten der Umwelt", sagt Mons. "Folgerichtig" nennt sie deshalb, was die Politik jetzt vorhat: Bundesumweltministerin Svenja Schulze will die Tabakindustrie künftig an den Kosten für die Beseitigung weggeworfener Zigaretten beteiligen, wie sie in einem Interview angekündigt hat.
Filter enthalten auch Plastik
Die Ministerin ist damit auf Linie mit der EU. Das Europaparlament sieht diesen Schritt im Rahmen der geplanten Richtlinie zu Einweg-Plastik vor - womit wir beim nächsten Manko der Zigarettenstummel wären: Sie enthalten meist Plastik. Das braucht nicht nur Jahrzehnte, bis es abgebaut ist, sondern zerfällt dabei zu Mikroplastik. Vögel, Fische und andere Tiere fressen diese winzigen Teilchen und verenden daran.
Forscherin Mons verlangt hier mehr Aufklärung. "Die Filter sehen aus wie Watte. Dass da tatsächlich Plastik drin ist, wissen viele Menschen nicht", sagt sie und fordert, die Tabakindustrie auch für entsprechende Informationskampagnen zur Kasse zu bitten. Außerdem müsse die Politik die Unternehmen verpflichten, Filter aus biologisch abbaubaren Materialien zu verwenden. "Damit wäre zwar das Problem nicht gelöst, dass Giftstoffe ausgewaschen werden, aber zumindest hätte man dann das Problem mit dem Plastik nicht mehr."
Dementsprechend will das EU-Parlament die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, die Zahl kunststoffhaltiger Zigarettenfilter bis 2025 um die Hälfte und bis 2030 um 80 Prozent zu reduzieren. Noch ist die Richtlinie jedoch nicht in Kraft. Die Verhandlungen mit dem Rat stehen noch aus.
Verwendete Quellen
- Studie der Weltgesundheitsorganisation: "Tobacco and its environmental impact: an overview"
- Gespräch mit Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungsinstitut
- ZDF-Mediathek: Dokumentation "Gift im Zigarettenfilter"
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