Mauersegler sind rastlose Flugkünstler. Sie verbringen praktisch ihr ganzes Leben in der Luft. Ein guter Grund, im Sommer öfter mal in den Himmel zu schauen - und zu staunen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Fabian Busch dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Früher hatten wir einen Balkon – da habe ich im Sommer oft in der Abendwärme draußen gesessen und in den Großstadthinterhof geschaut. Bei gutem Wetter waren sie in den letzten hellen Stunden zur Stelle. Sie rasten kreischend durch die Luft, als würden sie in voller Geschwindigkeit gegen die Hauswand fliegen. Aber sie kriegten doch immer noch die Kurve. "Was sind das für Adrenalinos?", hat meine Freundin mal gefragt.

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Ich stelle Ihnen in dieser Kolumne ab jetzt jeden Monat eine heimische Vogelart vor. Über die Frage, welche Art als erste an der Reihe ist, musste ich nicht lange nachdenken. Schließlich ist Sommer. Und die Adrenalinos sind ein spektakulärer Auftakt.

Ein Leben im Flug

Zugegeben, ich habe Mauersegler lange nur als schreiende Bögen am Himmel wahrgenommen. Sie sind nicht auffällig schön. Sie lassen sich kaum aus der Nähe beobachten und sie lassen sich nicht zähmen wie so manche Krähe. Sie kommen auch nicht ans Futterhaus. Dafür spielt sich praktisch ihr ganzes Leben im Flug ab.

Mauersegler erledigen eigentlich nur eine Tätigkeit am Boden, genauer gesagt in Nistkästen oder Gebäudespalten: das Brüten. Ansonsten machen sie alles im Flug. Fressen, trinken, Geschlechtsverkehr. Sogar schlafen. Forscherinnen und Forscher haben Mauersegler beobachtet, die zehn Monate lang nirgendwo gelandet sind.

Schnabel auf und weiterfliegen: So trinkt ein Mauersegler. © dpa/blickwinkel/AGAMI/M. Guyt

Gute Nacht und ab ins Himmelbett!

Abends finden sich Mauersegler über Dächern und Straßen in Gruppen zusammen. Dann ziehen sie ihre Runden, feiern ihre "Screaming Parties" - Schreipartys. Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich sie draußen in der Straße. Für mich ist das der Sound des Sommers. Wenn ich den Kopf aus dem Fenster strecke, sehe ich sie am Abendhimmel vorbeirasen.

Irgendwann, wenn die Party vorbei ist, schrauben sich die Vögel in die Luft. Sie fliegen höher und höher und segeln dann langsam wieder herab. Sie übernachten offenbar in Hunderten bis Tausenden Metern Höhe. So ganz sicher weiß man das nicht: Es ist noch nie jemand wirklich mitgeflogen.

Ich schaue den Mauerseglern jedenfalls immer nach und frage mich, was das für ein Leben ist, bei dem man abends völlig losgelöst möglichst hoch in den Himmel steigt, statt sich einen gemütlichen Schlafplatz zu suchen. Das mag rastlos wirken, aber irgendwie auch tröstlich – wenn man zum irdischen Leben mit seinen Problemen und Unzulänglichkeiten ein bisschen auf Distanz gehen kann.

An Land so hilflos wie ein Fisch

Apus apus lautet der lateinische Name. Der Fußlose. Mauersegler haben sich so sehr an das Leben im Fliegen angepasst, dass ihre Füße nur noch Füßchen sind. Verletzen sie sich, sind sie hilflos wie ein Fisch an Land. Freunde von mir haben einmal einen verletzten, flugunfähigen Mauersegler auf dem Balkon gefunden. Sie setzten ihn in einen Schuhkarton und versuchten, ihn aufzupäppeln. Doch der Vogel überlebte nicht.

Kleine Füße: Ein junger Mauersegler. © dpa/Nailia Schwarz/Shotshop

Im Notfall hilft die Mauersegler-Klinik

Ich will hier aber nicht mit einem traurigen Ende aufhören. Für einige Flugkünstler enden Unfälle glimpflich. Die Deutsche Gesellschaft für Mauersegler zum Beispiel betreibt in Frankfurt eine "Mauersegler-Klinik". Bruchpiloten werden dort untersucht, versorgt, behutsam darauf vorbereitet, irgendwann wieder abzuheben. Und dann ab dafür, zurück in den Luftraum.

Dieses bodenlose Leben schadet offenbar nicht. Im Schnitt werden Mauersegler dem Naturschutzbund zufolge 4,7 Jahre alt. Deutlich älter als viele Singvögel.

Trotzdem ist der Alltag auch für Flugkünstler voller Tücken. Der Mauersegler mag es zwar warm, aber wie viele andere Vögel leidet er unter Umwelt- und Klimaveränderungen. Weniger Fluginsekten bedeuten weniger Futter für den Mauersegler. Und wenn die Sommersonne auf die Dächer niederbrennt, können die Nester darunter zur tödlichen Hitzefalle für den Nachwuchs werden.

Also: Nutzen Sie den Sommer, schauen Sie hin und wieder abends hoch in den Himmel zu den Mauerseglern und genießen Sie den Anblick! Im August werden die ersten von ihnen uns schon wieder Richtung Afrika verlassen. Und etwas später folgt auch der Sommer selbst.

Beobachten und Bestimmen

  • Mauersegler sind nicht schwer zu finden. Sie nisten und fliegen von Mai bis August in Städten und Dörfern und sind an ihren markanten "sriii"-Rufen zu erkennen. Im Gegensatz zu Schwalben (mit denen sie nicht verwandt sind) haben sie keine weiße Unterseite, sondern eine braune. Nur der größere Alpensegler, der in der Schweiz, Österreich und dem äußersten Süden Deutschlands zu beobachten ist, hat ebenfalls einen weißen Bauch.
  • Die Rufe des Mauerseglers lassen sich unter anderen auf deutsche-vogelstimmen.de nachhören.

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