Blau-, Buckel- und andere Bartenwale produzieren ihre Gesänge mit einem hoch spezialisierten Kehlkopf. Das zeigt eine neue Untersuchung. Forschende sind allerdings besorgt, denn diese Physiologie wird zu einem Nachteil für die Tiere.
Wale gelten als Gesangskünstler der Meere. Wie sie ihre Melodien und einzigartigen Geräusche produzieren, war allerdings zumindest für Bartenwale nicht hinreichend geklärt. Eine internationale Forschungsgruppe kommt zu dem Schluss, dass Blau- und Buckelwale sowie andere Mitglieder dieser Unterordnung mithilfe eines spezialisierten Kehlkopfs singen.
Die im Fachblatt "Nature" veröffentlichte Studie beschreibt nicht nur die physiologischen Grenzen des auf diese Weise erzeugten Gesangs - sie warnt auch davor, dass die Tiere in besonderer Weise durch den Lärm, der mittlerweile unter Wasser herrsche, gestört werden könnten.
Unterschiede zwischen Barten- und Zahnwalen
Wale haben ein komplexes Sozial- und Fortpflanzungsverhalten: Um über die teils immensen Entfernungen und trüben Tiefen der Ozeane miteinander kommunizieren und sich finden zu können, nutzen sie Laute, die je nach Walart äußerst komplex sein können. Zahnwale, zu denen Orcas, Pott- und Schweinswale, aber auch Delfine gehören, haben dafür ein nasales Stimmorgan entwickelt.
Bartenwale, die ihren Namen aufgrund der Barten genannten Hornplatten tragen, die sie anstatt Zähnen im Maul haben und durch die sie Krill und andere Nahrung aus dem Meerwasser filtern, haben kein derartiges Stimmorgan. Stattdessen wurde für diese Unterordnung – zu der neben Blau- und Finn- auch Grau- und Buckelwale gehören – angenommen, dass sie ihren Kehlkopf nutzen, um Töne zu erzeugen. Wie sie das tun, war bislang unklar.
Bartenwale können mit ihrem Kehlkopf Töne erzeugen
Nun hat ein Team um die Biologen Coen Elemans von der University of Southern Denmark und Tecumseh Fitch von der Universität Wien die Kehlköpfe dreier gestrandeter Bartenwale untersucht, konkret die Kehlköpfe eines Seiwals, eines Zwergwals und eines Buckelwals. "Strandungen sind einzigartige und seltene Gelegenheiten, etwas über diese erstaunlichen Tiere zu erfahren, aber selbst dann ist es schwierig, die Physiologie zu studieren, weil das Gewebe so schnell zerfällt", führt Mitautor und Wal-Experte Magnus Wahlberg in einer Mitteilung aus.
"Die Zahn- und Bartenwale entwickelten sich aus Landsäugetieren, die einen Kehlkopf hatten, der zwei Funktionen erfüllte: Schutz der Atemwege und Schallerzeugung. Der Übergang zum Leben im Wasser stellte jedoch neue und hohe Anforderungen an den Kehlkopf", ergänzt Fitch.
Die Untersuchungen der Forschungsgruppe zeigen, dass Bartenwale dennoch mit ihrem Kehlkopf Töne erzeugen können, wobei die Tiere dafür neuartige Strukturen entwickelt haben, die es nur bei Bartenwalen gibt. Zum einen haben sich die Stellknorpel oder Arytenoide – winzige Knorpel, über die auch der menschliche Kehlkopf verfügt und welche die Position unserer Stimmlippen verändern – bei den Walen dramatisch verändert. "Die Arytenoide haben sich in große, lange Zylinder verwandelt, die an der Basis zu einer großen, U-förmigen, starren Struktur verschmolzen sind, die sich fast über die gesamte Länge des Kehlkopfs erstreckt", erläutert Elemans.
Jene Struktur diene wahrscheinlich dazu, die Atemwege offenzuhalten, wenn die Tiere bei der explosiven Oberflächenatmung große Mengen an Luft ein- und ausströmen lassen müssen, fügt Fitch hinzu. "Wir haben herausgefunden, dass diese U-förmige Struktur gegen ein großes Fettpolster an der Innenseite des Kehlkopfs drückt. Wenn die Wale die Luft aus ihren Lungen an diesem Kissen vorbeidrücken, beginnt es zu vibrieren, und das erzeugt sehr niederfrequente Unterwassergeräusche", so Elemans weiter.
Immer lauter werdender Ozean wird zum Problem für Bartenwale
Im nächsten Schritt rekonstruierte das Forschungsteam mithilfe von Scan- und Modellierungstechniken, wie die Muskelaktivität die Rufe der Wale verändern könnte, und erstellte dafür genaue 3D-Abbilder des Kehlkopfs.
Jene Modelle zeigen, dass die Kehlkopfstrukturen der Wale eine niederfrequente Kommunikation über große Entfernungen ermöglichen bei einer maximalen Tiefe von hundert Metern und einer maximalen Frequenz von 300 Hertz. Die Biologinnen und Biologen gehen nicht davon aus, dass die Bartenwale fähig sind, Töne mit höheren Frequenzen zu erzeugen. Mit anderen Worten: Die Kehlkopfstrukturen setzen unüberwindbare physiologische Grenzen für den Frequenzbereich und die Tiefe der Lautäußerungen.
Die berechneten Grenzwerte belassen den Gesang darüber hinaus im Bereich des Lärms, der typischerweise von Schiffen erzeugt wird (30 bis 300 Hertz). Eben jenem könnten die Wale damit nicht entkommen, denn ihre Stimmphysiologie hindere sie daran, diesen Bereich zu überschreiten. "Bedauerlicherweise überschneidet sich der von uns vorhergesagte Frequenzbereich und die maximale Kommunikationstiefe von 100 Metern vollständig mit dem vorherrschenden Frequenzbereich und der Tiefe des vom Menschen verursachten Lärms, der durch den Schiffsverkehr verursacht wird", erläutert Elemans.
Im Vergleich zu den 1970er-Jahren seien Meere heute noch stärker mit vom Menschen verursachtem Krach durch Schifffahrtswege, Bohrungen und seismische Geschütze belastet, so der Biologe weiter: "Wir brauchen strenge Vorschriften für diesen Lärm, denn diese Wale sind für ihre Kommunikation auf Schall angewiesen. Jetzt zeigen wir, dass sie trotz ihrer erstaunlichen Physiologie dem Lärm, den der Mensch in den Meeren verursacht, buchstäblich nicht entkommen können." (Alice Lanzke, dpa/sbi)
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