- Seit ihrer Entdeckung gibt das in Südengland gelegene Stonehenge den Menschen Rätsel auf.
- Sind es Überreste einer Grabstätte, eines Tempels oder gar einer Sternwarte? Woher stammen die tonnenschweren Steine?
- Welchem genauen Zweck die Anlage diente, bleibt jedoch weiterhin rätselhaft. Zu einigen Fragen gibt es inzwischen neue Erkenntnisse.
Die gewaltigen Steinkreise von Stonehenge wurden über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten errichtet. Die früheste Bauphase war um 3000 v. Chr., damals bestand die Anlage nur aus einem kreisrunden Graben und Wall, in ihrem Inneren waren wahrscheinlich Holzpfosten aufgestellt.
Die Steine, wie man sie heute kennt, folgten erst später, wobei zwischen zwei Arten zu unterscheiden ist: Die großen, rechteckig zugehauenen, ursprünglich rot-braun gefärbten Steine, die sogenannten Sarsen, wurden zwischen 2440 und 2100 v. Chr. aufgestellt.
Die etwas kleineren Blausteine, benannt nach ihrer blau-grauen Färbung, folgten im Zeitraum zwischen 2300 und 1900 v. Chr. Der ursprüngliche Aufbau ist für heutige Betrachter nur noch schwer zu erkennen, da die Anlage lange Zeit dem Verfall ausgesetzt war und auch Steine umfielen oder fortgeschafft wurden.
Merlin, Römer, Dänen, Phönizier: Die Suche nach den Erbauern
In seinem im 12. Jahrhundert entstandenen Werk "Geschichte der Könige Britanniens" stellte der Gelehrte Geoffrey von Monmouth Stonehenge als Denkmal des Zauberers Merlin dar – dieser soll den Steinkreis während der angelsächsischen Eroberung Britanniens gesetzt haben.
In der Frühen Neuzeit wurde in der Anlage noch ein römischer Tempel oder die Krönungsstätte der dänischen Könige Englands vermutet. Auch die Phönizier wurden als Erbauer in Betracht gezogen. Der Altertumsforscher John Aubrey erkannte im 17. Jahrhundert die Ähnlichkeit von Stonehenge zu anderen Steinsetzungen in Wales und Schottland und ging von einem gemeinsamen Ursprung aus.
Er mutmaßte, dass diese von den Kelten stammten, und seine – allerdings falsche – Ansicht setzte sich durch. Griechische und römische Autoren hatten von der keltischen Vergangenheit Britanniens berichtet, dass es jedoch eine noch ältere Kultur gab, war nicht bekannt.
Heute rechnet man Stonehenge zur sogenannten "Megalithkultur", die in der Steinzeit in vielen Teilen Europas – neben Irland und Britannien etwa auch in Frankreich, Portugal, Norddeutschland oder Süditalien – eine Reihe großer Steinsetzungen hinterließ. Über die Menschen dahinter ist hingegen noch wenig bekannt.
Magie oder Zimmermannskunst? Eine einzigartige Bau- und Transportleistung
Wohl eine der spannendsten Fragen um Stonehenge ist die Herkunft der großen Felsblöcke. Der Sage nach schaffte sie der Zauberer Merlin mittels Magie aus Irland herbei. Der Altertumsforscher William Lambarde stellte im 16. Jahrhundert dagegen fest, dass die Erbauer von Stonehenge offensichtlich verschiedene Zimmermannstechniken bei der Errichtung verwendet hatten.
Er ging auch davon aus, dass die Sarsen-Steine aus dem etwa 30 Kilometer entfernten Hügeln der Marlborough Downs stammten. Erst 2020 konnte ein Team von der University of Brighton unter Leitung von David J. Nash nachweisen, dass die Steine aus dem einige Kilometer südlicher gelegenen West Wood stammen.
Man hält es für wahrscheinlich, dass die Sarsen auf Schlitten über das Land gezogen wurden. Aufgestellt wurden sie weniger durch Magie, sondern vielmehr durch Muskelkraft und technisches Wissen: Man hob eine Grube aus, zu der man den jeweiligen Stein zog. Sobald er mit seiner Spitze hineingekippt war, richtete man ihn auf und füllte die Grube wieder mit Erde. Die auf ihnen aufliegenden Steine wurden mittels Hebekonstruktionen nach oben befördert.
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war nicht geklärt, woher die kleineren Blausteine stammten. Inzwischen werden die Preseli-Berge im Süden von Wales als wahrscheinlicher Herkunftsort gesehen. Man vermutet, dass die Blausteine an die Küste geschleppt und von dort aus mit Flößen nach England gebracht wurden – für die Steinzeit würde dies eine bislang einzigartige Transportleistung bedeuten.
War die Anlage ein steinzeitlicher "Computer"?
Schon seit dem Mittelalter rätseln die Menschen darüber, welchen Zweck die Anlage von Stonehenge hatte. Es liegt nahe, dass sie religiösen Kulthandlungen diente. Wie diese jedoch genau ausgesehen haben, lässt sich heute nicht mehr sagen.
Für die Annahme, dass die Kelten, wenngleich sie die Steinkreise nicht erbaut haben, diese zumindest weiterbenutzten, gibt es auch keine stichfesten Hinweise. Antike Autoren berichten nur von heiligen Hainen, in denen religiöse Handlungen vollzogen wurden, aber nicht von Steinsetzungen.
Der Engländer Norman Lockyer hatte bereits im 19. Jahrhundert angenommen, dass Stonehenge eine astronomische Funktion besessen habe. In der Forschung wurde sein Ansatz aber nicht weiter verfolgt. In den 1960er Jahren schließlich kam der Gedanke durch den Amerikaner Gerald Hawkins und den Schotten Alexander Thom wieder auf:
Thom ging davon aus, dass Stonehenge der Beobachtung von Sonne und Mond diente, Hawkins mutmaßte sogar, dass es sich um eine Art steinzeitlichen "Computer" gehandelt habe, mit dem es etwa möglich gewesen sei, Mondfinsternissen zu berechnen. In der Fachwelt wurde dieser Ansatz jedoch wiederum zerrissen und als im Widerspruch zum archäologischen Befund gesehen.
Ungebrochene Faszination
Heute zieht das 1986 zum Weltkulturerbe ernannte Stonehenge jährlich fast zwei Millionen Menschen an. Die Anlage kann man inzwischen meist nur noch von einer Absperrung aus betrachten. Zudem gibt es in der Nähe ein Besucherzentrum, das verschiedene Ausstellungen beherbergt und vor Ort gefundene Artefakte zur Schau stellt.
Verwendete Quellen:
- Bernhard Maier: Stonehenge. Archäologie, Geschichte, Mythos, Verlag C. H. Beck, 2. Auflage, München 2018.
- David J. Nash u.a.: Origins of the sarsen megaliths at Stonehenge, in: Science Advances 6/2020.
- Scott Hershberger: Ursprung der Stonehenge-Megalithe lokalisiert, in: Spektrum der Wissenschaft vom 3. August 2020.
- Suzanne Cords: Das Geheimnis von Stonehenge
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