Am 6. Dezember kommt der Nikolaus und bringt den Kindern süße Gaben. Aber warum eigentlich? Kaum ein Heiliger ist so bekannt - und doch wissen wenige über ihn Bescheid. Ein Experte erklärt, was seine Figur und sein Schenken so besonders macht.

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Nüsse, Mandarinen, Orangen, Äpfel warten auf die Kinder, wenn am 6. Dezember Nikolaus gefeiert wird. Die Geschichte des Heiligen ist wahrlich lesenswert – angefangen damit, dass sich gleich zwei Nikoläuse in seiner heutigen Erscheinung vereinen.

"Die Legenden zweier historischer Personen aus Kleinasien, der heutigen Türkei, sind unentwirrbar miteinander verknüpft", sagt Theologe und Autor Manfred Becker-Huberti und das sind die beiden:

  • Nikolaus, Bischof von Myra, lebte von 270 bis zum 6. Dezember 343
  • Ein weiterer Nikolaus war zunächst Abt von Sion und dann Bischof von Pinora und starb am 10. Dezember 564.

Der Bekanntere der beiden dürfte der Bischof von Myra sein – sein Todestag begründet auch den Nikolaustag. "Nikolaus feierte in allen Jahrhunderten am 6. Dezember seinen Gedenktag", erklärt Becker-Huberti.

Fünf Dinge über Nikolaus, die wenig bekannt sind

Obwohl kaum ein Heiliger so bekannt ist wie Nikolaus, wissen die meisten eher wenig über ihn und das Nikolaus-Brauchtum. Hier fünf interessante Fakten:

  • Der Nikolaus war ursprünglich braun-grün gekleidet, wechselte dann in der Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges in Amerika zu den Farben rot-weiß.
  • In diesem Jahr feiert der Heilige Nikolaus (Bischof von Myra) seinen 1754. Geburtstag.
  • Wir stellen schon am Vorabend zu Nikolaus Stiefel und Teller bereit, weil im Christentum – nach alter orientalischer Art – der Tag mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnt.
  • Der Nikolaus ist auch Schutzpatron der Seefahrer. Früher bastelten die Kinder daher Schiffchen, in die die Gaben des Nikolaus gelegt wurden.
  • Der Nikolaus ist auch im "Struwwelpeter" vertreten – allerdings als karikierte ("bös' und wild") Darstellung. Seit der Abwertung des Nikolaus im Zuge der Reformation wurde er verspottet, so auch in diesem Kinderbuch: Statt, wie in der Legende beschrieben, drei Schuljungen von den Toten aufzuwecken, taucht er sie – durch seine Kleidung nicht mehr als Bischof erkennbar – im "Struwwelpeter" in ein Fass mit schwarzer Tinte.

Martin Luther: Christkind statt Nikolaus

Dass der Heilige Nikolaus über all die Jahrhunderte nicht vergessen wurde, ist nicht selbstverständlich. "Bis zur Reformation im 16. Jahrhundert war Nikolaus ein Superheiliger", sagt Becker-Huberti. "Er war Held der Kinder, der Schiffer, der Kaufleute und vieler anderer. Die Kinder liebten ihn, weil sie an seinem Gedenktag in seinem Namen beschenkt wurden."

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Die Bedeutung des Heiligen gefiel dem Reformator Martin Luther allerdings nicht. "Da alle seine Verbote der Verehrung des Nikolaus nichts nutzten, nahm Luther ihm das Schenken und übertrug es auf Weihnachten, das bis dahin ausschließlich in der Kirche gefeiert wurde", erklärt der Experte für religiöse Volkskunde. Entstanden sei die Familienweihnacht, für die Luther eine Schenkfigur kreierte: "Das Christkind. Wer genau hinsieht, erkennt: Das Christkind schenkt wie der Nikolaus ursprünglich: im Dunkeln und unerkannt."

Wie Nikolaus seine Gaben verteilte

Um unerkannt zu bleiben, verteilte Nikolaus seinen Besitz nachts. Laut Legende war er ein junger Vollwaise, der reich geerbt hatte. Er soll in der Nacht Goldklumpen durch das Fenster einer armen Familie geworfen haben, damit die drei jungen Frauen der Familie heiraten konnten und sich nicht aus Armut verkaufen mussten. "Nikolaus hat selbstlos Bedürftigen aller Art geholfen", erläutert Theologe Becker-Huberti. "Er hat in den Bedürftigen Jesus Christus gesehen."

Das Unerkannt-Bleiben ist dabei ein zentrales Motiv des Heiligen: "Er schenkt nicht, um sich als Spender feiern zu lassen. Nikolaus tritt hinter seinem Geschenk zurück, das er in der Legende den drei Mädchen bringt, damit sie nicht sündig leben müssen und sich dadurch den Weg in den Himmel versperren. Eltern, die heute wie der Nikolaus Kinder beschenken, wollen deutlich machen: gut sein und Gutes tun lohnt sich. Am Nikolaustag berührt so der Himmel die Erde, damit die Kinder genau das erfahren."

Unerkannt schenken: Eine Botschaft für alle Eltern

Das Unerkannt-Schenken, wie es von Nikolaus vorgelebt wurde, befreie die Eltern von dem Druck, immer mehr und immer Teureres zu schenken, erklärt der Theologe. "Es geht nicht um die Steigerung des Besitzstandes." Die Gaben, die vom Nikolaus gebracht werden, sollten daher überschaubar sein: "Obst, Nüsse, Süßigkeiten, Plätzchen und eine zusätzliche Gabe, die auf den Beschenkten zugeschnitten ist", schlägt Becker-Huberti vor.

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Nikolaus-Auftritt als Reaktion auf Luther

Wie kommt es dann, dass der Nikolaus in Kindergarten, der Schule oder daheim trotzdem oft höchstpersönlich auftritt, um den Kindern die Gaben zu überreichen? Häufig hat er dabei sein "goldenes Buch" dabei, in dem die Taten der Kinder aufgelistet sind und im besten Fall gewürdigt werden.

"Dass der Heilige in eigener Person auftaucht, stellt eine Reaktion der Katholiken auf die Reformation dar", erklärt der Nikolaus-Experte. "Luther hatte dem Nikolaus ja das Schenken abgenommen und auf Weihnachten übertragen. Dagegen gingen die Katholiken in die Offensive und ließen nun den Nikolaus im Brauch leibhaft als Bischof auftreten. Dieser Nikolaus fordert Rechenschaft über die Erfüllung religiöser und bürgerlicher Pflichten. Und wie in der biblischen Erzählung vom Weltgericht sind die Taten der Kinder in einem Buch aufgezeichnet."

Bitte ohne Knecht Ruprecht

Leider hätten die Erwachsenen diesen Brauch aber überzogen, fährt Becker-Huberti fort, "indem sie dem Heiligen ein Teufelchen beigesellt haben, der den Sack mit den Geschenken tragen muss, aber auch ausrasten kann und Kinder bedroht".

Das sei überhaupt nicht im Sinne eines Heiligen: Eigentlich soll dieser gemeinsame Auftritt zeigen, dass der gute Nikolaus das Böse und den Bösen fest im Griff hat und der Böse nur das tun darf, was ihm Nikolaus zu tun erlaubt. "Weil sich Knecht Ruprecht – so wird der Teufel genannt – im Brauchtum so entwickelt hat, wird er von vielen heute einfach gestrichen. Dieses Pädagogisieren hat sich – Gott sei Dank – überlebt."

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti ist katholischer Theologe und war von 1991 bis 2006 Pressesprecher des Erzbistums Köln. Neben vielen anderen Veröffentlichungen ist er Autor der Bücher "Der Heilige Nikolaus. Leben, Legenden und Bräuche", Greven Verlag (2005) und "Heiliger Nikolaus. Geschichte – Legenden – Brauchtum", topos premium (2018).

Verwendete Quellen

  • Gespräch mit Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti, Theologe
  • Heinrich Hoffmann: "Der Struwwelpeter, Schwager & Steinlein" (2013).

Redaktioneller Hinweis

  • Dieser Artikel stammt aus unserem Archiv und wurde erstmals 2022 veröffentlicht.

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