Vor sechs Jahren ist Physikern in Genf mit dem Nachweis des seit Jahrzehnten gesuchten Higgs-Bosons eine Sensation gelungen. Am Dienstag verkündeten sie einen neuen Meilenstein.

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Im Jahr 2012 haben Forscher am europäischen Atomforschungszentrum Cern in Genf das lange gesuchte Higgs-Boson nachgewiesen. Es wird auch "Gottesteilchen" genannt, da es anderen Teilchen ihre Masse verleiht.

Jetzt folgt der nächste Meilenstein: Forscher haben den Zerfall eines Higgs-Bosons in zwei sogenannte Bottom-Quarks nachgewiesen. Quarks sind elementare Bauteile des Universums.

Forscher standen vor Problemen

"Diese Beobachtung ist ein Meilenstein in der Untersuchung des Higgs-Bosons", sagte Karl Jakobs, Leiter des "Atlas"-Experiments am Cern am Dienstag. Die Entdeckung bestätigt nach Angaben des Cern das Standardmodell der Teilchenphysik. Danach soll ein Higgs-Boson in 60 Prozent der Fälle in Bottom-Quarks zerfallen.

Die ersten Resultate wurden bereits am 9. Juli dieses Jahres auf einer Konferenz in Seoul vorgestellt. Neben dem "Atlas"- war auch das "CMS"-Projekt beteiligt, das ebenfalls am größten Teilchenbeschleuniger der Welt in Genf angesiedelt ist.

Das Higgs-Boson war vor sechs Jahren am Cern nachgewiesen worden - fast 50 Jahre, nachdem der Physiker Peter Higgs es vorhergesagt hatte. Der Nachweis des Zerfalls in Bottom-Quarks, wie es das Standardmodell der Teilchenphysik vorhersagt, stand aber noch aus.

Das Problem dabei ist, dass Bottom-Quarks auch auf anderen Wegen entstehen können. Den Zerfall des Higgs-Bosons von diesen "Hintergrundgeräuschen" zu trennen, sei dank der guten Performance des Beschleunigers und moderner Maschinenlerntechniken möglich gewesen, so "CMS"-Leiter Joel Butler.

Higgs-Boson verleiht den Partikeln Masse

Im Standardmodell der Teilchenphysik haben die Teilchen keine Masse. Ohne Masse wären jedoch alle Partikel schnell wie das Licht, es gäbe keine Zusammenballungen, keine Atome, keine Sterne, Planeten oder Menschen.

Um dieses Dilemma zu lösen, ersannen Higgs und Kollegen einen Mechanismus, der den Teilchen ihre Masse verleihen soll: Er wird oft verglichen mit einer Party, auf der ein Popstar erscheint. Die Partygäste bilden dabei das Higgs-Feld.

Will der Popstar den Raum durchqueren, scharen sich sofort viele Fans um ihn und machen ihn damit langsamer - der Star gewinnt gewissermaßen an Masse. Das Higgs-Teilchen ist in dieser Analogie das Gerücht, ein Popstar würde den Raum durchqueren: Sofort sammeln sich wieder Fans am vermeintlichen Aufenthaltsort des Stars.

Dieses Gerücht pflanzt sich durch den Raum fort und verursacht damit eine wandernde Zusammenballung.

Erklärung von ungelösten Geheimnissen

Am Cern dreht sich alles um die Kollisionen, die die Physiker erzeugen, wenn sie Protonen in entgegengesetzter Richtung durch den 27 Kilometer langen Tunnel des Teilchenbeschleunigers schießen. Unterwegs sind in der Röhre Trillionen von Protonen, von denen jedes einzelne pro Sekunde 11.000 Runden dreht.

Die Forscher bringen sie an bestimmten Stellen zur Kollision und simulieren damit die ersten Nanosekunden nach dem Urknall. Sie wollen unbekannte Elementarteilchen aufspüren, um bislang ungelöste Geheimnisse des Universums zu erklären.

Der Beschleuniger schafft heute eine Milliarde Protonenkollisionen in der Sekunde. Allerdings wollen Forscher mehr. Das Cern hat bereits den Grundstein für einen Ausbau gelegt. Ab 2025 sollen noch mehr Protonenkollisionen erzeugt werden..

Viele Cern-Erfindungen sind heute Allgemeingut, als Komponenten in Handys, bei diagnostischen Prozessen wie der Computertomografie, in der Halbleiterproduktion und bei der Tumorbehandlung.

Und natürlich "die Mutter aller Erfindungen": das am Cern entwickelte World Wide Web, das Internet. Als staatlich finanzierte Organisation stellt das Cern der Gesellschaft Entwicklungen ohne Patent zur Verfügung. (ff/dpa/afp)

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