Die Prognosen sind düster: Schenkt man den Medienberichten Glauben, dann hat Griechenland nur noch Geld bis spätestens Anfang Juni. Ein bankrotter Staat - geht das überhaupt? Und was passiert, wenn Griechenland pleite ist?
Die Aussicht ist bitter: Schon bald könnte der Euro-Staat Griechenland zahlungsunfähig sein, sollte man sich in Athen nicht mit der Eurogruppe über das weitere Vorgehen einig werden. Die griechische Regierung steht "im Mai endgültig finanziell mit dem Rücken zur Wand", warnht EU-Kommissar Günther Oettinger. Wie geht es dann weiter?
Was passiert, wenn Griechenland pleitegeht?
Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder finden sich Gläubiger, die Griechenland abermals unterstützen oder durch einen Schuldenschnitt auf den Ausgleich der Forderungen verzichten, oder aber Griechenland steigt endgültig aus dem Euro aus und führt die Drachme wieder ein.
Wer zählt alles zu den betroffenen Gläubigern?
Die Liste ist recht lang und setzt sich sowohl aus privaten Gläubigern wie Finanzinvestoren, Versicherungen oder Pensionsfonds zusammen, als auch aus griechischen und ausländischen Banken. Auch die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds zählen dazu, weil sie Griechenland mit Hilfskrediten unterstützt haben. "Die Politiker in Geberländern wie Deutschland müssten ihren Wählern erklären, dass die Hilfskredite - anders als stets behauptet - verloren sind", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Das wäre sehr unpopulär und würde eurokritische Parteien wie die AfD stärken."
Welche Folgen würde ein Austritt aus dem Euro für Griechenland bedeuten?
Viele Experten sehen in der Wiedereinführung der Drachme die beste Möglichkeit, mit einer drastischen Abwertung von ungefähr 50 Prozent die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands wiederherzustellen. Reisen würden dann deutlich günstiger und damit die für das Land so wichtige Tourismusindustrie gestärkt. Und auch billige Exportprodukte könnten die heimische Wirtschaft ankurbeln. Waren und Dienstleistungen allerdings, die Griechenland aus dem Ausland importiert, würden deutlich teurer. Außerdem müsste die griechische Wirtschaft unter anderem eine Verdoppelung des Ölpreises schultern.
Und: Mit einer Staatspleite würden die Außenstände Griechenlands nicht etwa gestrichen, sondern blieben unverändert bestehen – und zwar in Euro. Die aufgenommenen Schulden würden aber im Zuge der Abwertung der neuen eigenen Währung drastisch steigen, wenn die Griechen mit der billigen Drachme die alten Schulden in Euro zurückzahlen müssten. Gläubigern – und das würde vor allem den griechischen Banken zum Verhängnis werden – droht damit ein Totalausfall ihrer Forderungen.
Der Europa-Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Poul Thomsen, warnt im Handelsblatt davor, die Risiken zu unterschätzen, die mit einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone verbunden wären. Besonders wichtig sei es, längerfristige Risiken zu verringern, beispielsweise "die Gefahr, dass die Euro-Zone als Klub betrachtet würde, in den man ein- und austreten kann, wie man will". Dadurch könnten in Zukunft Zweifel am Verbleib anderer Staaten aufkommen.
Welche Rolle spielen die griechischen Banken in diesem Fall?
Griechenland bräuchte sofort eine eigene Zentralbank, die die Banken refinanzieren und den Zahlungsverkehr wieder zum Laufen bringen kann. Denn ohne Geld könnten die Banken den griechischen Unternehmen noch weniger Kredite als bisher geben. Damit würde sich die konjunkturelle Lage des Landes weiter verschärfen, die Arbeitslosigkeit weiter steigen, wodurch noch weniger Steuern in die Kassen fließen.
Eine weitere Gefahr ist hierbei der sogenannte "Bankrun", wenn die Griechen ihre Konten bei den heimischen Banken leer räumen, um die harten Euro vor einem Umtausch in Drachmen zu schützen. Das könnte die nationalen Banken ruinieren und in der Folge sogar den gesamten griechischen Geldkreislauf zusammenbrechen lassen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters ziehen bereits jetzt griechische Bürger bis zu 500 Millionen Euro pro Tag von ihren Bankkonten ab.
Was würde die Pleite für die Märkte bedeuten?
Griechenland würde vermutlich vorerst keine neuen Kredite mehr bekommen, da die Gläubiger schlichtweg fürchten müssen, ihr Geld nicht zurück zu bekommen. Ohne neue Kredite aber könnte das Land seine laufenden Ausgaben vermutlich kaum finanzieren.
Wo würde der Bürger die Auswirkungen der Pleite spüren?
Auch den Griechen selbst stünde eine harte Zeit bevor. Das Land müsste sich bemühen, die Sozialsysteme aufrechtzuerhalten und Beamte und Rentner weiter zu bezahlen. Die Einschnitte würden aber auch die öffentliche Infrastruktur, die Krankenhäuser, den öffentlichen Nahverkehr, die Müllabfuhr und das Bildungssystem betreffen.
Was würde eine Pleite für Deutschland und die EU bedeuten?
"Ein griechischer Konkurs kostet den deutschen Staat 80 Milliarden Euro. Der Austritt kostet nichts, im Gegenteil", schrieb der Präsident der ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, in einem Beitrag für die "Wirtschaftswoche". "Nur wenn Griechenland die Euro-Zone verlässt, kann es abwerten, wettbewerbsfähig werden und überhaupt etwas zurückzahlen. Die Notwendigkeit, Verluste beim Austritt zu verbuchen, sollte man nicht mit dem Entstehen von Kosten verwechseln." Der Bund der Steuerzahler schlägt in eine ähnliche Kerbe. Seiner Berechnung zufolge kostet eine Staatspleite Griechenlands Deutschland rund 70 Milliarden Euro.
Die Bundesregierung hält einen Austritt Griechenlands inzwischen für verkraftbar - vor allem, da andere Krisenstaaten wie Spanien, Portugal und Irland mittlerweile wieder auf einem guten wirtschaftlichen Weg sind. Zudem haben die EU und die EZB Maßnahmen getroffen, um ein Überspringen der Krise von Griechenland auf andere Euro-Staaten zu verhindern. Dazu gehört einerseits der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM), der Staaten im Notfall mit bis zu 500 Milliarden Euro unterstützen kann. Andererseits ist dabei die ultralockere Geldpolitik der EZB zu nennen.
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