Von seiner Entscheidung hängt alles ab: Nur mit der Zustimmung des Bundestags kann das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland verlängert werden. Ohne sie geht Athen in kürzester Zeit das Geld aus.
Eine Alternative gibt es nicht. Wenn der Bundestag am Freitag nicht zustimmt, läuft das Hilfsprogramm für Griechenland schon an diesem Samstag aus. Die Folgen wären verheerend - nicht nur für Athen. Einige Unionsmitglieder wollen einer Verlängerung dennoch nicht zustimmen. Trotzdem zeichnet sich eine parteiübergreifende breite Mehrheit ab. Denn die Abgeordneten wissen um die Brisanz ihrer Entscheidung.
Ohne die Unterstützung seiner europäischen Partner kommen die Hellenen noch immer nicht aus. Das Land sitzt auf einem Schuldenberg von weit über 320 Milliarden Euro, schon im März werden erste Verbindlichkeiten von knapp sieben Milliarden Euro fällig. Die Europäische Zentralbank (EZB) akzeptiert schon seit Februar keine griechischen Staatsanleihen als Sicherheiten mehr. EZB-Chef Mario Draghi machte klar, man werde diese erst dann wieder als Garantie akzeptieren, wenn ein "erfolgreicher Abschluss des laufenden Hilfsprogramms sichergestellt" sei.
Das Einzige, was die Banken in Hellas derzeit überhaupt noch über Wasser hält, ist das sogenannte "Emergency liquidity assistance" (Notfallliquiditätsassistenz, kurz ELA). Denn aus Angst vor einem Ausstieg aus der Währungsgemeinschaft haben die Griechen schon weit über 20 Milliarden Euro ins Ausland geschafft.
Mit einem unverhofften Ende des Hilfsprogramms erfüllte sich ein "Schreckensszenario", fürchtet Josef Janning, Politikwissenschaftler beim European Council on Foreign Relations (ECFR): "Die Griechen zögen noch mehr Geld von den Banken ab", die in der Folge illiquide würden. "Das würde die Regierung in die Knie zwingen", sagt Janning. Diese könnte sich nach Meinung einiger Finanzexperten mit den Einnahmen aus kurzfristigen Staatsanleihen (sogenannten T-Bills) allenfalls noch ein paar Wochen halten - dann aber wäre der Geldhahn endgültig zu.
Athen müsste zur Drachme zurückkehren
Die Folgen wären auch für die Bundesrepublik nicht unerheblich: Denn ohne frisches Geld und dem gleichzeitigen Ausbluten der Banken bliebe der griechischen Regierung kaum etwas anderes, als die Banken zu schließen, um der Kapitalflucht einen Riegel vorzuschieben. Eigene Euros darf Griechenland nicht drucken. Athen wäre also gezwungen, zur Drachme zurückzukehren, die Finanzexperten bei einem Viertel des Wertes des Euro sehen. Das aber ist im Lissabonvertrag, der rechtlichen Grundlage der Union, so nicht vorgesehen. Ein Verlassen der Währungsunion ist nur möglich, wenn ein Land komplett aus der EU austritt - dem aber müssten alle Mitgliedsstaaten neben Griechenland selbst zustimmen.
Soziale Not könnte sich verschlimmern
Mit der Rückkehr zur Drachme wäre zudem ein großer Teil der Bevölkerung auf einen Schlag verarmt - schon jetzt können sich über 300.000 Haushalte keinen Strom mehr leisten, immer mehr Griechen sind auf Armenspeisungen angewiesen. Die Konsequenzen einer Währungsabwertung wären unweigerlich soziale Unruhen. Ausländische Investoren würden endgültig ihre Gelder aus Griechenland abziehen - und erschütterten damit auch Teile der Eurozone. Statt eines finanziellen Hilfsprogramms müsste die Union dann ein humanitäres Rettungspaket auf die Beine stellen.
Sollte sich der Bundestag wider Erwarten gegen eine Verlängerung entscheiden, würde man jedoch nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa mit dem Finger auf Deutschland und die EZB zeigen. "Sie würden als Schuldige gesehen", meint Janning. Dabei ist das deutsche Parlament nicht die einzige Volksvertretung, die über die Verlängerung entscheiden muss. Während in vielen EU-Ländern die Entscheidungsgewalt über die schließlich rein technische Verlängerung eines bereits bestehenden Hilfsprogramms den Finanzministern zusteht, müssen zumindest in Finnland und Estland deren Abgeordnetenkammern Eduskunta und Riigikogu zustimmen.
Beide werden sich nach Meinung des Politikwissenschaftlers aber nach Deutschland richten: Denn in Finnland stehen in Kürze Wahlen an - dort wolle man nicht "unter innenpolitischen Druck geraten". Würden sie einer Regelung zustimmen, die selbst der Bundestag - wenn auch überraschend - ablehnte, gerieten sie auf unsicheres Terrain. Es wäre ein gefundenes Fressen für die europakritischen "Wahren Finnen" - "der Wahlausgang könnte unkalkulierbar" werden, mahnt Janning.
Es ist eine Gefahr, die schon Varoufakis immer wieder als Druckmittel gegen seine europäischen Partner einzusetzen versuchte. Wenn man "progressive Regierungen" wie die seine zur Strecke bringe, müsse man sich "auf das Schlimmste gefasst" machen. Nationalisten würden daraus Kapital schlagen. "Kein falsches Argument", sagt auch Politikwissenschaftler Janning. Aber eines, das die europäischen Partner wenig beeindrucke. Man werde sich "mit der Androhung noch größeren Schreckens" kaum auf eine Politik einlassen, die man nicht mittragen könne. Die jetzige Einigung stützt sich auf breite Zustimmung in der Eurogruppe. "Aber dabei gibt es wenig Luft für Änderungen", betont Janning.
Griechenland muss bis Ende Juni alleine zurechtkommen
Denn auch mit der Zustimmung des Bundestags und der übrigen Volksvertretungen in der Eurozone wird es für Griechenland vorerst kein Geld geben. Das Programm würde dann zwar bis Ende Juni verlängert. Doch bis dahin muss die Regierung in Athen alleine zurechtkommen. Für vorstellbar hält Janning allenfalls, dass die anstehenden Verbindlichkeiten im März, bei denen es vor allem um Rückzahlungen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) geht, sich gegebenenfalls stunden ließen.
Erst, wenn Griechenland Reformen nicht nur angekündigt, sondern auch umgesetzt hat, sind die Auflagen des laufenden Hilfsprogramms erfüllt. Und erst dann fließt auch wieder Geld in die Kassen. Konkret geht es dabei um bislang zurückgehaltene Kredite über 5,4 Milliarden Euro aus dem laufenden Hilfspaket sowie 1,8 Milliarden Euro an Gewinnen, die die EZB mit dem Verkauf von griechischen Staatsanleihen erwirtschaftet hat. Hinzu kommen 10,9 Milliarden Euro, die ursprünglich für die Athener Banken eingeplant waren. Wenn Griechenland dieses Geld will, muss Varoufakis sich an die Arbeit machen. Auf Worte will man sich weder in Brüssel noch in Berlin mehr verlassen - was zählt, sind Ergebnisse.
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