Über den zunehmenden Einfluss Chinas in Afrika ist schon viel geschrieben worden. Doch die Zahlen zeigen: Die größten Investitionen kommen gar nicht aus Asien. Die Frage ist auch: Verpasst Deutschland gerade die Chance, groß in den Boom-Markt Afrika einzusteigen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von David Bieber sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die wirtschaftliche Macht Chinas wurde zuletzt immer größer auf dem afrikanischen Kontinent. Mit einem durchschnittlichen Anteil von gut 12 Prozent an der privaten und öffentlichen Auslandsverschuldung afrikanischer Länder ist China oft der größte bilaterale Geber.

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Weil China in der Vergangenheit große Infrastrukturvorhaben unterstützt und vorangetrieben, Kredite im großen Stil vergeben und mit eigenem Geld auch zentrale Häfen und Flächen gekauft und betrieben hat, wurde der Westen unter Druck gesetzt. Die Angst vor einer chinesischen Vormachtstellung in Afrika wuchs in Brüssel und Washington.

Überraschend aber ist ein Blick auf die Zahlen: Die Volksrepublik findet sich nicht unter den Top-3-Investitionsländern auf dem afrikanischen Kontinent. Das geht aus dem sogenannten UN World Investment Report 2023 hervorgeht, der die beiden vergangenen Jahre umfasst.

Heißt: Chinesische Firmen sind nicht die Hauptinvestoren in Afrika. Hier muss natürlich differenziert werden, denn was in China als privatwirtschaftliches Unternehmen bezeichnet wird, befindet sich mitunter nicht selten mehrheitlich im Besitz des Staates. Viele staatliche Unternehmen sind Joint Ventures aus staatlichen und privaten Eigentümern und es ist oft schwierig zu entscheiden, ob sie nun privatwirtschaftlich oder staatswirtschaftlich geführt werden.

China ändert sein Investitionsverhalten

Vor dem Hintergrund, dass Peking derzeit sein Investitionsverhalten ändert, verwundert der fünfte Platz im Ranking der Investitionsländer in Afrika nicht. So liegen aktuelle Kreditvergaben an afrikanische Länder nur noch bei zehn Prozent des Höchststandes von 2016.

"Statt in große, staatlich vollfinanzierte Infrastrukturprojekte, die zur Staatsverschuldung afrikanischer Länder teilweise erheblich beigetragen haben, investieren chinesische Akteure zunehmend in kleinere, profitable Projekte mit privatem Finanzierungsanteil, wie zum Beispiel Mautstraßen", liest man in der Studie "Schuldenerleichterungen in Afrika: Interessenkonflikt zwischen dem Westen und China als Stolperstein multilateraler Lösungen" der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Vor der chinesischen Wirtschaft, die rund 44 Milliarden US-Dollar in Afrika investierte, liegen die USA (45 Milliarden US-Dollar) und drei europäische Staaten: Die ehemaligen Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich und Niederlande führen das Ranking an. Firmen und Investoren aus dem Vereinigten Königreich investierten 60 Milliarden US-Dollar, französische und niederländische Firmen und Investoren kamen jeweils auf 54 Milliarden US-Dollar.

Die wirtschaftlichen Verbindungen Afrikas mit den europäischen Ländern und ehemaligen Kolonialmächten ist also noch deutlich enger als zu China. Allein schon, was finanzielle Abhängigkeiten anbelangt. Wie die NGO "Debt Justice" mit Sitz in London im vergangenen Jahr berechnete, haben afrikanische Regierungen bei privaten westlichen Gläubigern dreimal mehr Schulden als bei in China ansässigen Gläubigern. Zudem verlangten westliche Gläubiger im Durchschnitt doppelt so hohe Kreditzinsen.

Es ist davon auszugehen, dass viele europäische Staaten angesichts der geopolitischen Lage und der zunehmenden Bedeutung Afrikas mit seiner massiv wachsenden Bevölkerung wieder und noch mehr an Relevanz gewinnt.

Und wie schneidet Deutschland ab?

Und wie sieht es mit Investitionen aus Deutschland aus? Die Bundesrepublik ist wieder unter den Top 10 der Investorenländer auf dem afrikanischen Kontinent. Mit 15 Milliarden US-Dollar an Investitionsbestand im Jahr 2021 liegt Deutschland nun auf Platz neun.

In den kommenden Jahren soll es mit den deutschen Direktinvestitionen so weitergehen, hofft der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, der viele deutsche Unternehmen vertritt, die Handel mit Afrika treiben.

Denn die deutsche Wirtschaft muss sich laut Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft mit Sitz in Berlin, weiter diversifizieren. "Die deutsche Wirtschaft ist an einigen großen Investitionsprojekten, besonders im Bereich Wasserstoff, beteiligt und hat 2022 mit einem Handelsvolumen von 59,8 Milliarden Euro einen neuen Rekord erreicht", kommentiert Kannengießer den am 5. Juli 2023 erschienen UN World Investment Report 2023 auf Anfrage.

Insgesamt bleibt laut Kannengießer die deutsche Wirtschaft immer noch hinter ihren Möglichkeiten, aber auch hinter den Notwendigkeiten mit Blick auf die Diversifizierung zurück. Die deutsche Wirtschaft verpasst also wieder eine Chance, groß ins Afrika-Geschäft einzusteigen.

Hoffnung auf einen positiven Trend

Die deutschen Investitionsbestände auf dem afrikanischen Kontinent sind selbst im Pandemie-Jahr 2021 von 11,461 auf 11,517 Milliarden gestiegen. Ein Anstieg um 56 Millionen Euro ist nach Ansichten von Kannengießer zwar kein Grund für Euphorie. "Es konnte aber der durch das Pandemie-Jahr 2020 ausgelöste Negativtrend gestoppt werden. In den kommenden Jahren hoffen wir auf einen weiterhin positiven Trend, denn deutsche Unternehmen haben einige große Investitionsprojekte in der Pipeline."

Darunter wichtige Investitionen in grünen Wasserstoff in Namibia, Angola oder Mauretanien. Auch im Senegal sind deutsche Firmen beteiligt an der Erschließung und womöglich bald auch an der Ausbeutung eines großen Gasfeldes vor der Küste des westafrikanischen Staates.

Die angekündigten Investitionssummen in die Energieversorgung sind Kannengießer zufolge insgesamt stark gestiegen, von 24 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 120 Milliarden US-Dollar für 2022.

Deutsche Unternehmen schaffen 209.000 Arbeitsplätze in Afrika

Zurück zu deutschen Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent. "Die Zahl der laut Bundesbank in Afrika investierten deutschen Unternehmen liegt im Jahr 2021 bei 876", erklärt Kannengießer weiter. Dadurch sollen rund 209.000 Arbeitsplätze in afrikanischen Ländern direkt geschaffen worden sein. Die indirekten Beschäftigungseffekte lägen aber noch deutlich darüber.

"Der Jahresumsatz unserer Firmen lag im Jahr 2021 bei 30,898 Milliarden Euro und hat sich trotz Krisenmodus im Vergleich zu 2020 gut erholen können. In den kommenden Jahren hoffen wir auf verstärkte Investitionstätigkeiten und damit auch auf einen Zuwachs an guten und nachhaltigen Arbeitsplätzen in Afrika", sagt Kannengießer.

Auch wenn die Mitgliedsunternehmen des Interessensvereins laut einer Umfrage mit deutlicher Mehrheit positiv auf Ihre Afrika-Aktivitäten blickten, müssten die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung weiter verbessert werden. Das fordert der Verein immer wieder. Konkret geht es um "günstigere Exportkredit- und Investitionsgarantien" und "innovative und flexible Finanzierungsinstrumente", etwa bei teuren Investitionen in Projekte für Erneuerbare Energie.

Zur Person: Christoph Kannengießer ist Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft mit Sitz in Berlin

Verwendete Quellen:

  • Anfrage an den Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft vom 7. Juli 2023
  • Webseite der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTD), UN World Investment Report 2023 vom 5. Juli 2023
  • Schuldenerleichterungen in Afrika: Interessenkonflikt zwischen dem Westen und China als Stolperstein multilateraler Lösungen
  • Pressemitteilung des Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft vom 6. Juli 2023
  • Debtjustice.org: African governments owe three times more debt to private lenders than China
  • swp-berlin.org: Schuldenerleichterungen in Afrika: Interessenkonflikt zwischen dem Westen und China als Stolperstein multilateraler Lösungen
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