Es ist eine schier unendliche Geschichte, eine Posse, eine Farce: Die Eröffnung des Pannen-Flughafens in Berlin Brandenburg wird seit Jahren aufgeschoben – zu Lasten der dort eingemieteten Geschäfte. Wie sehr sind Betriebe und Mitarbeiter vom BER-Chaos tatsächlich betroffen?

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Eine Milliarde Euro sollte das große Bauvorhaben des Berliner Flughafens in Brandenburg (BER) kosten. Sechs Mal wurde die Eröffnung verschoben. Mit der Statik und dem Brandschutz wollte es irgendwie nicht klappen. Mittlerweile nähern sich die Kosten-Prognosen der Marke von 6,5 Milliarden Euro.

Mal bog sich die Decke, weil sie die Last der Kabelstränge nicht aushielt, dann sorgten zu schwere Ventilatoren für erneute Bauverzögerungen. Die Öffentlichkeit hat den Berliner Großflughafen längst zur Lachnummer erklärt. Selbst wenn der Hauptstadtflughafen irgendwann eröffnet werden wird – nach aktuellem Stand Ende 2017 – so drohen ihm jährlich Verluste in Millionenhöhe. Das besagt eine 2014 veröffentlichte Untersuchung des Finanzwissenschaftlers Friedrich Thießen von der TU Chemnitz hervor. Als "unseriös und realitätsfern" kommentierte die Flughafengesellschaft das Gutachten, das im Auftrag der "Grünen" erstellt und von den Grünen-Fraktionen aus Bundestag, Berliner Abgeordnetenhaus und brandenburgischem Landtag vorgelegt wurde.

Läden stehen ohne Kunden da

Fakt ist, dass durch die Verschiebung nicht nur die Flughafengesellschaft schwer betroffen ist. Auf dem Großflughafen Berlin-Brandenburg haben ebenfalls viele Geschäftsinhaber in Läden investiert, die bislang ohne Kunden dastehen. 150 Verkaufseinheiten stellt der Flughafen. Rund 80 Geschäfte wollten auf dem Gelände ihren Betrieb aufnehmen. Sie alle werden auf der offiziellen BER-Webseite gelistet. Von großen Modeketten, über Autovermietungen, Reiseveranstaltern, Busunternehmen, Gastronomiebetrieben bis hin zu lokalen Einzelhändlern.

"Wir freuen uns Ihnen unser Konzept 'ick bin ein Berliner' ausführlich im BER vorzustellen... sollte es die Regierung Berlins irgendwann doch noch eröffnen." Mit diesem Satz werden Besucher auf der vorläufigen Webseite "ick bin ein Berliner" begrüßt. Die Firma, die regionale Marken wie Spreewaldgurke und "Berliner Weiße" repräsentiert, zeigt damit trotz ernster Lage ein wenig Humor. Dennoch: Kaum ein Ladeninhaber will sich zu dem Eröffnungs-Dilemma und seinen Folgen telefonisch äußern. Man wolle kein Aufsehen erregen, heißt es.

"Das ärgert uns schon"

Andere in der Flughafenbroschüre aufgelistete Firmen sind mit ihren Produkten lediglich als Marke im Regal vertreten. Darunter auch Ampelmann. "Junge Berliner Marke fliegt mit" – verkündete die Firma im April 2012. Ihre Produkte rund um die rote und grüne Berliner Kultfigur waren so gut wie eingepackt und für den Transport zum Flughafen bereit. Doch bislang stehen die Geschäftsräume leer. Die für den Shop eigens angefertigten Regale schmücken bislang nur das Lager. "Das ärgert uns schon", sagt Markus Heckhausen.

Große Verluste erlitt das Unternehmen aber nicht. "Wir zahlen keine Miete und haben auch keinen personellen Mehraufwand", erklärt der Geschäftsführer weiter. Inhaber der Räumlichkeiten ist die Firma LS Travel Retail Deutschland GmbH, Ampelmann stellt lediglich seine Markenprodukte zur Verfügung. Die Verluste sind laut Heckhausen "Peanuts" – relativ klein also. Die Unternehmenszentrale von LS Travel Retail GmbH wolle zum Thema BER aktuell keine Auskunft geben.

"Wir hätten mehr Umsatz machen können"

Ebenso schweigt der große Dienstleistungsanbieter Wöhllhaf Retail GmbH. Der Konzern erhielt den Zuschlag für sechs Einzelhandelskonzepte am Großflughafen Berlin-Brandenburg und vertritt unter anderem die Marke "Berliner Kaffeerösterei". Stefan Richter, Inhaber des regionalen Anbieters, bedauert auch ohne Mietkosten die Situation: "Wir hätten zumindest mehr Umsatz machen können".

Von den Verzögerungen seien alle Mieter betroffen, bestätigt ein Sprecher der Fluggesellschaft Berlin Brandenburg (FBB). Bislang gäbe es zumindest keine Mieter, die nicht mehr dabei sein wollten. Nach eigenen Aussagen führe die FBB längst Gespräche mit einzelnen Kunden. "Einige Mieter wurden entschädigt." Details wolle der Sprecher nicht bekanntgeben. Je nach Größe der Fläche und des Betriebes gebe es individuelle Lösungen. Ein Teil der Geschäfte verkaufe vorrübergehend am Flughafen Tegel. Rund 50 Geschäfte sollen es sein. Darunter auch das italienische Restaurant "Ana e Bruno". Sobald der Flughafen fertig ist, will Inhaber Bruno Pellegrini mit dem Restaurant in den neuen Airport umziehen.

Schlechter erging es hingegen "Haru-Reisen". Das Berliner Busunternehmen wollte eine neue Schnellbuslinie zwischen Steglitz und dem BER eröffnen.

Busunternehmen wirft das Handtuch

Die zugewiesene Bushaltestelle blieb leer. Ebenso die drei Busse, die Geschäftsführer Karsten Schulze für 800.000 Euro gekauft hatte. Sechs Fahrer und eine Buchhalterin standen parat. Den bisherigen Verlust schätzt Schulze gegenüber der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel" auf rund 250.000 Euro. Im Herbst 2013 gab er auf. Die zusätzlichen Busse und Mitarbeiter konnte das mittelständische Unternehmen finanziell nicht mehr stemmen. Dem Artikel zufolge sei Schulze mit anderen geschädigten Unternehmern im Gespräch, um eine Sammelklage vorzubereiten.

Die Flughafengesellschaft zu verklagen, sei nicht einfach, erklärte Benedikt Bräutigam gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" im März 2013. "Schließlich sitzen alle in einem Boot. Wenn irgendwann der Flughafen eröffnet, will jeder Mieter seine Räume behalten und seinen Mietvertrag verlängern können." Der Berliner Anwalt vertritt einige der betroffenen Unternehmen. Unumstritten sei laut Bräutigam allerdings, dass "die Fluggesellschaft nicht zum Nulltarif aus der Sache herauskommen wird". Eine Auskunft zur aktuellen Situation seiner Mandanten lehnte der Anwalt ab.

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