Die unerfreuliche Adventsbotschaft hat Bauern in der ganzen Republik kalt erwischt: Gleich doppelt sollen sie von Sparplänen betroffen sein. Die Empörung darüber tragen sie jetzt in die Hauptstadt.
Aus Protest gegen die vorgesehene Streichung von Steuervergünstigungen haben Tausende Landwirte am Montag gegen die Bundesregierung mobil gemacht. "Wir nehmen das nicht hin", rief Bauernpräsident Joachim Rukwied bei einer Kundgebung in Berlin. Ein Aus für Regelungen zu Agrardiesel und für die Kfz-Steuerbefreiung sei "eine Kampfansage", und diese nehme man an.
An der Demonstration am Brandenburger Tor nahmen nach Veranstalterangaben 8.000 bis 10.000 Menschen teil, mehr als 3.000 Traktoren rollten in die Hauptstadt. Bundesagrarminister
Rukwied drohte für Januar bereits größere Proteste an, wenn die "unzumutbaren Vorschläge" nicht komplett zurückgenommen würden. "Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat."
Mit den Koalitionsplänen würde die Branche pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. "Es reicht, zu viel ist zu viel", rief der Bauernpräsident. Er forderte von Özdemir, jetzt Druck in der Regierung für die Bäuerinnen und Bauern und die ländlichen Räume zu machen.
Özdemir äußert Verständnis - und wird angefeindet
Der Minister sagte bei der Kundgebung: "Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind." Es sei klar, dass nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts mehr gespart werden müsse - aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft.
"Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", bekräftigte Özdemir. "Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt." Die Rede wurde mehrfach vom Pfiffen und Zurufen unterbrochen. Rukwied rief zu Respekt auf und bat, dem Minister zuzuhören. Özdemir wandte sich gegen herabwürdigende Äußerungen.
Zu der Demonstration hatte der Bauernverband bundesweit auch über seine Landesbauernverbände aufgerufen. Auf Transparenten stand: "Die Ampel muss weg", "Es reicht", "Traktoren statt Panzer" oder "Grüne Wiesen, Vieh und Felder opfert ihr für Steuergelder".
Bisher können sich Höfe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. Dabei beträgt die Vergütung 21,48 Cent pro Liter – der Steuersatz für Agrardiesel liegt dann also bei 25,56 Cent pro Liter im Vergleich zum vollen Steuersatz von 47,04 Cent. Anträge auf Erstattung müssen Betriebe bei der Zollverwaltung stellen. Zudem sind land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit.
Die Union kritisierte die Einsparpläne, die auf eine Verständigung der Koalitionsspitzen für den Haushalt 2024 zurückgehen, erneut scharf. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte: "Ohne jede Rücksicht bringt die Bundesregierung die deutschen Bauern in Existenznot." Diese Ignoranz und Arroganz seien unerträglich. CDU-Agrarexperte Albert Stegemann sagte, beide Sparmaßnahmen träfen direkt die Landwirte und schwächten die ländlichen Räume. Özdemir müsse sich voll und ganz hinter die Bäuerinnen und Bauern stellen.
Greenpeace: Ende der Agrardiesel-Subvention verkraftbar
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, der Wegfall der Subvention bei Agrardiesel sei angesichts rekordverdächtiger Agrar- und Lebensmittelpreise und vieler weiterer Agrarsubventionen verschmerzbar.
"Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen - Agrardiesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft", sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. Anders als vom Bauernverband behauptet, werde das Ende der Dieselsubventionen kein massives Höfesterben zur Folge haben.
Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.
Eine Großdemonstration mit Tausenden Bauern aus ganz Deutschland und einer langen Traktoren-Kolonne hatte es auch Ende 2019 vor dem Brandenburger Tor gegeben. Damals forderten Bauern mit bundesweiten Aktionen mehr Mitsprache bei Neuregelungen zum Umwelt- und Tierschutz und mehr Wertschätzung für ihre Branche. © dpa
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