• Die Deutschen haben sich an den Euro gewöhnt und hängen an ihren Münzen und Scheinen.
  • Alternativen wie Girocard oder Handy können fast überall genutzt werden - was also finden sie eigentlich am Bargeld?
  • Ein Beitrag zum Pro und Kontra.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen des Autors bzw. der zu Wort kommenden Expertinnen und Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mehr News zum Thema Wirtschaft

Sind Sie eher der Bargeld-Typ? Dann sind Sie in Deutschland nicht allein, eher im Gegenteil: Die Mehrheit der Deutschen zahlt lieber mit Münzen und Scheinen. Zwar ist das durch die Corona-Pandemie etwas weniger geworden, laut einer Studie der Bundesbank werden aber immer noch 60 Prozent aller Geschäfte in Bargeld abgewickelt.

Ganz anders im Norden Europas. In Schweden sind Bargeld-Zahler stark in der Minderheit. Dort ist es in vielen Shops gar nicht mehr möglich, mit Bargeld zu bezahlen. Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass Schweden in den nächsten Jahren zu einer bargeldlosen Gesellschaft werden könnte.

Keine Bange, in Deutschland sind wir nicht nur geografisch meilenweit davon entfernt - eine Bargeld-Abschaffung steht hierzulande auch nicht im Raum. Und es gibt nur wenige Wissenschaftler, die sich bislang dafür ausgesprochen haben.

Der ehemalige Wirtschaftsweise und Volkswirt Peter Bofinger von der Universität Würzburg wagte im Jahr 2015 den Anstoß einer solchen Diskussion und begründete das mit dem Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus-Finanzierung. Allerdings bekam er dafür offenbar soviel Kritik, dass er heute nichts mehr zum Thema Bargeld-Abschaffung sagen möchte.

Warum die Deutschen am Bargeld hängen

Das Bargeld und die Deutschen - besser gesagt, die Deutschsprachigen. Denn die Neigung zum Bezahlen mit Bargeld ist neben Deutschland auch in Österreich und der Schweiz hoch. Die Wirtschaftspsychologin Julia Pitters erklärt das mit der stärkeren Bedeutung von Traditionen in diesen Ländern.

In Schweden sei das weniger ausgeprägt, die Menschen dort stünden neuen Technologien offener gegenüber, sagt die Professorin der IU Internationalen Hochschule. So zahlen viele Schweden bereits seit 2016 via Smartphone mit einer eigens entwickelten Banking-App namens Swish, die noch vor Google Pay und Apple Pay zur Verfügung stand.

"In Deutschland werden als häufige Gründe für Bargeld eine bessere Ausgabekontrolle oder die Haptik, etwas in der Hand zu haben, genannt", sagt die Wirtschaftspsychologin im Gespräch mit unserer Redaktion. "Bei Bargeld weiß ich, was ich habe, das ist haptisch greifbar. Bei einer Kreditkarte ist das Bezahlen abstrakter – es schmerzt nicht so sehr, etwas auszugeben." Außerdem seien die Deutschen bei der Zahlung mit Karte oder Handy eher skeptisch wegen der Datensicherheit. Diese Skepsis sei in Schweden weniger ausgeprägt.

Eine wesentliche Funktion des Bargelds offenbare sich auch in der psychologischen Funktion als Wertaufbewahrungsmittel, sagt Silke Finken von der International School of Management in München. Das zeigt auch eine Studie der Bundesbank: Demnach ließen sich 2018 über zwei Drittel des Bargeldbestandes durch Hortungsmotive erklären.

Kosten für Bargeld abhängig vom Kaufbetrag

Ob wir mit Münzen und Scheinen oder mit Karte bezahlen, ist für den Kunden eine Frage von Bequemlichkeit und Sicherheit, für den Händler eine Frage von Kosten, sagt Frank Bulthaupt von der Hochschule für Finanzwirtschaft und Management in Bonn. Bei Bargeld seien es die Personalkosten für Kassierzeiten, Kassenabrechnungen sowie Kosten für Geldtransportunternehmen und Einzahlungen bei der Bank. Bei Kartenzahlungen gebe es andererseits Kosten für Karten-Terminals sowie für Wartung und Software.

Laut einer Messung der Bundesbank sind die Kosten für Barzahlung im Vergleich zur Karte zwar geringer, da unter anderem der Bezahlvorgang kürzer ist. Das gilt aber nur für geringere Beträge, bei höheren Beträgen sind es die Girocard kontaktlos und die normale Girocard. "Untersuchungen haben gezeigt, dass ab einem Kassierbetrag von rund 20 Euro die bargeldlose Zahlung die kostengünstigere ist", sagt Volkswirt Bulthaupt und ergänzt: "Bargeldloses Bezahlen erfordert im Gegensatz zu Bargeld aber immer eine funktionierende Technik. Fällt allerdings die Technik großflächig aus, bricht auch der Markt weitgehend zusammen."

Ohne Bargeld weniger Kriminalität?

Ein wichtiger Punkt ist der Zusammenhang zwischen Bargeld und Kriminalität. Zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus will die EU-Kommission die Obergrenze von Bargeldzahlungen auf 10.000 Euro festlegen. Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen diesen Plänen aber noch zustimmen.

Aber wie erfolgreich wäre ein solcher Schritt? "Theoretisch schränken Obergrenzen für Bargeldzahlungen die Möglichkeiten zur Geldwäsche ein. Dies ist jedoch nur relevant, wenn andere Transferkanäle keine einfachen Alternativen bieten", erklärt Finanzwissenschaftlerin Finken. Daher müssten die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung auf den Krypto-Sektor ausgeweitet werden - insbesondere durch ein Verbot von anonymen Krypto-Wallets und eine Verpflichtung der Diensteanbieter zur Sorgfaltspflicht bei der Feststellung der Kundenidentität. Das sieht auch ein Vorschlag der EU-Kommission vor.

Fördert Bargeld die Schattenwirtschaft?

Abgesehen von Terrorismus und Geldwäsche werden auch Schattenwirtschaft und Steuerbetrug im Zusammenhang mit Bargeldzahlungen immer wieder erwähnt. Laut Schätzungen des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) blieb der Umfang der Schattenwirtschaft in absoluten Zahlen (2020 bei 322 Milliarden Euro) über die letzten 20 Jahre relativ stabil, relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging er leicht zurück.

Beim prozentualen Anteil der Schattenwirtschaft am BIP zeigt sich, dass der Anteil in Deutschland im europäischen Vergleich auf ähnlicher Höhe liegt wie zum Beispiel in Schweden, Norwegen und Finnland - also in Ländern, in denen der Anteil an Barzahlungen bedeutend geringer ist.

"Aufgrund der Höhe der vorgeschlagenen Obergrenze für Bargeldzahlungen dürfte die tägliche Schattenwirtschaft hiervon kaum tangiert werden. Für deren Bekämpfung eignet sich daher eher eine höhere Intensität von steuerlichen Prüfungen sowie eine Ausweitung und Förderung von elektronischen Bezahlverfahren", sagt Silke Finken.

In Deutschland gibt es übrigens noch keine Bargeld-Obergrenze, allerdings müssen Bankkunden seit 8. August 2021 bei Bargeld-Einzahlungen über 10.000 Euro einen sogenannten Herkunftsnachweis vorlegen.

Und wie sieht es in anderen Ländern aus? In 60 Prozent der Länder gibt es Obergrenzen für Barzahlungen zwischen 500 Euro und 15.000 Euro, wobei in einigen Ländern Barzahlungen zwischen Privatpersonen ausgenommen sind.

Bargeld vs. Karte und Handy - ein Blick in die Zukunft

Für die Zukunft geht eine Allensbach-Studie davon aus, dass das Bezahlen mit Karte und Handy in Deutschland deutlich zulegen wird. "Vor allem jüngere Altersgruppen haben sich vom Bargeld verabschiedet. Das Zahlen mit Karte oder mit Smartphone ist hier längst verankert", heißt es in der Studie. Doch auch bei den über 60-Jährigen sei der Wandel hin zur Karte bereits zu erkennen. "Durch den Innovationswillen der jüngeren Altersgruppen und allmählichen Annäherung der älteren Generation wird die Zweiteilung beim Bezahlen in Zukunft nach und nach aufweichen."

Volkswirt Frank Bulthaupt geht ebenfalls davon aus, dass Bargeld von Jahr zu Jahr etwas weniger genutzt wird. "Allerdings erscheint eine vollständige Abschaffung des Bargeldes undenkbar: Das Vertrauen in unser Geld, das maßgeblich durch das Bargeld geschaffen wird, wäre dann vernichtet. Die Suche nach einer Alternativwährung wäre dann zu erwarten", sagt er.

Digitaler Euro als Alternative

Auch der Finanzwissenschaftler Ralf Fendel kann sich in absehbarer Zukunft keine Abschaffung des Bargelds vorstellen. "Das Gegenteil ist der Fall. Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, dass sie die Geldscheine überarbeiten will und dafür neue Motive sucht", sagt Fendel.

Gleichzeitig arbeitet die EZB am digitalen Euro. Dabei soll es sich nicht um Giralgeld handeln, wie es auf den Girokonten der Geschäftsbanken liegt. "Der digitale Euro ist eine Forderung gegenüber der Zentralbank. Die Zentralbank wird dafür die gleichen Kriterien wie bei Bargeld anlegen - also kontrollieren, dass jeder digitale Euro einzigartig ist", sagt Fendel.

Technologisch soll es sich zwar um eine Kryptowährung handeln, weil sie verschlüsselt ist. Der Ökonom geht aber nicht davon aus, dass dafür die Blockchain-Technologie des Bitcoin verwendet wird. "Wie genau die Technik aussehen wird, ist noch nicht geklärt. Anfang des Jahres hat die EZB eine Evaluierungsphase zu einer möglichen Technologie gestartet."

Andere Staaten sind weiter

Fendel schätzt, dass die Entwicklung bis zur Einführung des digitalen Euros noch etwa fünf bis zehn Jahre dauert. "Es wird nicht rasch gehen, denn es wird nur eine Chance geben, um das Vertrauen der Nutzer nicht zu verlieren", begründet er.

Abgesehen von kleinen Inselstaaten, wo heute bereits digitale Zentralbank-Währungen genutzt werden, sind auch große Staaten wie China in der Erprobungsphase mit eigenem digitalen Zentralbankgeld. Die schwedische Zentralbank, die nicht zum Euro-Raum gehört, steht ebenfalls kurz vor diesem Schritt.

Langfristig geht Fendel davon aus, dass alle Zentralbanken um diese Art des digitalen Geldes nicht herumkommen. Denn es droht Konkurrenz: "Wenn es Zentralbanken nicht machen, machen es eben Tech-Konzerne wie Facebook mit seinem Diem. Und das wird nicht von den Zentralbanken kontrolliert. Aber ich denke, Geld ist öffentliches Gut und das sollte nicht von Mark Zuckerberg geregelt werden."

Über die Experten: Julia Pitters leitet als Professorin an der IU Internationalen Hochschule den Studiengang Wirtschaftspsychologie.
Frank Bulthaupt ist Professor für Kapitalmärkte und Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management in Bonn.
Ralf Fendel ist Professor für Monetäre Ökonomik an der WHU – Otto Beisheim School of Management.
Silke Finken ist Professorin für Innovation Management und Financial Services an der International School of Management in München.

Mehr Panoramathemen finden Sie hier

Verwendete Quellen:

  • bundesbank.de: Studie aus dem Jahr 2020 über das Zahlungsverhalten der Deutschen
  • Initiative Deutsche Zahlungssysteme: Allensbach-Umfrage zum Bezahlen in Deutschland
  • Schwedischer Handelsrat: Schweden wird bald bargeldlos: Forschungsbericht
  • bundesbank.de: Studie über die Kosten für das Bezahlen
  • Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung: Studie über die Schattenwirtschaft in Deutschland aus dem Jahr 2020
  • Europäische Zentralbank: Der digitale Euro

Geld sparen den ganzen Monat: Diese vier Gewohnheiten kosten unnötig Geld

Am Ende des Monats ist das Konto leer? Das muss nicht sein! Wer diese vier Fehler vermeidet, kann ganz einfach Geld sparen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.