Ex-Biathletin Denise Herrmann-Wick blickt im Gespräch mit unserer Redaktion voraus auf den neuen Weltcup-Winter. Dabei spricht sie über die Chancen des deutschen Teams und verrät, wie sie den ersten Sommer ohne Vorbereitung verbracht hat.
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Denise Herrmann-Wick: Zunächst einmal habe ich noch ein paar Schuss mit meiner Waffe gemacht, bevor ich sie an die Bundeswehr zurückgeben musste. Denn die Berechtigung dafür läuft aus, wenn man seine Karriere beendet. Anschließend stand noch Urlaub an. Natürlich gab es auch weiterhin Sport, aber eben auch viel Zeit mit der Familie. Ich konnte etwas spontaner leben, als es sonst der Fall gewesen wäre. Aber der Hausbau hat schon auch viel Zeit eingefordert.
Wenn die Rennen bald beginnen, juckt es Sie dann in den Fingern oder sind Sie froh, dass Sie Ihre aktive Karriere beendet haben?
Ach, das Trainieren macht mir nach wie vor noch Spaß. Aber eine Karriere im Leistungssport ist nun mal eben endlich. Das war mir schon in den vergangenen zwei, drei Jahren klar. Umso glücklicher und dankbarer bin ich, dass ich so eine schöne letzte Saison haben durfte. Natürlich ist auch ein Stück Wehmut dabei, denn ich habe den Sport wirklich sehr, sehr gerne gemacht. Ich glaube, wenn die Rennen direkt bevorstehen, merke ich noch einmal etwas mehr, dass etwas fehlt. Aber an ein Comeback denke ich deswegen trotzdem nicht (lacht).
Wie werden Sie den Biathlon-Winter im "Ruhestand" verfolgen, nur am TV oder auch vor Ort?
Ich werde bei einigen Rennen als Repräsentantin eines Sponsors vor Ort sein und den Menschen Einblicke in den Biathlon-Zirkus gewähren. Aber es wird schon komisch sein, sich nicht voll auszupowern auf der Strecke und danach dann erschöpft, aber glücklich zu sein.
Wenn man auf die deutschen Frauen blickt, hat sich im Vergleich zum Vorjahr im Weltcup nicht viel verändert in der Zusammensetzung. Wie schätzen Sie, als ehemaliges Teammitglied, die Leistungsstärke bei den deutschen Biathlon-Frauen ein?
Die Mädels sind zum Großteil im "besten Leistungssportalter" rund um die Mitte 20 bis Anfang 30. In der vergangenen Saison sind
Hermann-Wick über Selina Grotian: "Sie kann definitiv überraschen"
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Ich kenne sie nur von meinem letzten Weltcup, als sie Teil des Teams war. Sie hat im vergangenen Winter eine herausragende Saison abgeliefert, in Anbetracht ihres Alters von gerade einmal 19 Jahren. Es ist daher schön, dass sie nun die Chance im Weltcup erhält, aber für sie geht es hauptsächlich darum, Erfahrungen zu sammeln. Es wäre falsch, sie jetzt schon mit massiven Erwartungen zu überhäufen, denn die Leistungsträger sind andere. Aber sie kann definitiv überraschen, das funktioniert aber am besten, wenn man sie zunächst einmal einfach machen lässt. Sie muss Höhen und Tiefen selbst erleben, um den kompletten Lernprozess zu durchlaufen.
In der internationalen Konkurrenz gab es einige Rücktritte, insbesondere im norwegischen Team, wo die dreimalige Olympiasiegerin Marte Olsbü Roiseland aufgehört hat. Wen zählen Sie jetzt zu den größten Favoritinnen für die kommende Saison?
Es gibt drei, vier Namen, die man sicherlich ganz oben auf der Liste haben muss. Danach ist allerdings viel Luft für Überraschungen. Die beiden Italienerinnen Lisa Vittozzi und Dorothea Wierer sind sicherlich ganz vorne dabei. Vittozzi ist bereits wieder richtig gut in Schuss und Wierer besticht durch ihre Konstanz und ihre Erfahrung.
Daneben sind die Schwedinnen zu nennen, die sich von Jahr zu Jahr steigern und brutal hart trainieren. Die Öberg-Schwestern und Linn Persson sind sicherlich die Top-Anwärterinnen aus Schweden. Außerdem glaube ich auch an ein starkes Team aus Frankreich, sofern der Kreditkarten-Skandal rund um Julia Simon ausgeblendet werden kann. Sie haben aber auch einen sehr guten Trainer, der sie sicherlich sportlich top vorbereiten wird.
Bei den Männern gab es in der vergangenen Saison eine große norwegische Dominanz. Wie sehen Sie in diesem Jahr die Chancen des deutschen Teams?
Wenn "Capitano" Benedikt Doll, der konditionell unglaublich stark ist, wieder seinen Flow beim Schießen findet, dann kann er konstant vorne mit dabei sein. Johannes Kühn kann dies ebenfalls, wenn er im Schießen konstante Leistungen zeigt. Vielleicht können sie auch Johannes Tignes Bö das ein oder andere Mal herausfordern. Ich hoffe auf eine Menge Spannung, es könnte aber auch wieder sehr norwegisch werden, was ich nicht hoffe. Aber die Hauptkonkurrenten für Bö kommen eher aus den eigenen Reihen.
Wie sieht Ihr Zukunftsplan aus? Wollen Sie den Biathlon-Sport nur als Fan verfolgen oder doch auch weiterhin nah an der Mannschaft sein?
Das möchte ich mir im Moment noch offenhalten. Wenn Hilfe gebraucht wird, bin ich 24/7 erreichbar, aber ich sehe mich nicht in der klassischen Trainer-Rolle an der Strecke. Mir ist es vor allem wichtig, die Sportart Biathlon weiter populär zu halten und mich mit verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen auszutauschen. Ich werde dem Biathlon immer treu sein. Ich bin noch immer regelmäßig im Stadion in Ruhpolding, vielleicht denkt da auch der eine oder andere, ich habe eine Macke. Aber es interessiert mich einfach, was im Training und in der Vorbereitung passiert.
Über die Person:
- Denise Herrmann-Wick war die erfolgreichste Biathletin der vergangenen Jahre. Sie wurde Weltmeisterin und Olympiasiegerin, nachdem sie zuvor bereits im Langlauf sehr erfolgreich gewesen ist. Nach dem vergangenen Winter hat sie ihre Karriere beendet und lebt in Bayern mit dem Ex-Skilangläufer Thomas Wick.
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