Bei den French Open gewann Tim Pütz zusammen mit der Japanerin Miyu Kato seinen ersten Grand Slam. Vor Wimbledon erzählt er im Interview, was einen guten Doppelspieler ausmacht – und was er besser kann als sein Partner Kevin Krawietz.

Ein Interview

Herr Pütz, seit ein paar Wochen sind Sie Grand-Slam-Sieger, das gelingt nicht vielen Tennisspielern auf der Welt. Aber Hand aufs Herz: Wären Sie lieber ein Top-Einzelspieler geworden?

Mehr Tennis-News

Tim Pütz: Ja, und ich bin sicher, dass das jeder Doppelspieler so sieht. Es gibt eigentlich niemanden, der Profi wird, um hauptberuflich Doppel zu spielen.

Wie hat es sich bei Ihnen entwickelt? Sie waren im Einzel immerhin mal die Nummer 163 der Weltrangliste.

Ich habe zuerst eher nebenbei Doppel gespielt, wurde aber schnell erfolgreicher als im Einzel. Dann stellt man sich irgendwann die Frage: Will ich lieber kleinere Turniere im Einzel spielen oder doch die großen Events im Doppel? Und nachdem ich zu den Grand Slams wollte, habe ich mich schließlich ganz aufs Doppel konzentriert. Das hat sich ausgezahlt: Im Einzel hätte ich sicher keinen Grand-Slam-Titel geholt!

"Tennis ist eine Einzelsportart"

Was macht das Doppel für Sie so spannend?

Tennis ist eine Einzelsportart. Das Doppel ist die einzige Möglichkeit, einen Partner an der Seite zu haben – ich mag diese Einstellung, dass man gemeinsam gewinnt und gemeinsam verliert. Zudem ist Doppel eine wahnsinnige taktische und vor allem temporeiche Disziplin, in der man unglaublich schnell reagieren und immer wissen muss, wo der Partner steht und was als Nächstes passieren könnte.

Worauf liegt für Sie im Training der Fokus?

Neben dem Spiel am Netz definitiv auf Aufschlag und Return. Wenn man im Doppel gut aufschlägt, läuft man kaum Gefahr, ein Break zu kassieren. Das ist schon einmal die halbe Miete. Bringt man die Aufschläge des Gegners auch noch druckvoll zurück, kann man das Match kaum verlieren.

Kann also jeder gute Einzelspieler mit entsprechendem Training auch ein guter Doppelspieler werden?

Auf die meisten trifft das bestimmt zu. Aber es bleiben zwei unterschiedliche Disziplinen, für die man unterschiedliche Dinge – von den Tennisbasics mal abgesehen – gut können muss. Man kann das mit der Leichtathletik vergleichen: Der 100-Meter-Lauf und die 110-Meter-Hürden sind auch beide Sprintdisziplinen. Aber trotzdem müssen die Teilnehmer dafür anders trainieren und kaum jemand kann beides gleich gut.

Neue Herausforderungen und Partner

Was die Partnerwahl betrifft, haben Sie sich kürzlich neu orientiert: Nachdem Sie in den letzten Jahren mit dem Neuseeländer Michael Venus sehr erfolgreich waren, spielen Sie seit einigen Monaten mit Kevin Krawietz. Wie kam das?

Wir hatten in der Vergangenheit schon ein paarmal sehr erfolgreich zusammen für Deutschland Davis Cup gespielt, und dann hat sich das so ergeben. Wir waren beide an einem Punkt, wo wir uns eine neue Herausforderung mit einem neuen Partner vorstellen konnten.

Sie standen gemeinsam schon in zwei Finals, zu einem Turniersieg hat es aber noch nicht gereicht. Sind Sie trotzdem mit den ersten gemeinsamen Monaten zufrieden?

Absolut, es macht viel Spaß. Da geht aber mit Sicherheit noch ein bisschen mehr.

Was kann Kevin Krawietz besser als Sie – und was können Sie besser als er?

Ich würde sagen, Kevin ist am Netz ein bisschen stärker. Ich bin dafür etwas besser von der Grundlinie. Aber das sind Kleinigkeiten, wir begreifen uns eigentlich beide als ziemlich komplette Doppelspieler. Ich würde sagen: Unsere vielleicht größte Stärke ist, dass wir keine echte Schwäche haben.

Wie sieht das neben dem Platz aus? Sie verbringen zwangsläufig sehr viel Zeit miteinander.

Man muss nicht eng befreundet sein, um gut zusammen Doppel spielen zu können. Ich bin aber froh, dass Kevin und ich auch privat Kumpels sind. Wir können offen und ehrlich miteinander kommunizieren, und niemand nimmt dem anderen eine kritische Bemerkung direkt krumm. Natürlich reisen, trainieren, essen wir oft gemeinsam. Aber es ist genauso in Ordnung, wenn man mal zum anderen sagt: Heute will ich Zeit für mich haben.

Klingt, als könnte das eine längerfristige Beziehung werden.

Auf jeden Fall. Ich hätte nichts dagegen, wenn Kevin mein letzter Partner wäre. Als Doppelspieler sind für uns neben den Grand Slams und dem Davis Cup Olympische Spiele die größte Bühne – und die sind nächstes Jahr in Paris. Das ist definitiv eins unserer gemeinsamen Ziele.

Mixed-Titel bei den French Open

Lassen Sie uns noch ein wenig über den Mixed-Titel bei den French Open sprechen. Wie kam es dazu?

Offen gestanden war da neben Können schon auch viel Zufall dabei. Wir hatten eine relativ gute Auslosung, sodass wir in den ersten beiden Runden Zeit hatten, uns aufeinander abzustimmen. Mixed wird außerhalb der Grand Slams ja kaum gespielt, selbst wir Doppelspezialisten trainieren dafür nicht extra. Man geht eben auf den Platz, gibt sein Bestes, und das hat für Miyu und mich in Paris zum Sieg gereicht.

Wie unterscheidet sich denn die Herangehensweise im Mixed von der im Doppel? Ist der Plan, plakativ gesagt: alles auf die gegnerische Frau?

Es stimmt schon, dass wir Männer im Mixed gerade unsere Überlegenheit beim Aufschlag klug einsetzen und die Punkte gegen die retournierenden Frauen auf jeden Fall machen sollten. Aber nur auf die Frauen zu spielen, wäre sicher zu einfach gedacht.

Der Triumph kam auch deshalb überraschend, weil Sie vorher im Mixed kaum ein Match gewonnen hatten.

Stimmt, das lief bisher gar nicht. Ich hatte da immer so eine Art Sperre im Kopf: Ich kann doch die Frau nicht abschießen, ich kann doch auf die Frau nicht extra hart aufschlagen! In Paris habe ich das viel besser hinbekommen und mir einfach gedacht: Das ist ein ganz normales Doppel. Hat offensichtlich super funktioniert.

Und trotzdem starten Sie in Wimbledon nur im Doppel und lassen das Mixed aus. Warum?

Weil die Bundesliga-Saison startet und ich dort für mein Team so viele Punktspiele wie möglich machen will. Wenn Kevin und ich jetzt im Doppel weit kommen und ich deshalb ein Bundesligaspiel verpasse, ist das in Ordnung. Aber für mich hatte die Bundesliga gegenüber dem Mixed schlicht Priorität, daher habe ich dafür in Wimbledon nicht gemeldet. Miyu und ich haben uns aber schon einmal lose für die US Open Ende August verabredet.

Zur Person: Tim Pütz, 35, studierte in den USA dank eines Tennisstipendiums Volkswirtschaftslehre und schloss 2007 mit dem Bachelor ab. Seit 2011 ist er als Profi auf der Tour unterwegs und stand bereits unter den besten zehn Doppelspielern der Weltrangliste. Neben sieben Siegen bei ATP-Turnieren ist sein prestigeträchtigster Erfolg der Mixed-Titel bei den French Open 2023 gemeinsam mit der Japanerin Miyu Kato.
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.