Wladimir Klitschko hat die wohl schmerzhafteste Niederlage seiner Karriere einstecken müssen. Der 39-Jährige war gegen Tyson Fury chancenlos und verlor alle drei WM-Gürtel. Doch so bitter der Samstagabend aus Sicht des Ukrainers auch war: Ein Rücktritt wäre der völlig falsche Schritt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar

Es gibt keine zwei Meinungen: Wladimir Klitschko war gegen Tyson Fury der klar schlechtere Boxer. Die Niederlage und der Verlust aller drei WM-Gürtel überraschte - vor allem in ihrer Deutlichkeit.

Mehr News zum Thema Sport

Vitali Klitschko, der ältere Bruder, brachte das Gesehene hervorragend auf den Punkt: "Im Ring fehlte alles. Wladimir hat nichts gezeigt. (...) Geschwindigkeit – nicht da. Kondition, Power – nicht da. Schläge – nicht da. Distanzgefühl – nicht da. Eine Idee, den Kampf zu drehen – nicht da."

Die erste Niederlage nach elf Jahren ruft nun reflexartig die Frage nach einem möglichen Rücktritt hervor. Überraschend kommt diese bei einem 39-Jährigen nicht. Erst recht nicht, weil Klitschkos Kritiker auf diesen Moment nur gewartet zu haben scheinen. Seit Jahren behaupten sie, dass Klitschko kein würdiger Weltmeister sei, dass der erste "richtige Gegner" ihn aus dem Ring prügeln würde

Das Desaster von Düsseldorf bestätigt ihre Theorien.

Doch warum sollte Klitschko ausgerechnet jetzt zurücktreten? Natürlich ist die Zeit für jüngere, frischere, andere Boxer gekommen, natürlich wird Klitschko bald seine Handschuhe an den Nagel hängen. Und zweifelsohne würde ein Rückkampf - dann auch noch in fremder Halle - ein schweres Unterfangen werden.

Gegen Furys unorthodoxen Boxstil, die aufreizende Lässigkeit, die dauerhaften Provokationen, die beeindruckende Schlagkraft und die große Reichweite braucht man nicht nur Klasse - sondern vor allem einen Plan. Der fehlte Klitschko in Düsseldorf komplett. Doch mit einer auf den Gegner angepassten Taktik hätte Klitschko in einem Rückkampf mit Sicherheit eine Chance auf den Sieg. Dass er gut genug ist, hat er in der Vergangenheit immer und immer wieder bewiesen.

Ein Rücktritt macht keinen Sinn

Aus Klitschkos Sicht macht ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt einfach keinen Sinn. Denn dann würde er als Verlierer gehen, als geschlagener Sportler, als betagter Boxer, der den richtigen Moment des Absprungs verpasst hat.

"Mit so einem Kampf werde ich definitiv meine Karriere nicht beenden", sagte Klitschko - vor elf Jahren. Nach jener mysteriösen Nacht im April 2004, als er in Las Vegas von Lamon Brewster aus dem Ring geprügelt wurde, nachdem ihm vor dem Fight K.o.-Tropfen ins Getränk gemischt worden sein sollen. Das FBI ermittelte, bewiesen wurde nichts.

Vor elf Jahren stand Klitschko mit dem Rücken zur Wand - und boxte weiter. So sollte er es heute wieder tun.

Denn: Wladimir Klitschko hat nichts mehr zu verlieren. Nimmt er sein Recht auf einen Rückkampf wahr und verliert, geht er (immer noch) als geschlagener Ex-Champ in Rente. Tritt er jedoch erneut gegen Fury an und holt sich die drei WM-Gürtel zurück, ist er der gefeierte Held. Der Boxer, der seine Kritiker ein für alle Mal zum Schweigen gebracht hat.

Etliche Box-Champions mussten herbe Niederlagen einstecken, kehrten dann stärker denn je zurück - und wurden damit zu Legenden ihres Sports.

Wladimir Klitschko hat nun die Chance zu beweisen, dass er ebenfalls aus solchem Holz geschnitzt ist.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.