Innerhalb weniger Tage hatten kürzlich mit Nathan Van Hooydonck (Jumbo-Visma) und Wesley Kreder (Cofidis) zwei Radprofis mit Herzerkrankungen zu kämpfen, mussten zwischenzeitlich sogar um ihr Leben fürchten. Die kurz aufeinander folgenden Krankheitsfälle werfen Fragen auf: Sind Radsportler besonders häufig von kardiologischen Erkrankungen betroffen? Und was kann man präventiv tun?
Die Radsportwelt ist immer noch in Schock: Im September verursachte Profi Nathan Van Hooydonck nach einem Herzstillstand einen Verkehrsunfall. Das Mitglied des Teams Jumbo-Visma hatte die Kontrolle über sein Auto verloren. Während seine Lebensgefährtin unverletzt blieb, musste der 27-Jährige in ein künstliches Koma versetzt werden. Inzwischen geht es dem Belgier den Umständen entsprechend gut, dennoch hat er inzwischen sein Karriereende bekannt gegeben.
Zufall, dass nur kurz zuvor - Ende August - auch der 32-jährige Wesley Kreder einen Herzinfarkt erlitt? Nachdem er zu Bett gegangen war, wachte der Niederländer am nächsten Tag im Krankenhaus auf. Die Diagnose: Herzmuskelentzündung.
Einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen sieht Samuel Fisser, Teamarzt von BORA-hansgrohe, nicht: "Bei zwei Fällen kann man von einem Zufall ausgehen, da das noch keine wissenschaftlich relevante Menge ist. Trotzdem sollte diese Nachricht natürlich aufhorchen lassen und es sollte untersucht werden, ob genug Prävention gemacht wurde, um solche Ereignisse zukünftig zu minimieren."
Wieder aufs Rad trotzt Vorerkrankung?
Profisportler Kreder erholt sich inzwischen von seinem Krankenhaus-Aufenthalt und will so schnell wie möglich wieder aufs Rad steigen. Doch können die Ärzte das überhaupt guten Gewissens zulassen?
"Das kommt ganz auf die Art einer Vorerkrankung an. Es gibt bestimmte Vorerkrankungen oder angeborene Herzfehler, die gegebenenfalls ein minimales Risiko für ein kardiologisches Ereignis mit sich tragen. Hier müssen die Befunde engmaschig kontrolliert oder auch weiterführende Diagnostik eingeleitet werden. Außerdem muss der Radfahrer über entsprechende Risiken aufgeklärt werden", erklärt Fisser im Interview.
Bei kritischen Befunden könne die finale Freigabe aber auch beim Teamarzt und den behandelnden Kardiologen liegen, erklärt der Mediziner weiter. Das Wohl der Sportler stehe immer an erster Stelle. Ob ein Leistungssportler wieder aufs Rad steigt, liegt also nicht nur in dessen Hand.
Kontrollen sollen das Risiko minimieren
Prävention ist deshalb umso wichtiger. Hier hat der Dachverband "UCI" verbindliche Regeln aufgestellt, welche Diagnostik jährlich stattfinden muss, um vorbelastete Athleten frühzeitig herauszufiltern. Samuel Fisser erklärt: "Vor Beginn der neuen Saison muss jeder Rennfahrer eine gründliche kardiologische Untersuchung über sich ergehen lassen (Ultraschall des Herzens, EKG, Laboruntersuchungen, Belastungs-EKG, Lungenfunktionstests). Bei BORA-hansgrohe werden diese Tests seit einigen Jahren vom Team selbst organisiert, damit wir vergleichbare Untersuchungsergebnisse und eine hohe Qualität der Befunde gewährleisten können."
Doch nicht nur vor der Saison werden die Sportler kontrolliert, auch während der Rennen schauen die Ärzte ganz genau hin. Vor allem nach viralen und bakteriellen Infekten besteht ein erhöhtes Risiko für Herzmuskelentzündungen.
Die Vergangenheit zeigt: Herzerkrankungen keine Neuheit
Van Hooydonck und Kreder waren allerdings keinesfalls die ersten Radprofis mit Herzproblemen. Schaut man in die Geschichtsbücher, stößt man auf diverse Fälle. Zwischen 2018 und 2020 starben mit Michael Goolaerts und Nicolas Portal zwei Fahrer an einem Herzinfarkt, 2022 beendeten Heinrich Haussler und Sonny Colbrelli ihre Karriere wegen einer Erkrankung am Herzen. Auffallend: Viele der bekannten Fälle betreffen junge Sportler zwischen 17 und 40 Jahren.
Eine erhöhte Tendenz hin zu mehr kardiologischen Erkrankungen im Radsport kann unser Experte allerdings nicht bestätigen: "In Bezug auf die allgemeine Belastung des kardiovaskulären Systems lässt sich der Radsport mit wenigen anderen Sportarten vergleichen. Der Radsport hat aber im Vergleich zu anderen Ausdauersportarten eine viel höhere mediale Aufmerksamkeit und deutlich mehr professionelle Athleten, die letztendlich natürlich auch viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen."
Eine veränderte Wahrnehmung sieht der Mediziner allerdings durchaus: "Subjektiv kommt es mir aber so vor, als ob wir in den letzten Jahren vermehrt relevante Herzprobleme gesehen haben. So ein 'Gefühl' sollte dann aber wissenschaftlich untersucht werden, bevor man Schlüsse daraus ziehen kann."
Über die Person:
- Samuel Fisser ist Arzt im BG Klinikum in Hamburg und spezialisiert sich dort auf Rehabilitationsmedizin und interdisziplinäre Sportmedizin. Seit fünf Jahren begleitet er verschiedene Radsportteams als Arzt, aktuell ist er einer der Teamärzte von BORA-hansgrohe.
Verwendete Quellen:
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