- Am vergangenen Donnerstag verunglückte der Skiflug-Weltmeister Daniel André Tande auf der Schanze in Planica schwer. Mittlerweile ist der Norweger nach seinem Sturz aus dem künstlichen Koma erwacht.
- Der frühere Skiflug-Weltmeister und Weltrekordhalter Andreas Goldberger analysiert im Gespräch mit unserer Redaktion Tandes Sturz und das Risiko beim Skifliegen.
- Goldberger hält noch deutlich weitere Sprünge bis an die 300 Meter für möglich, glaubt aber nicht, dass die FIS in den nächsten Jahren die Regeln ändern wird.
Wohl kaum eine Sportart ist so ästhetisch und schön anzuschauen wie Skifliegen. Sekundenlang segeln die Springer fast geräuschlos durch die Luft, um dann nach Flügen von weit über 200 Metern zu landen. Dass der Sport aber auch eine brutale, erschreckende Seite hat, zeigte sich in der vergangenen Woche, als der Norweger
Der Skiflug-Weltmeister von 2018 rutschte nach einem harten Aufschlag bewusstlos den Hang herunter, er musste erstversorgt und künstlich beatmet werde. Das Wochenende über lag der 27-Jährige im künstlichen Koma. Mittlerweile gibt es glücklicherweise Entwarnung, Tande ist erwacht und ansprechbar. Der Sturz verdeutlichte aber einmal mehr, wie gefährlich der Sport und die Jagd nach immer größeren Weiten ist.
"Es war ein kleiner Fehler, den er gemacht hat", analysiert Andreas Goldberger im Gespräch mit unserer Redaktion: "Er hat bei etwa 50 Metern etwas zu viel mit der linken Schulter gegen den linken Ski gedrückt. Auf der Normalschanze oder Großschanze korrigiert man das, dann geht es weiter. Aber auf Skiflugschanze ist das zu viel."
Daniel André Tande geht oft ans Limit
Tande ist bekannt für seinen ungestümen Sprungstil, der ihm schon große Erfolge einbrachte. "Wenn er ein bisschen weniger macht, stürzt er nicht, springt aber auch 30 Meter kürzer. Man muss da sehr ans Limit gehen. Das war hier zu viel", schildert Goldberger, der 1996 Weltmeister im Skifliegen war.
Letztlich seien die Sprünge immer eine Gratwanderung, sagt der Österreicher: "Durch die hohen Geschwindigkeiten sind die Luftkräfte so viel stärker, da wirkt sich ein kleiner Fehler gleich so viel mehr aus. "
Die großen Weiten sind es, die das Skifliegen für die Athleten und auch die Zuschauer so aufregend machen. Gleichzeitig beginnt immer nach schweren Unfällen und Stürzen eine Diskussion über das Risiko der Sportart und die Jagd nach immer neuen Rekorden, die das Skifliegen noch gefährlicher macht.
"Für höhere Weiten brauchst du höhere Geschwindigkeiten. Je weiter man springt, umso höher sind die Luftkräfte. Je schneller du in der Luft bist, umso mehr Kräfte wirken auf den Körper", erklärt "Goldi", dem 1994 der erste Flug über 200 Meter gelang und der im Jahr 2000 einen Weltrekord über 225 Meter aufstellte.
Die Athleten müssen die Gefahr verdrängen
Der 48-Jährige erlebte 1999 aus nächster Nähe den schweren Sturz des Russen Waleri Kobelew mit, der am Hang reanimiert werden musste und einen Luftröhrenschnitt bekam. Danach zu springen, sei kein schönes Gefühl gewesen, erzählt Goldberger.
Aber letztlich müssten die Sportler die Gefahr verdrängen. "Das muss man", sagt der zweimalige Gewinner der Vierschanzentournee: "Du bist dir der Gefahr bewusst, was passiert, wenn du einen Fehler machst oder es einen Materialbruch gibt. Sowas kann immer passieren, aber da darfst du gar nicht dran denken. Ein Formel1-Fahrer oder ein Motorradfahrer wird auch nicht daran denken, dass er voll in die Mauer fährt, wenn die Bremsen versagen. An sowas darfst du nicht denken. Du weißt selber, wenn die Windbedingungen und die Verhältnisse gut oder normal sind und du keinen Fehler machst, sollte nichts passieren."
Der Österreicher Stefan Kraft hält aktuell den Weltrekord im Skifliegen mit einer Weite von 253,5 Metern. Vor einigen Jahren änderte der internationale Skiverband FIS das Limit für Skiflugschanzen, der maximale Höhenunterschied zwischen Schanzentisch und Auslauf wurde von 130 auf 135 Meter erhöht, was größere Weiten erlaubt. Unter den aktuellen Bedingungen scheint die Rekordjagd aber schon fast ausgereizt, Goldberger glaubt, dass es noch maximal zwei Meter weitergehen könnte.
Gibt es irgendwann einen Sprung über 300 Meter?
"Ich bin überzeugt, wenn es größere Schanzen geben würde, könnte man noch viel weiter springen. Die Athleten würden sich sogar freuen. Aber irgendwo wird eine Grenze sein, wo der Körper die Kräfte nicht mehr aushalten kann", sagt Goldberger. Die nächste magische Marke wären die 300 Meter, für die allerdings nochmals deutlich größere Schanzen benötigt würden.
"Jeder will der erste sein, der 300 Meter springt. Die Athleten sind so positiv verrückt. Erst denkt man, wie weit komme ich. Dann fragt man sich, ob das überhaupt sicher ist. So tickt ein Athlet", erzählt der Ex-Skispringer.
Andi Goldberger glaubt aber nicht, dass die FIS die Vorgaben für die Schanzen in den nächsten Jahren ändern wird. Wettkämpfe wie am vergangenen Wochenende in Planica mit Weiten von über 240 Metern sind schließlich auch so spektakulär genug. Und einen so fürchterlichen Sturz wie den von Daniel André Tande möchte niemand so schnell wieder sehen.
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