Michael Hofmanns Weg in die Bundesliga war alles andere als vorgezeichnet, doch der Junge aus Bayreuth hat ihn sich erarbeitet. Jahrzehnte später ist es Hofmann selbst, der als ehemaliger Profi sein Wissen und seine Erfahrung in die Jugendarbeit steckt - und dabei feststellt, dass es zunehmend an Werten und Ehrenamtlichen fehlt, nicht aber an Eltern, die es besser wissen wollen. Im Gespräch mit unserer Redaktion arbeitet er allerdings noch andere Probleme in der Nachwuchsförderung heraus.
Wie schwer der Weg in den Profifußball ist, weiß Michael Hofmann aus eigenem Erleben. "Ich bin ein Kind vom Land, gebürtig aus Oberfranken (Bayreuth, Anmerk. d. Red.), das einen schwierigen Weg hatte, sich den Traum vom Profifußballer zu erfüllen." Hofmann habe über "weniger Talent" verfügt, dies aber durch "Werte und Normen, die für uns entscheidend waren in dieser Zeit, in den 80er Jahren", ausgeglichen.
Als mehrfach lizenzierter Trainer und Sportlicher Leiter in der Bayerischen Fußball-Akedemie arbeitet Hofmann seit 2022 mit seiner Erfahrung und seinem Wissen daran, auch über Werte und Normen es heutigen Talenten zu erleichtern, Schritt für Schritt auf deren Traum, mal in der Bundesliga aufzulaufen, zuzugehen und sich diesen zu erfüllen.
Bettina Heldt steht der Bayerischen Fußball-Akademie seit 2022 vor
Dabei steht Hofmann auch mit Marcel Strasser, seinem Vorgänger als Sportlicher Leiter und Mitbegründer der BFA im Jahr 2015 in Waldperlach, im regelmäßigen Austausch. Seit dem Jahr 2022 hat die Geschäftsführung der Akademie Bettina Heldt inne.
Hofman verfolgt im Umgang mit den Kindern und Jugendlichen eine klare Grundidee und Philosophie. "Acht- oder neunjährige Kinder, aber auch Kinder mit elf oder zwölf Jahren", führt Hofmann aus, "brauche ich nicht mit Taktik zu überladen. Ich erlebe immer wieder junge Trainer, die nur mit dem Taktik-Board durch die Gegend laufen und nicht die richtige Ansprache finden. Mir geht es um Techniken. Das ist beim Torhüter-Spiel noch viel extremer."
Das A und O sei das Üben, das ständige Wiederholen einfachster Elemente. "Mir geht es um die Einfachheit. Es geht um Koordination, um Beidfüßigkeit, um Schnelligkeit, es geht um eine hohe Zahl an Wiederholungen. Passen, Torschüsse und Positionsveränderung."
Die Ausbildungs-Maxime von Ajax Amsterdam spricht Hofmann an
Hofmanns Philosophie kommt nah, was seit Jahrzehnten Ajax Amsterdam zu einem der erfolgreichsten Ausbildungsklubs weltweit macht. Das Sichtungskonzept des niederländischen Rekordmeisters fußt auf vier Säulen: Technik, Intelligenz, Persönlichkeit und Schnelligkeit. Durch die "tolle Hospitanz" seines Freunds und Kollegen Sascha Bigalke - einst Profi in Berlin, Köln und Unterhaching - im November 2023 in Amsterdam, kam Hofmann mit der erfolgreichen Ajax-Philosophie enger in Kontakt. "Die Folie von Ajax Amsterdam hat mich beeindruckt."
Aber nicht nur in der Jugendarbeit von Ajax gilt: Am Anfang steht die Beherrschung des eigenen Körpers, dann die Beherrschung des Balles, des Zusammenspiels und des zur Verfügung stehenden Raumes. Über den Spaß am Spiel findet die fußballerische Entwicklung der Kinder statt. "Talent haben viele Kinder, aber Talent alleine reicht nicht. Ich kann mit acht Jahren nicht sagen: 'Das ist ein linker Innenverteidiger.'"
Immer wieder betont Hofmann die Bedeutung der "sozialen Komponente" und der "Werte, die aus dem Elternhaus gelebt werden" als elementare Bestandteile der Arbeit mit den Kindern, unabhängig von einer möglichen späteren Karriere als Profifußballer. "Mittlerweile aber wollen Eltern eine brutale Dominanz ausstrahlen", kommt Hofmann auf ein Thema zu sprechen, das ihn seit Jahren und den Jugendfußball allgemein an jedem Wochenende beschäftigt.
Von Teilen der Eltern werde "immer nur das Negative" gesehen, permanent genörgelt und immer wieder kritisiert. Seitens der Akademie-Trainer und -Ausbilder gehe es darum, "Dinge einzuleiten für die professionellen NLZ (Nachwuchsleistungszentren, Anmerk. d. Red.)-Vereine wie 1860, Bayern, Unterhaching, Augsburg, Ingolstadt und so weiter. Die lassen von Seiten der Eltern so auch nicht mit sich umgehen." Hofmann nennt es "reincoachen": "Diese Eltern schaden ihren Kindern, sie blockieren sie. Sie lassen sie nicht machen, und damit legen sie auch uns als Ausbildern so manchen zusätzlichen Stein in den Weg."
Im Training sollen die Kinder und Jugendlichen nur auf ihre Trainer hören
Hofmann unterstreicht den mit seinen Trainer-Kollegen für die BFA-Teams aufgebauten Kodex: "Wenn die Kids, die Jugendlichen ins Training gehen, dann haben die Trainer die Verantwortung. Die Eltern können immer gerne beobachten, können uns Infos geben zum Tagesstand des Kindes, zu Problemen in der Schule oder vielleicht Krankheiten. Aber bitte kein Selbstcoaching. Das ist respektlos." Was natürlich nicht für alle Eltern gelte: "Es gibt auch tolle Eltern und Hilfestellung", unterstreicht Hofmann. "Sonst wäre das alles gar nicht möglich."
Hofmann betont, in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen und seinen Kollegen gerne "ein Feuer zu entfachen, wenn ich die vertrauten Personen um mich habe. Aber diese negativen Stressmomente brauche ich nicht. Wir leben jedoch in einer Gesellschaft voller Neidkultur."
Eine Respektlosigkeit anderer Art ist der öffentliche Reflex, nach vergleichsweise erfolglos verlaufenen WM- oder EM-Turnieren der A-Nationalmannschaft mit dem Finger auf die vermeintlich verfehlte Arbeit mit dem Nachwuchs zu zeigen. Dies geschah angesichts des enttäuschenden Verlaufs der WM 2018, der EM 2021 und der WM 2022 aus deutscher Sicht zuletzt regelmäßig. "Genau das stört mich natürlich auch", gesteht Hofmann. "Aber das Glas ist ja nie nur halb leer, sondern es ist auch immer halb voll. Das ist diese emotionale Schiene."
Der DFB muss über gute Ansätze hinauskommen
Fußball-Deutschland hat aus Hofmanns Sicht im Jahr der Heim-EM "einen riesen Nachwuchs. Dieser wird geleitet und beeinflusst von der Form der beliebtesten Mannschaften. Natürlich spiegelt die Nationalmannschaft." Der DFB sei nach Jahren der Versäumnisse in der Jugendarbeit zwar "aufgewacht", werde "aktiver" und gehe in Sachen Ausbildung wieder stärker als in der Vergangenheit auf die Landesverbände zu. "Ich sehe mir unheimlich gerne die Vorträge von Hannes Wolf (seit 2023 Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung des DFB, Anmerk. d. Red.) an. Sie predigen das. Jeden Tag." Hofmann aber sagt auch klar: "Die DFB-Nachwuchsausbildung ist aufgrund fehlender Ideen und Philosophien der Vereine sicher nicht hervorragend. Noch dazu werden Talente von den großen Vereinen oft nicht eingesetzt." Gerade auch bei seinem Ex-Verein 1860 beobachtet Hofmann, dass der Mut fehle, auf Eigengewächse zu setzen. Stattdessen würden permanent fertige Spieler anderer Klubs eingekauft.
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Zudem fehle es vielen Vereinen an der Basis seit Jahrzehnten an der personellen Power, an Kapazitäten im Bereich des Jugendtrainings. Hofmann appelliert: "Umso wichtiger ist es, dass man diesen Leuten, die sich mit Leidenschaft und Hingabe der Juniorenausbildung verschreiben, Vertrauen schenkt und geduldiger bleibt." Zudem müsse auf die "Grundelemente" wieder mehr Wert gelegt werden. Dazu gehört für Hofmann zuallererst eine "vernünftige, klare Ansprache. Du musst der Freund und Verbündete des jeweiligen Kindes sein."
Über den Gesprächspartner
- Der ehemalige Bundesligatorhüter Michael Hofmann widmet sich seit April 2022 als Trainer der Bayerischen Fußball-Akademie der Ausbildung des Nachwuchses bis zur Altersstufe U14. Hofmann, der 14 der 22 Jahre seiner Karriere beim TSV 1860 München verbrachte, ist seit 2023 als Sportlicher Leiter in der Akademie zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Torwarttrainer und Trainer der U10- bis U13-Jahrgänge einem Team aus lizenzierten Ausbildern und Trainern übergeordnet, die derzeit vier Auswahlen betreuen. Das Credo des 51-Jährigen lautet: mehr Technik als Taktik, und gesellschaftliche Werte vermitteln. Hofmann gehört als Experte auch dem Kommentatorenteam des Streamingdienstes DAZN an.
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