Die deutschen Kleinfeld-Fußballer bestreiten Ende des Jahres ihre WM im Oman. Der Verband profitiert von Baller und Icon League, sieht neben Chancen aber auch Herausforderungen für die Zukunft. Wir haben mit dem DKFV-Präsidenten Christoph Köchy gesprochen.

Ein Interview

Herr Köchy, sind Icon League und Baller League für den Deutschen Kleinfeld-Fußball-Verband (DKFV) Fluch oder Segen?

Christoph Köchy: Mehr Segen als Fluch. Wir führen wie fast jede andere Sportart neben König Fußball eine Art Nischen-Dasein. Durch die beiden Ligen erleben wir eine deutlich höhere Präsenz, weil rund 90 Prozent unseres Kaders Woche für Woche in diesen Ligen spielt und die Nationalspieler dort die entscheidenden Akteure sind.

Was ist der Fluch?

Dass der Anspruch der Spieler stark wächst, obwohl sie eigentlich nur Amateure sind. Wir müssen als Verband enorm abliefern, wenn wir zu einem Event fahren. Der eine oder andere sagt dann, er hätte noch gerne sein Zugticket oder fragt, warum er noch kein Trikot mit seinem Namen und den extra Physiotherapeuten hat. Und das wird nochmal befeuert durch die Gehälter, die in den beiden Ligen gezahlt werden.

Die Ligen funktionieren. Warum sind sie mit dem Kleinfeld-Fußball über Jahre in der Nische geblieben?

Wenn einer der größten deutschen Fußballer, Toni Kroos, und einer der größten Streamer des Landes, Elias Nerlich, die Icon League gründen, haben die ganz andere Startvoraussetzungen. Wir haben das 2012 ohne einen Investor gemacht, also praktisch ohne Geld bei null angefangen und es organisch wachsen lassen. Dann ist es schwierig, diese Reichweite zu bekommen.

DKFV setzt weiter auf organischen Weg

Warum haben Sie nach dem Erfolg der Baller League nicht so etwas Ähnliches aufgezogen oder legen jetzt nach?

Wir setzen weiter auf den organischen Weg, weil wir davon überzeugt sind, dass der langfristig funktioniert. Wenn bei der Baller League oder der Icon League das Interesse sinkt, wenn die Reichweiten etwas weniger werden oder ein großer Sponsor abspringt, dann müssen sie beweisen, dass sie einen langen Atem haben.

Was hat die Kleinfeld-Nationalmannschaft zu bieten?

Für sein Land zu spielen, ist immer noch eine Ehre, auch bei uns. Ein weiterer Faktor ist das Touristische. Die WM findet Ende November im Oman statt, und die ganze Reise wird von Sponsoren übernommen. Wir waren bereits an diversen, besonderen Orten, wo man sonst gar nicht hingekommen wäre als Spieler.

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Wie schwierig ist die Sponsorensuche heutzutage, wenn man in der Nische steckt?

Das wird durch die beiden Ligen ein bisschen besser, weil das Thema größer wird. Das öffnet Türen, weil die Geldgeber hoffen, davon zu profitieren, dass auch die Nationalspieler immer bekannter werden. Aber wir sind nicht annähernd in den Sphären unterwegs wie Baller oder Icon League. Knossi, Montana Black, Elias Nerlich oder Toni Kroos rufen andere Unternehmen an als wir. Aber die rund 20 Turniere in den vergangenen zwölf Jahren konnten wir immer finanzieren. Und Weltmeister kann man nur bei uns werden.

Werden denn Synergien mit den beiden Ligen geschaffen?

Das läuft stark an. Ich manage zum Beispiel ein Team in der Icon League. Unser Co-Trainer Dominic Reinhold spielt bei Gönrgy Allstars in der Baller League und unser Videoanalyst Justus Lemp ist dort Trainer. Die beste Synergie ist es aber, Woche für Woche die besten Spieler sehen und rekrutieren zu können, weil man einfach einen engeren Draht hat. Und wir sehen, wie die Jungs unter Druck agieren, denn die spielen nicht vor 250 Zuschauern in der Oberliga, sondern vor einer Million Fans in den Streams.

Landesliga ist nicht mehr genug

Wie hoch ist das fußballerische Level in der Nationalmannschaft?

Wir haben schon Regionalligaspieler dabei gehabt. Das Level insgesamt ist so hoch geworden, dass Landesliga schon nicht mehr reicht, das Niveau liegt in etwa bei Oberliga. Wir veranstalten Scouting Days, aber in der Regel müssen wir einen Riegel vorschieben, weil sehr viele Leute spielen wollen. Fünf-, sechsmal trifft sich die Nationalmannschaft im Jahr, und der erweiterte Kader besteht aus 20 bis 25 Spielern. Zu EM oder WM fahren wir allerdings mit maximal 15 Spielern.

Und wie ist die Qualität bei WM oder EM?

Im Schnitt herrscht ein sehr hohes Oberliga- bis durchschnittliches Regionalliga-Level. Ich würde uns auf Platz fünf bis sechs in der Welt einstufen. Wir gehören zu denjenigen, die immer mal gewinnen können, aber Brasilien, Kasachstan, Polen und die Ukraine sind im Moment ein bisschen vor uns.

Was muss man denn auf dem kleinen Feld besonders gut können?

Der größte Unterschied zum Feld ist die Handlungsschnelligkeit. Es herrscht eine konstante Pressingsituation, man wird förmlich gejagt. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass die meisten zentralen Mittelfeldspieler diese Art von Fußball sehr, sehr gut können, weil sie das auf dem großen Feld auch machen müssen. Der klassische Mittelstürmer oder der Innenverteidiger zum Beispiel haben oft das Feeling oder die Fähigkeiten gar nicht für diese speziellen Situationen auf dem Kleinfeld. Die guten Großfeld-Spieler brauchen oft drei, vier Lehrgänge, bis sie die Kleinfeld-Philosophie verstanden haben.

Wie setzt sich so eine Mannschaft idealerweise zusammen, wenn man die Topstars nimmt?

Aus Deutschland Typen wie Toni Kroos, Florian Wirtz oder Jamal Musiala, dazu vorne Mario Götze oder Kai Havertz. Und dann auch eher Lionel Messi als Cristiano Ronaldo.

WM? "Die wollen wir gewinnen"

Wie lautet die Zielsetzung für die WM?

Die wollen wir gewinnen, weil wir jetzt von dem Ligen-Unterbau profitieren. In der Baller League wird fast das gleiche System gespielt. Da haben wir sehr, sehr viele gute Akteure, die früher U-Nationalspieler waren. Es muss daher das Ziel sein, jedes Spiel zu gewinnen. Aber natürlich wird es ab dem Viertelfinale 50/50-Spiele geben, in denen Kleinigkeiten entscheiden. Aber wir versuchen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, am Ende ganz oben zu stehen.

Die Baller League ist in der zweiten Saison, die Icon League absolviert ihre erste. Wie sehen die Herausforderungen für den DKFV aus? Sind Kooperationen mit Streamern eine Option?

Ja, genau das geht so langsam los. Wir versuchen, ein oder zwei Content Creator einzubinden. Vielleicht nehmen wir sie auch mit in den Oman. Insgesamt wollen wir das Netzwerk noch mehr nutzen. Das passiert in den nächsten Monaten leichter, weil man in diesem System drin ist.

Die Herausforderungen der beiden Ligen

Wie langlebig sind Icon League und Baller League und damit auch der Kleinfeld-Fußball?

Das ist die Frage, mit der wir uns seit vielen Wochen auseinandersetzen, auch mit den Liga-Verantwortlichen. Denn die entscheidende Sache ist Identifikation: Die Teams aus den beiden Ligen müssen sich eine Fanbase aufbauen. Das muss kommen, denn im Moment gibt es noch diesen "Das ist neu"-Effekt, alles ist cool. Nach ein paar Saisons muss der Effekt einsetzen, dass ich ein Team habe, dem ich folge, nicht nur dem Creator. Die Teams müssen zu Marken werden.

Wie schnell muss das konkret gehen?

Über drei bis vier Saisons. Wenn es fünf Jahre oder länger dauert, kann es sein, dass der Hype schon wieder vorbei ist. Diesen nächsten Schritt müssen die Ligen schaffen.

Wie sieht es denn beim Vorreiter Kings League in Spanien aus?

Aus Spanien hört man, dass das Interesse ein bisschen abnimmt, weil es immer das Gleiche ist. Sie versuchen sich deshalb mit neuen Ideen neu zu erfinden. Auch die Kings League braucht Fanbases, damit sie nachhaltig bleibt. Wir als Deutscher Kleinfeld-Fußball-Verband haben den Vorteil, dass die Identifikation mit Deutschland bereits vorhanden ist.

Wie groß ist denn der Unterschied zum Futsal und gibt es da keine Kooperation mit dem DFB, der eine Liga und eine Nationalmannschaft hat?

Es gibt im Moment keine Zusammenarbeit, aber einen sehr positiven Austausch. Wir denken gemeinsam lose darüber nach, gemeinsame Events auf die Beine zu stellen. Futsal und Kleinfeldfußball komplett zu kombinieren, ist keine Option, weil es dann doch sehr unterschiedliche Sportarten sind, da es andere Regeln und andere Voraussetzungen gibt. Der beste Futsaler ist nicht immer automatisch der beste Kleinfeldspieler und umgekehrt.

Über den Gesprächspartner

  • Christoph Köchy hat 2005 die Uni-Liga in Deutschland gegründet, ist Präsident des Deutschen Kleinfeld-Fußball-Verbandes und Mitglied des Exekutivkomitees der International Socca Federation.


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