Wer hierzulande an die heilige Kuh Fußball heran möchte, muss einen langen Atem mitbringen. Diskussionen sind von Emotionen, nicht von Sachkenntnis geprägt. Das erfährt DFB-Direktor Hannes Wolf gerade beim Thema Kinderfußball. Doch der Neue beweist schon jetzt, dass er einen langen Atem hat – und die nötige Überzeugung mitbringt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Seit gut sechs Wochen ist Hannes Wolf nun Direktor Nachwuchs, Training und Entwicklung beim DFB, und bei einer neuerlichen Pressekonferenz betont der 42-Jährige noch einmal, wie wichtig es sei, dass über den Kinderfußball in Deutschland endlich geredet werde. Er tut das mit einem Schmunzeln, denn natürlich weiß er, welche Frage ihn gleich erwartet: Was er von der öffentlichen Kritik Hans-Joachim Watzkes an den Konzepten gehalten habe?

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Dankeskärtchen für Aki Watzke

Nach Wolfs Antwort muss man davon ausgehen, dass nicht viel gefehlt hat, damit der sich bei Watzke mit einem Kärtchen bedankt. Sein Auftreten am DFB-Campus offenbart zudem erneut, wie geduldig der neue Direktor mit Menschen und Prozessen gleichermaßen ist. Er wirkt nicht wie einer, der sich so leicht die Laune verhageln, geschweige denn den Mut nehmen lässt.

Bereits Wolfs Auftreten bei seinem offiziellen Amtsantritt im August war positiv einnehmend, der zweite Termin vor Medienvertreter*innen ist auch deshalb wertvoll, weil Wolf mit seinen Mitstreiter*innen Antonio Di Salvo, Hanno Balitsch und Sabine Loderer, allesamt zugehörig im Kompetenz-Team, inhaltlich noch einmal sehr viel konkreter wird. Der Neue, der im DFB ja fast ein alter Hase ist, hat verinnerlicht: Man muss die Leute da abholen, wo sie stehen. Ganz besonders bei einem Thema, das so emotional diskutiert wird, wie Fußball.

Kinderfußball ist keine Raketenphysik

Was inhaltlich eigentlich zählt, gehe in der Emotionalität häufig verloren, hat Wolf festgestellt. Er betont, die Diskussion über Kinderfußball habe man bislang hierzulande nicht etwa falsch geführt – sondern gar nicht. Was auch das Dankeskärtchen im Sinn an Aki Watzke erklärt, der das Thema vermutlich stärker ins Rampenlicht geholt hat, als jede Erklärstunde – und das ist positiv gemeint – es vermocht hätte. Wo es schon mal da ist, kann man es nun auch näher beleuchten und diskutieren: Und das passiert jetzt. Siehe da, es ist keine Raketenphysik.

Dass die Position und die Ballkontakte zusammenhängen, hat sich womöglich herumgesprochen. Training in kleinen Formationen wirkt dem entgegen, bezieht alle intensiv ein. Die Diskussion, den Kindern werde etwas weggenommen, ist von Unkenntnis geprägt. Eher könnte man sich fragen, ob Eltern etwas fehlt, wenn sie nicht eingreifen können mit dem Taktikwissen, dass sie sich bei der Sportschau angeeignet haben – und das sie dem Nachwuchs als Trainingskiebitze vom Spielfeldrand bei den Einheiten mitgeben wollen.

Ballkontakte für alle erhöhen

Balitsch und Di Salvo, beide über ihre eigenen Kinder zu nebenamtlichen Nachwuchstrainern geworden, geben außerdem zu bedenken, dass oft mit wenig Platz gearbeitet werden muss: Trainingsplätze sind ein rares Gut. Wer Gruppen in viele kleine Formationen einteilt, hält alle in Bewegung. Es braucht eigentlich nicht viel, um diese Konzepte zu verstehen, die übrigens für Jungs und Mädchen gleichermaßen gelten, wie Wolf und Loderer unterstreichen.

Alle betonen unisono, die Rückmeldungen aus Gesprächen ebenso wie aus Terminen mit den U-Trainern der Nachwuchsleistungszentren seien überwältigend positiv. Wer noch fremdelt, den würde Hannes Wolf vermutlich auch in Tür-zu-Tür-Gesprächen auf jedem Dorf des Landes inhaltlich abholen. An Überzeugung mangelt es ihm jedenfalls nicht.

Die werden er und seine Leute brauchen, denn wer die hitzigen Diskussionen sowohl im Netz als auch auf vielen Trainingsplätzen verfolgt, weiß: Es wird ein Langstreckenlauf, das Thema in die Breite zu bekommen. Zum Glück scheinen die Verantwortlichen sehr gut bei Puste.

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