Die historische Aufholjagd des FC Barcelona gegen Paris St. Germain wird auch Deniz Aytekin so schnell nicht vergessen. Der deutsche Schiedsrichter zeigte in einem überaus schwierigen Spiel eine starke Leistung, hinter seinem zweiten Elfmeterpfiff für die Gastgeber steht aber zumindest ein dickes Fragezeichen.
Seit 2012 darf Deniz Aytekin Spiele in der Champions League pfeifen, neben Felix Brych ist er der einzige deutsche Schiedsrichter, der den "UEFA Elite Referees" angehört. Das ist die höchste Kategorie, die man als Unparteiischer in Europa erreichen kann.
Zwölf Partien in der europäischen Königsklasse hatte der 38-Jährige bis zum gestrigen Abend geleitet. Ein Kaliber wie das Achtelfinal-Rückspiel zwischen dem FC Barcelona und Paris St. Germain war bislang jedoch nicht darunter. Dass ihm diese Begegnung überantwortet wurde, ist deshalb ein Zeichen der gestiegenen Wertschätzung der UEFA für den Franken – auch wenn das Duell zwischen dem spanischen und dem französischen Meister nach dem 4:0 für PSG im Hinspiel bereits entschieden schien.
Es kam bekanntlich anders als erwartet: Barcelona gelang mit einem 6:1 vor 96.000 Zuschauern im Camp Nou das schier Unmögliche, drei Tore erzielten die Katalanen dabei nach der 88. Minute. Aytekin musste während der gesamten Spielzeit absolute Schwerstarbeit bewältigen. Nicht weniger als zehn Gelbe Karten, zwei Strafstöße und eine Fülle äußerst kniffliger Strafraumszenen zeugen davon.
Torrichter korrigiert Aytekin zu Recht
Für Gesprächsstoff sorgen vor allem die beiden Elfmeter für die Gastgeber. Den ersten gibt es kurz nach der Pause: Der Pariser Verteidiger
Aytekin erkennt zunächst auf Weiterspielen, lässt sich dann aber von seinem Torrichter Benjamin Brand umstimmen. Zu Recht, denn auch wenn Meunier unglücklich stolpert, bleibt es eine Regelwidrigkeit, die genauso bewertet werden muss wie ein Beinstellen. Regeltechnisch ahndungswürdig ist in diesem Fall die Fahrlässigkeit, die sich aus der Unachtsamkeit des Belgiers ergibt. Absicht muss für ein Foul nicht vorliegen. Lionel Messi verwandelt den Strafstoß zum 3:0.
Für noch mehr Aufregung sorgt der zweite Elfmeter beim Stand von 4:1 in der 90. Minute. Nach einem weiten Ball in den Strafraum der Gäste kommt es zu einem Zweikampf zwischen Marquinhos und Barcelonas durchgebrochenem Stürmer
Wieder zeigt Aytekin auf den Punkt. Neymar verwandelt eiskalt, Barca fehlt dadurch zum Weiterkommen nur noch ein Tor.
Zweifelhafter zweiter Elfmeter
Betrachtet man sich die Szene in der Realgeschwindigkeit, scheint der Elfmeterpfiff zumindest nicht abwegig. Denn Suárez ist mit einem Tempo unterwegs, bei dem schon ein geringer Kontakt durch den Gegner ausreichen kann, um zu Fall zu kommen. Die Zeitlupe – die dem Referee nun mal nicht zur Verfügung steht – lässt die Entscheidung jedoch fragwürdig erscheinen, auch wegen Suárez' Theatralik. Dass der Kontakt durch Marquinhos ursächlich für den Sturz des Angreifers war, darf man jedenfalls bezweifeln.
Zum Los der Unparteiischen gehört es, dass die Diskussionen über einen solchen Pfiff ihre sonstige Leistung in den Hintergrund treten lassen. Dabei machte Deniz Aytekin bei extremer Beanspruchung sehr viel richtig und überzeugte durch sein entschlossenes und selbstsicheres Auftreten. Zudem entschied er in weiteren heiklen Situationen völlig korrekt.
So ließ er beispielsweise bei gleich drei Handspielen in der ersten Hälfte – zwei davon im Strafraum der Gäste, eines im Sechzehner der Hausherren – berechtigterweise weiterspielen, weil das entscheidende Kriterium der Absicht jeweils nicht erfüllt war. Sehr gut erkannte Aytekin zudem Suárez‘ Schwalbe in der 67. Minute, die er konsequent und folgerichtig mit der Gelben Karte bestrafte.
Extrem schweres Spiel für den Referee
Glück hatte PSG dagegen in der 34. Minute, als Meunier den durchstartenden Neymar im Strafraum kurz hielt. Hier wäre ein Elfmeter zumindest vertretbar gewesen, doch Neymar brachte sich durch sein theatralisch anmutendes Fallen wohl selbst um diese Möglichkeit.
Hervorzuheben ist wiederum das glänzende Auge von Aytekins Assistent Markus Häcker beim alles entscheidenden Treffer zum 6:1 in der letzten Minute der Nachspielzeit, die mit fünf Minuten zudem angemessen ausfiel: Dass sich der Torschütze Sergi Roberto um wenige Zentimeter nicht im Abseits befand, war überaus schwer zu erkennen.
Insgesamt hat der deutsche Referee im Verbund mit seinen Assistenten seine ausgesprochen schwierige Aufgabe mit Ruhe und Umsicht gelöst, sich von der Hektik auf dem Platz nie anstecken lassen und etliche kritische Situationen vorzüglich gemeistert. Als umso bedauerlicher wird er es selbst empfinden, dass hinter seiner zweiten Strafstoßentscheidung zumindest ein großes Fragezeichen steht.
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