• Das aufregende Revierduell zwischen Schalke und Dortmund geht für den Unparteiischen ohne Zwischenfälle über die Bühne.
  • In der Partie zwischen Hertha und Mainz hingegen muss sein Kollege am Monitor das Handspiel eines Mainzers im Strafraum bewerten, das nur dem VAR aufgefallen ist.
  • Vom folgenden Elfmeter sind selbst die Berliner überrascht.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Alex Feuerherdt sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Zweifellos ist das Ruhrgebietsduell zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund eines der größten Spiele, die es in der Bundesliga gibt. Zum 100. Mal standen sich am Samstagabend die beiden Revierklubs in der deutschen Eliteklasse gegenüber, Schalke droht erneut der Abstieg, der BVB dagegen träumt vom Titel, und beide Teams waren zuletzt in starker Form.

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Eine Konstellation, die eine brisante und spannende Begegnung erwarten ließ, deshalb beauftragte die sportliche Leitung der Bundesliga-Referees auch einen der erfahrensten Schiedsrichter mit dem Match in der Schalker Arena, nämlich Marco Fritz.

Für den 45-Jährigen war es das erste Mal, dass er dieses Aufeinandertreffen zu beaufsichtigen hatte. Er leitete es souverän und sicher, mit klarer Körpersprache und einer angemessen großzügigen Linie bei der Zweikampfbewertung, die zum Spielcharakter passte und von beiden Teams vollauf akzeptiert wurde.

Mehr als je eine Verwarnung hüben wie drüben – für den Schalker Cedric Brunner und den Dortmunder Emre Can, die jeweils rücksichtslos in einen Zweikampf gegangen waren – musste der Unparteiische nicht aussprechen. Entgegen kam ihm sicherlich, dass er keine wirklich kniffligen Situationen zu bewerten hatte. Keine grenzwertigen Handspiele oder Zweikämpfe, keine wirklichen Rudelbildungen, keine heimtückischen Nickeligkeiten.

Barreiro: "Keiner hat irgendwas geahnt"

Nach dem Schlusspfiff dieser spannenden Partie, die mit einem 2:2 endete, war der Spielleiter jedenfalls kein Thema. Anders verhielt es sich beim Spiel zwischen Hertha BSC und dem 1. FSV Mainz 05 (1:1), wobei Benjamin Cortus eine jener komplizierten und undankbaren Aufgaben zu bewältigen hatte, die seinem Kollegen Fritz erspart geblieben waren.

In der 14. Minute versuchte der Mainzer Leandro Barreiro im eigenen Strafraum, nach einer Flanke von Lucas Tousart den Ball im Sprung mit dem rechten Fuß zu erreichen. Er verfehlte ihn jedoch, stattdessen berührte er ihn geringfügig mit der linken Hand. Der Ball änderte seine Flugbahn kaum merklich und gelangte zum Berliner Suat Serdar, der ihn aufs Mainzer Tor schoss.

"Keiner hat irgendwas geahnt", sagte Barreiro nach dem Spiel, und tatsächlich waren selbst die Herthaner erstaunt, als Referee Cortus plötzlich vom Video-Assistenten Sören Storks das Signal bekam, sich die Szene noch einmal am Monitor anzusehen, und danach auf Strafstoß erkannte.
Er habe auf dem Feld ebenfalls kein Handspiel wahrgenommen, sagte Cortus später dem Sender Sky, um sodann zu erläutern, weshalb der VAR interveniert hatte: Nicht wegen einer klaren und offensichtlichen Fehlentscheidung, sondern aufgrund eines "serious missed incident", also eines schwerwiegenden übersehenen Vorfalls. Cortus hatte das Handspiel nämlich nicht falsch bewertet, sondern – wie auf dem Rasen alle außer Barreiro – gar nicht erfasst.

Was für den Handelfmeter für Hertha spricht

Dabei ist es regeltechnisch ohne Belang, wie deutlich der Ball mit der Hand gespielt wird und ob er überhaupt seine Richtung verändert. Es spielt auch keine Rolle, ob ein solches Handspiel das gegnerische Team beeinträchtigt oder nicht.

Maßgeblich für die Bewertung der Strafbarkeit ist einzig, ob es entweder absichtlich geschehen ist oder die Folge einer unnatürlichen Armhaltung war – wie leicht auch immer der Kontakt gewesen sein mag. "Berührung ist da, Armhaltung strafbar, strafbares Handspiel und somit Elfmeter", erklärte Benjamin Cortus. Den Ballkontakt mit der Hand habe der VAR bildlich nachweisen können.

Regelkonform war der Eingriff von Sören Storks, zumal der Unparteiische so überhaupt erst die Gelegenheit bekam, das Handspiel im Strafraum zu begutachten. Und es gibt Aspekte, die dafür sprechen, es als strafbar zu bewerten.

Barreiro hatte seinen linken Arm abgespreizt, und der Ball war lange genug unterwegs, um dem Mainzer die Möglichkeit zu geben, ein Handspiel zu vermeiden. Gewiss wollte er den Ball mit dem Fuß treffen, aber das gelang ihm nun mal nicht. Legt man vor allem solche technischen Kriterien zugrunde, geht die Elfmeterentscheidung in Ordnung.

Regelkonform – und dennoch nicht im Sinne des Fußballs

Andererseits ist die generelle Akzeptanz für sie gering, selbst Herthas Trainer Sandro Schwarz war der Meinung: "Das war kein Elfmeter." Dabei spielte die – regeltechnisch aber eben irrelevante – Tatsache eine Rolle, dass Barreiro den Ball nur leicht gestreift hatte.

Es gibt aber auch Argumente, die die Regel und ihre Auslegung selbst betreffen: Die Absicht, den Ball mit der Hand zu spielen, hatte Barreiro sicherlich nicht, er ging klar mit dem Fuß zum Ball. Als unnatürlich muss man die Armhaltung auch nicht bewerten, denn für eine solche Sprungbewegung war sie normal, sie diente dazu, das Gleichgewicht zu wahren.

An diesen Kriterien gemessen wäre es möglich und denkbar gewesen, das Handspiel nicht als strafbar zu bewerten. Im Sinne des Fußballs wäre es ebenfalls gewesen, denn die getroffene Entscheidung wirkt – auch wenn sie formal vertretbar ist – unverhältnismäßig.

Dass eine kaum sichtbare unabsichtliche Berührung des Balles mit der Hand beim klaren und mit einer natürlichen Körperbewegung unternommenen Versuch, ihn mit dem Fuß zu spielen, zu einem Strafstoß führt, passt nicht zusammen. Dieses Problem haben allerdings nicht die Schiedsrichter zu verantworten. Hier wären vielmehr in erster Linie die Regelhüter gefragt.

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