Raus in der Champions League. Raus im Pokal. Die Meisterschaft täuscht nicht darüber hinweg, dass der FC Bayern vor dem zwingenden Umbruch steht. Mit Folgen für Fußball-Deutschland: Es besteht die wunderbare Aussicht auf ein Ende der Langeweile.

Ein Kommentar
von Michael Wollny

Die Situation ereignet sich eine Viertelstunde vor Ablauf der regulären Spielzeit. Im Halbfinale des DFB-Pokals steht es zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund 2:2 - da werden Fans im Stadion und vor dem TV Zeugen einer Szene mit Symbolkraft.

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Philipp Lahm, 33 Jahre alt, verliert den Ball gegen Raphaël Guerreiro, 23 Jahre jung. Sekunden nach dem folgenschweren Generationenduell steht es 3:2 für den BVB.

Ein Patzer bei der Ballkontrolle, für den Lahm in seiner beispiellosen Karriere so berüchtigt ist wie für Platzverweise nach eingesprungener Blutgrätsche.

Das Ende einer goldenen Generation

Doch die Zeiten ändern sich. Über die goldene Generation des FC Bayern legt sich Patina. Das Durchschnittsalter der Dortmunder Startelf betrug in München 26,8 Jahre, das der Bayern 30,1.

Mit Lahm geht im Sommer der Kapitän von Bord. Auch Xabi Alonso beendet seine großartige Karriere. Und so furios Arjen Robben auf dem rechten Flügel mit seinen 33 Jahren auch aufspielen mag, die berüchtigte Zange mit Franck Ribéry (34) greift nicht mehr weit in die Zukunft, sondern rostet schon in der Gegenwart.

Der FC Bayern steht vor einem Umbruch. Ob Carlo Ancelotti dafür der richtige Architekt ist, darf bezweifelt werden.

Mit Joshua Kimmich, Douglas Costa, Kingsley Coman oder Renato Sanches stünde zwar Potenzial bereit. Ancelotti zeigte bislang allerdings wenig Mut und Bereitschaft, sie auch einzubauen.

Doch wer nicht spielt, kann auch nicht den Beweis erbringen, den hohen Ansprüchen der Bayern gerecht zu werden. Insofern wird man sich im Klub nicht allein auf jene Spieler verlassen, die im Hintergrund seit Monaten mit den Hufen scharren – die Bayern werden auf einem überhitzten Transfermarkt den nötigen Wandel teuer bezahlen müssen.

FC Bayern: Stress auf der Baustelle

So oder so bleibt es bei der Herausforderung, das Gerüst aus zukunftsfähigen Schlüsselspielern wie Hummels, Boateng, Alaba, Thiago, Müller und Lewandowski mit neuen Streben zu verstärken, ohne beim brisanten Austausch alter Säulen die Statik zu gefährden.

Erschwert wird der Umbau im Innern durch den Druck von außen. Denn die Konkurrenz ist schon zwei Schritte weiter.

Thomas Tuchel hat es in Dortmund geschafft, aus blutjungen Supertalenten und etablierten U28-Stars eine spielgewaltige Mannschaft zu formen, deren Potenzial noch längst nicht ausgereizt ist. Und auch in Leipzig wird man einen Millionen-Kader nicht mehr hinter alberner Aufsteiger-Camouflage verstecken können.

Die Bayern werden in dieser Saison zum 27. Mal Deutscher Meister, doch ihre Dominanz erodiert.

Der BVB rüttelt am Thron und die Chancen stehen nicht schlecht, dass dieser 2018 auch kippt. Dass die Bayern das nicht kampflos akzeptieren werden, ist wunderbar.

Mehr noch, es ist ein Segen für die Bundesliga. Es ist das Ende der Langeweile.

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