Wird das Schicksal der Bundesliga-Vereine bald von Investoren bestimmt? Auf der Jagd nach höheren Budgets könnten Fans und Tradition auf der Strecke bleiben. Beispiele aus dem Ausland machen Angst.

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Selten waren sich die Fußball-Anhänger in Deutschland so einig. Mehr als 2800 Fanclubs und -gruppierungen haben sich über eine Kampagne gegen den Einstieg von Investoren ausgesprochen. Das Motto: 50+1 soll bleiben!

Genau darüber wird heiß diskutiert werden, wenn die Vertreter der 1. und 2. Bundesliga am heutigen Donnerstag zur DFL-Mitgliederversammlung zusammenkommen.

Denn Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge hat beispielsweise eine völlig andere Meinung: "Ich hoffe, dass die Deutsche Fußball Liga die 50+1-Regel freigeben wird."

Zur Erklärung: Die 50+1 Regel sorgt dafür, dass kein Investor die Stimmenmehrheit eines Vereins übernehmen und frei über ihn bestimmen kann.

Dass Rummenigge diese Regel ein Dorn im Auge ist, hat einen simplen Grund: Er fürchtet um die Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga. Längst muss sich selbst der große FC Bayern München strecken, um mithalten zu können, wenn von Investoren gestützte Vereine wie Paris Saint-Germain 222 Millionen Euro für Neymar bezahlen.

Im europäischen Ausland ist es Normalität, dass Milliardäre Vereine kaufen und über sie bestimmen. Öl-Milliardär Roman Abramowitsch übernahm im Jahre 2003 den FC Chelsea und machte aus der "grauen Maus der Premier League" einen Champions-League-Sieger.

Auch Manchester City wäre heute kein Top-Verein, hätte nicht ein milliardenschweres Investmentunternehmen die Macht übernommen.

Keine Rücksicht auf Tradition und Fans

Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite: Investoren nehmen meist keine Rücksicht auf die Fans. Gewinnmaximierung steht im Vordergrund. Die Ticketpreise sind in der Premier League rasant gestiegen.

Der frühere England-Profi und heutige TV-Experte Dietmar Hamann erklärte bei "Sky 90" die Folgen: "Die Fankultur ist in England komplett verloren gegangen. Es hat sich ein Fußballtourismus entwickelt, wo die Leute aus der ganzen Welt kommen. Der Einheimische kann sich die Tickets nicht mehr leisten."

Damit nicht genug: Tradition spielt bei einigen Investoren ebenfalls eine untergeordnete Rolle. "Es sind Besitzer gekommen, die haben die Wappen und die Vereinsfarben geändert. Die Bluebirds in Cardiff spielen jetzt in Rot, weil das die Glücksfarbe in Malaysia ist", so Hamann.

Einige Vereine wurden von Investoren sogar finanziell gegen die Wand gefahren. Die Blackburn Rovers beispielsweise feierten früher drei englische Meisterschaften. Ende 2010 übernahm die indische Venkys-Gruppe den Klub, tauschte die Vereinsführung aus und hielt die Mannschaft finanziell an der kurzen Leine. Heute spielen sie in der 3. Liga.

Noch übler erwischte es den FC Blackpool: Nachdem der Verein 2010 in die Premier League aufgestiegen war, schöpften die Eigentümer rund 30 Millionen Euro vom Verein ab. Heute spielt Blackpool in der 4. Liga.

Verliert der Investor das Interesse, geht es bergab

Negativbeispiele ziehen sich durch ganz Europa. Der russische Verein Anschi Machatschkala und der spanische Verein FC Malaga waren noch vor wenigen Jahren internationale Spitzenvereine.

Anschi Machatschkala machte Samuel Eto’o zwischenzeitlich sogar zum bestbezahlten Profi der Welt. Bei beiden Vereinen verlor der Investor jedoch das Interesse. Die Folge: Machatschkala und Malaga stehen in ihren Ligen auf einem Abstiegsplatz.

Fans in Deutschland haben Angst, dass auch ihre Vereine bald zum Spielball von Investoren werden. Proteste sind mittlerweile an der Tagesordnung.

Die Ultras von Hannover 96 haben die Unterstützung ihrer Mannschaft eingestellt, weil sie mit den Übernahme-Plänen des Präsidenten Martin Kind nicht einverstanden sind. Heimspiele von Hannover 96 haben seitdem die Atmosphäre einer Trauerveranstaltung.

Lienen: Ultras gehen auf die Barrikaden

Laut dem langjährigen Trainer Ewald Lienen ist das nur ein Vorgeschmack darauf, was passieren würde, wenn 50+1 fällt: "Dann gehen die Ultras bundesweit auf die Barrikaden."

Auch innerhalb der Bundesliga herrscht Unstimmigkeit. Gladbach-Sportdirektor Max Eberl sagte gegenüber der dpa: "Die Frage ist ja, ob man das will, dass einem Herr Sowieso von Firma xy nach einem verlorenen Spiel das Messer an den Hals hält oder sagt, dass wir einen Spieler verkaufen müssen. Ich möchte da nicht hinkommen. Ich möchte selbst- und nicht fremdbestimmt sein."

Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. Laut einer Umfrage des Fußballmagazins "11 Freunde" sind immerhin 16 der 36 Profivereine für eine Beibehaltung der 50+1-Regel.

Bereits jetzt herrscht Wettbewerbsverzerrung

Das Problem ist jedoch: Die 50+1 Regel ist löchrig. Eine Ausnahmeregelung besagt, dass Investoren die Stimmenmehrheit übernehmen dürfen, wenn sie ihren Verein seit mehr als 20 Jahren unterstützen.

Diese Regelung wird angewandt bei Bayer Leverkusen (Bayer AG), dem VfL Wolfsburg (Volkswagen) sowie der TSG Hoffenheim (Dietmar Hopp). Andreas Rettig, Geschäftsführer des FC St- Pauli, bemängelt, dass aufgrund dieser Ausnahmen keine Chancengleichheit bestehe.

Eine Lösung, mit der alle Beteiligten leben können, scheint noch lange nicht in Sicht zu sein.


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