Das gab es noch nie: Ein Fußballprofi klagt vor Deutschlands höchstem Arbeitsgericht gegen seinen Verein. Der Fall des Mainzer Ex-Torhüters Heinz Müller hat Sprengkraft für das Bundesligasystem mit seinen Zeitverträgen für Spieler.
Für die einen sind sie gut beim Aufstieg zum Fußballstar, für andere am Karriereende eher ungeliebt: Zeitverträge, mit denen die Bundesligavereine Spieler für zwei oder mehr Jahre an sich binden.
Aber sind diese befristeten Arbeitsverträge eigentlich rechtens? Und sind Fußballer mit ihren immensen Einkommen überhaupt normale Arbeitnehmer, für die die gesetzlichen Regeln gelten?
Diese Fragen beschäftigen heute das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Sein Urteil im Fall des Mainzer Ex-Torhüters Heinz Müller, der sich bis in die letzte Instanz geklagt hat, könnte die Bundesliga durcheinanderwirbeln.
Worum geht es bei der Klage des früheren Bundesligaspielers?
Der heute 39 Jahre alte Heinz Müller unterschrieb 2012 einen neuen Zweijahresvertrag beim FSV Mainz 05 bis Juni 2014. Dieser sollte sich ab 23 Bundesligaeinsätzen um ein Jahr bis Juni 2015 verlängern.
Dazu kam es nicht: Ein halbes Jahr vor Vertragsende verbannte der Trainer den Torwart in die U23-Mannschaft. Müller musste gegen seinen Willen bereits nach zwei Jahren gehen.
Wie reagierte der geschasste Torhüter?
Er zog vor das Arbeitsgericht und klagte auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Befristung sei unwirksam gewesen, argumentierte sein Anwalt.
Müller verlangt laut BAG zudem 261.000 Euro an Prämien für entgangene Punktspieleinsätze. Das Management von Mainz 05 argumentiert, die Befristung war rechtens.
Warum ist der Fall so brisant?
Er könnte das bestehende Zeitvertragssystem der Bundesliga sprengen. Die Vereine geben ihren Spielern ausschließlich befristete Verträge - nicht selten immer wieder neue.
Manchen Spielern kommt das gelegen, wenn sie durch Wechsel schnell zum Fußballstar aufsteigen wollen.
Am Karriereende - wie bei Heinz Müller - verlieren die befristeten Verträge an Reiz - da ist finanzielle Sicherheit gefragt.
Sollten die höchsten deutschen Arbeitsrichter die gut bezahlten Profis wie normale Arbeitnehmer sehen, würde das die gängige Praxis beenden, sagen Fachleute.
Die Spieler könnten auf eine Beschäftigung bis zur Fußballerrente pochen. Für die Vereine ein teures Unterfangen, heißt es nicht nur bei der Deutschen Fußball Liga (DFL).
Worum geht es rechtlich?
Ein Sprecher des Bundesarbeitsgerichts verweist auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Darin heißt es unter anderem: Die Maximalbefristung eines Arbeitsvertrags auf zwei Jahre sei nicht zulässig, "wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat". Das trifft auf Müller zu - er war seit 2009 bei Mainz 05.
Aber dann ist doch alles klar?
Nein. Das Gesetz enthält eine ganze Reihe sachlicher Gründe, die mehrfache Befristungen erlauben. Einer könnte von besonderer Bedeutung im Fall Müller sein: Die Eigenart der Arbeitsleistung kann eine - auch wiederkehrende - Befristung rechtfertigen, so das Gesetz.
Sind die Millionenverdiener dann besondere Arbeitnehmer?
Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Bundesarbeitsgericht zu diesem Ergebnis kommt, und die Eigenart ihres Jobs anerkennt, meint der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing. "Ich glaube, die Befristung hält."
Auch wenn noch nie ein Profikicker vor den Richtern in den roten Roben stand, gebe es doch Urteile, die bei besonderen Berufsgruppen in eine Richtung deuteten.
Welche sind das?
2017 hätten die Bundesarbeitsrichter Schauspielern - wegen der Eigenart ihrer Beschäftigung - einen besonderen Status zugebilligt.
Zwei langjährige TV-Kommissare verloren ihre Klage, mit der sie gegen ihren befristeten Einsatz in der Krimiserie "Der Alte" vorgingen.
Sie waren durch Jüngere ersetzt werden. Erst vor einigen Wochen hätten die Richter sogar einer Maskenbildnerin die Eigenart ihrer Arbeit bescheinigt, sagte der Juraprofessor der Universität Bonn.
Wie haben die Vorinstanzen entschieden?
Gegensätzlich. Das Arbeitsgericht Mainz gab Müllers Klage gegen die Befristung statt und versetzte die Bundesliga in Unruhe.
Im Februar 2016 wies das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz seine Klage ab, ließ aber die Revision beim BAG in Erfurt zu. © dpa
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