Heldenfußball statt Kollektiv: Das ist Borussia Dortmund nach rund zwei Dritteln der Saison. Noch funktioniert dieses Konzept einigermaßen, auf Dauer dürfte das für die Ziele des Klubs aber zu wenig sein.
Man kann angesichts der zuletzt gezeigten Leistungen hart mit Borussia Dortmund ins Gericht gehen. Oder es wie Didi Hamann sehen, der die Dortmunder Mannschaft bei "Sky Austria" für ihr Spiel in Eindhoven fast schon überschwänglich gelobt hat.
"Seit der Winterpause spielen sie sehr reif und genau das haben sie heute wieder gemacht", sagte Hamann. "Sie haben eine unheimliche Professionalität, jeder ist für den anderen da. Sie treffen gute Entscheidungen."
Eine durchaus gewagte Analyse einer Partie, in der die Borussia nur achtmal in Richtung gegnerisches Tor geschossen hat und 60 Minuten lang in der Offensive quasi nicht existent war. Und damit gewissermaßen nahtlos anknüpfte an die Partie zuvor in Wolfsburg, als der BVB in 100 Minuten Spielzeit ganze 18 Ballaktionen im gegnerischen Strafraum schaffte.
Andererseits: Die Borussia hat in einem Champion-League-K.o.-Spiel auswärts ein Remis geholt und damit quasi zur Halbzeit des Vergleichs mit den Niederländern alles offen gehalten - und nun im zweiten Durchgang den Heimvorteil. Und das ist eine stabile Ausgangsposition. Für dieses eine, sehr wichtige Spiel.
Keine große Hoffnung mehr
Wofür Borussia Dortmund aber fußballerisch steht, ist auch nach knapp zwei Dritteln der Saison immer noch schwer zu beschreiben. Eine Einordnung fällt auch aufgrund diverser Verletzungssorgen über die letzten Wochen und Monate verteilt schwer, das sollte man auch nicht vergessen. Borussia Dortmund ist in der Rückserie immer noch ungeschlagen, in sieben Spielen gab es vier Siege und drei Remis.
Das ist eine gute und eine schlechte Nachricht zugleich: Die Mannschaft zeigt tatsächlich eine gewisse Resilienz, ein Spiel wie das in Eindhoven ist oft genug auch schon verloren gegangen. Und mit jedem - auch kleinen - Erfolgserlebnis sollte auch der Glaube in die eigene Stärke noch ein Stückchen mehr wachsen.
Aber: Die Auftritte der Mannschaft sind immer noch nicht in sich schlüssig. Kaum einmal schafft es der BVB, eine Partie über 90 Minuten auch einem konstant hohen Level zu spielen. Das Bild von einer gefestigten Mannschaft trügt auch deshalb ebenso wie die Vermutung, dass mit dem veränderten Trainerteam und fast zwei Monaten Zeit für intensive Trainingseinheiten nun vieles besser wurde.
Die Ergebnisse sind in Ordnung, der Dortmunder Fußball ist es noch lange nicht. Und angesichts des Ergebnisdrucks und der nun wieder besseren Gegner sollte man auch keine großen Hoffnungen mehr in die Entwicklung einer klar erkennbaren Spielkultur setzen.
Massive Probleme im Positionsspiel
Borussia Dortmund ist sehr weit davon entfernt, eine gute Ballbesitzmannschaft zu sein. In Eindhoven schaffte es die Mannschaft eine Halbzeit lang kaum noch kontrolliert über die Mittellinie, etliche Angriffe versiegten bereits nach dem vierten oder fünften Dortmunder Pass.
Es gibt keine wiederkehrenden Passmuster, keine ausgeprägte Idee, wie die Mannschaft vom Aufbau- ins Übergangsdrittel und von dort in dynamische Spielsituationen ins Angriffsdrittel kommen will. Oder: Es gibt die Idee als solche, an deren Umsetzung scheitert das Team aktuell aber spektakulär.
75 Prozent betrug die Passquote beim Spiel in Eindhoven, eine indiskutable Statistik auf diesem Spielniveau. Da kann auch das vernünftige Angriffspressing des Gegners nicht als Ausrede dienen: Eine Mannschaft wie Borussia Dortmund muss in der Lage sein, dieses mehr als zwei oder drei Mal pro Halbzeit auszuhebeln.
Nur Heldenfußball, aber kein Kollektiv
Die Borussia ist aber auch keine ausgewiesene Pressing- und Gegenpressingmannschaft und in dieser Saison einzig bei Kontern stark: Schon sieben Tore in der Bundesliga sind ein Topwert. Nur wird der Underdog-Fußball auf Dauer nicht reichen, um die ohnehin schon geschrumpften Minimalziele zu erreichen.
Die Champions League und jede weitere Spielrunde sind ein toller Bonus, die Chance auf den Einzug ins Viertelfinale und damit unter die acht besten Mannschaften Europas besteht definitiv. Aber in der Bundesliga, wo noch zwölf Spiele zu absolvieren sind und die harten Brocken demnächst anstehen, droht der Fußball ohne Eigenschaften sein Ziel zu verfehlen.
Dafür spielt die Mannschaft zu unkreativ, zeigt die immer gleichen Probleme vor allem in der Mittelfeldzentrale und lässt in gewisser Weise auch die nötige Ambition vermissen, daran nun endlich etwas zu ändern. Die Aussagen der Spieler nach den Spielen gleichen sich, immer wieder ist davon zu hören, dass noch Luft nach oben sei, besonders im eigenen Ballbesitz. Dass "wir es besser machen können". Nur fängt die Mannschaft nicht damit an, es besser zu machen.
Aktuell richten es die Einzelspieler mit ihrer Qualität. Mal ein Niclas Füllkrug, mal Donyell Malen, schon am Wochenende gegen ebenfalls darbende Hoffenheimer vielleicht auch mal ein anderer. Aber das kann ja nicht der Markenkern einer Mannschaft von Borussia Dortmund sein. Die Frage nach der Dortmunder Identität: Sie ist auch bis heute unbeantwortet.
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