Eine Vervielfachung der Einnahmen und gleiche Anteile daran für alle Vereine: Das ist die gute Nachricht für alle Klubs der 1. Bundesliga der Frauen aufgrund des neuen TV-Vertrages, der ab der Saison 2023/2024 gilt. Für einen echten Strukturwandel geht das aber noch nicht weit genug, denn die Voraussetzungen der Vereine sind ungleich und der Unterbau geht leer aus.

Annika Becker
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Annika Becker (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Im Herbst gab der DFB die Modalitäten des neuen TV-Vertrages für die 1. Bundesliga der Frauen bekannt, nachdem die Ausschreibung zum ersten Mal nicht an die Rechte für die 3. Liga der Männer gekoppelt war. Rein finanziell gibt es nach zuletzt allgemein wachsendem Interesse und viel Aufmerksamkeit durch die EM 2022 eine deutliche Wertsteigerung.

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Einnahmen und Ausgaben steigen

Bisher bekommt jeder Verein pro Saison knapp 60.000 Euro ausgeschüttet. Das ist alleine bei weitem nicht ausreichend für einen professionellen Spielbetrieb, deswegen kommt der Rest des nötigen Geldes durch Sponsoring und Werbeeinnahmen hinzu, die jeder Klub selbst akquiriert.

Laut dem letzten vorliegenden Saisonreport des DFB zur Saison 2020/2021 lagen die durchschnittlichen Gesamt-Erträge in dieser Saison bei fast 1,3 Millionen Euro pro Verein. Allerdings gibt es in diesem Bericht keine Aufschlüsselung je Verein, man darf davon ausgehen, dass die Unterschiede je nach Standort und Strahlkraft groß sind. Außerdem ist die Zahl in den Saisons danach durch weiterhin gestiegenes Interesse vermutlich weiter gewachsen.

Demgegenüber standen ebenfalls durchschnittlich rund 2,4 Millionen Euro Ausgaben pro Verein. Auch hier gibt es keine Übersicht je Klub. Insgesamt gibt es also ein durchschnittliches Minus von 1,1 Million Euro in der Saison 2020/2021. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Zahl danach größer geworden ist, denn die Gehälter der Topspielerinnen sind in den letzten Jahren eher gestiegen.

Der DFB weist im Report ausdrücklich daraufhin, dass die eigenständigen Vereine, wie in dieser Saison die SGS Essen oder der SC Sand, kein Minus erwirtschaften. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Teams mit Anschluss an Lizenzvereine von den Männerabteilungen der Vereine querfinanziert werden. Neben dem rein finanziellen Vorteil können sie zudem eine über die Jahre gewachsene professionelle Trainings-Infrastruktur zumindest in Teilen mitbenutzen.

Gleichmäßige Verteilung der TV-Gelder

Die TV-Rechte für die Saisons 2023/2024 bis 2026/2027 wurden für insgesamt 20,7 Millionen Euro vergeben, mehrere Anbieter übertragen parallel alle Spiele, einen Teil davon gibt es im Free-TV. Von der Gesamtsumme gehen 90 Prozent an die Vereine, jeder Klub bekommt pro Saison 388.000 Euro statt der bisherigen knapp 60.000.

Denn wie letzte Woche bekannt gegeben wurde, soll es bei einer gleichmäßigen Verteilung bleiben, anstatt, wie etwa in der Bundesliga der Männer, anteilig nach Platzierung in der Tabelle mehr auszuschütten. Das klingt erstmal sehr fair, wie man aber an der Aufrechnung oben sieht, sind diese Mehreinnahmen den Vereinen unterschiedlich viel wert und reichen bei weitem nicht aus, um die Nachteile der eigenständigen Vereine auszugleichen. Ein wirklich progressiver Ansatz wäre es, einen Teil des Geldes von oben nach unten zu verteilen, um der Schere zwischen den Klubs strukturell etwas entgegenzusetzen.

Potenziell verschärft wird die Ungleichheit durch einen anderen Punkt im TV-Vertrag, denn in Abstimmung mit den Vereinen kommen Montagsspiele hinzu. Der Verband bezeichnet dies als "Alleinstellungsmerkmal" für mehr Sichtbarkeit, nachdem diese nach langen Fanprotesten in der 2. Bundesliga der Männer zuletzt abgeschafft wurden. Der Termin geht aber nicht nur an den Bedürfnissen der Fans vorbei, sondern auch an denen der Spielerinnen.

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Spielerinnen können momentan nicht allein vom Fußball leben

Aktuell gibt es noch viele Spielerinnen in der Liga, die mit dem Sport nicht genug Geld zum Leben verdienen und deshalb Nebenjobs haben, eine Ausbildung machen oder studieren. Sie müssen sich jetzt bereits im Falle einer Ansetzung am Freitagabendtermin diesen extra freinehmen, zukünftig könnte der Montag hinzukommen. Auch das trifft wiederum vor allem die weniger finanzkräftigen Vereine, die nur wenige Vollzeitspielerinnen unter Vertrag haben, ihren Kader meistens auf Kante planen müssen und deshalb nicht so leicht rotieren können wie der VfL Wolfsburg.

Hier schafft das Mehr an Geld eine Chance, denn die Summe ist groß genug, um ernsthaft über die Einführung des von Lina Magull eingeforderten Mindestgehalts nachzudenken. Die eigentliche Frage ist aber, warum Teams, die schon jetzt von millionenschweren Vereinen querfinanziert werden, nicht längst solche Verträge vergeben und zum Teil kaum über in Vollzeit angestellte Staff-Mitglieder verfügen.

Ein anderes strukturelles Problem im deutschen Fußball der Frauen wäre damit aber nicht bedacht, denn der TV-Vertrag gilt nur für die 1. Liga. Zunächst einmal vergrößert sich also die Schere zu den Spielklassen darunter noch weiter. Nun tummeln sich in der 2. Liga jede Menge Zweitvertretungen von Erstligisten, die indirekt profitieren, aber trotzdem nicht aufsteigen könnten. Diese gehören aber zu großen Teilen zu den sowieso besser gestellten Lizenzvereinen. Das heißt: Auch hier findet keine Umverteilung statt, die eine breite Weiterentwicklung und Professionalisierung erlauben würde.

Verwendete Quellen:

  • dfb.de: TV-Gelder: Verteilung in 3. Liga und Frauen-Bundesliga steht fest
  • dfb.de: Saisonreport 2020/2021
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