Schalke 04 wird von Manchester City aus der Champions League geprügelt, Domenico Tedesco steht vor dem Aus. Es gibt kaum noch Anzeichen dafür, dass der Trainer weitermachen darf. Dafür ist die Lage auf Schalke zu prekär - und die Zeit knapp.

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So königsblau war die Innenstadt von Manchester wohl selten. In der Stadt der Red Devils und der Skyblues dominiert trotz Citys Erfolgen der jüngeren Vergangenheit immer noch United und damit die Farbe Rot, am Dienstagnachmittag aber wurde die Stadt geflutet von einem Meer aus Blau und Weiß.

6.000 Schalker Fans waren nach Manchester gereist, einige ganz Verwegene sogar mit dem Auto. 16 Stunden Fahrt, kaum Schlaf: Was man eben so macht für ein Rückspiel im Champions-League-Achtelfinale.

3.500 von ihnen hatten Karten bekommen und sich wenigstens auf einen unterhaltsamen, vielleicht auch noch im Ansatz spannenden Abend gefreut. Die Hoffnung auf Schalkes Weiterkommen war nach dem 2:3 aus dem Hinspiel ohnehin kaum noch vorhanden.

Am Ende wurde es weder unterhaltsam noch spannend, sondern so schlimm wie seit Jahrzehnten nicht mehr für all jene, die es mit dem FC Schalke 04 halten.

Schalke: Null! - Manchester: Sieben! - Es war eine fürchterliche Tracht Prügel, die höchste Niederlage einer deutschen Mannschaft in der Königsklasse. Und in Zeiten von Social Media gilt mehr denn je: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Es wäre untertrieben, den Schalkern in einer desaströsen Saison einen neuerlichen Tiefpunkt zu attestieren. Deshalb gab es nichts mehr zu bereden zwischen den Fans und der Mannschaft, stumm schwiegen sich beide Parteien nach dem Spiel an.

Geschwiegen hat auch der neue Sportvorstand Jochen Schneider, die vereinbarten Interview-Termine nach dem Spiel sagte die Medienabteilung ab.

Tedesco ist sowas wie "The Walking Dead"

Gesprochen hat dagegen Domenico Tedesco. Mal wieder stellte sich der Trainer als einer der Wenigen voll in den Sturm.

In seiner zweiten Saison auf Schalke knallt der junge Coach mit Karacho in die Wand und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die katastrophale Zwischenbilanz auch die unvermeidliche Konsequenz nach sich zieht. Tedesco ist ein "dead man walking", dessen Schicksal besiegelt, aber noch nicht vollzogen scheint.

"Die letzten Wochen waren extrem hart, das Wort 'Tiefpunkt' ist bei uns verbraucht", sagte Tedesco, dem die Strapazen deutlich anzusehen sind.

Der Trainer wirkt leer und müde, ausgelaugt von den letzten Ergebnissen, seine geschliffene Rhetorik weicht schon lange nichtssagenden Sprachhülsen.

Mal wieder fiel seine Mannschaft nach einem Negativerlebnis auseinander wie welker Salat. Nach der Pause "habe ich den größten Spannungsabfall erlebt, seit ich Trainer bin", gab Tedesco am "Sky"-Mikrofon zu.

Und der war immerhin auch schon Trainer in der Jugend, wo extreme Ausschläge innerhalb der Spiele keine Seltenheit sind.

In den letzten fünf Spielen, die Schalke in der Bundesliga und in der Champions League allesamt verloren hat, setzte es unglaubliche 21 Gegentore. Der zart angedeutete Aufwärtstrend beim 2:4 in Bremen vom vergangenen Wochenende wurde in Manchester auf brutale Weise zerstört.

Schalke ließ sich willfährig abschlachten und es dürfte kaum noch Anzeichen dafür geben, dass diese Mannschaft mit diesem Trainer die vom Sportvorstand Schneider geforderte Trendwende hinbekommt.

Tedesco vor dem Aus

Das bezweifelt anscheinend auch Schneider inzwischen selbst. Er sagte der Deutschen Presseagentur einen Tag nach der desaströsen Niederlage: "Wir können nach dem Spiel nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir werden die nächsten Stunden nutzen, um das intern zu besprechen und werden uns morgen erklären."

Eine Garantie für Tedesco für das Leipzig-Spiel wollte Schneider nicht geben: "Wo gibt es Garantien? Nicht mal die Deutsche Bank garantiert irgendwas." Er habe mit dem Coach bereits "in aller Ausführlichkeit über die Gesamtsituation gesprochen".

Falsche Taktik gegen City?

Tedesco hat genug Fehler gemacht. Auch in Manchester, als die Mannschaft auf die zu erwartenden raumöffnenden Bewegungen des Gegners entweder nicht sauber vorbereitet war oder in der Umsetzung durchweg patzte.

Das Rezept, City mit einer Fünferkette in der Abwehr zu begegnen und damit die vermeintliche Hoheit über Breite und Tiefe im Spiel zu haben, erwies sich als grundfalsch.

Immer wieder nutzten die Citizens die numerische Überlegenheit im Mittelfeld und legten sich Schalke lustvoll zurecht. Auf das erste überhastete Vorpreschen eines Schalker Halbverteidigers folgte der Schnittstellenpass oder das hohe Zuspiel in den Rücken der Abwehr.

Mit dem immer selben Muster kombinierte sich Manchester vor das Schalker Tor und brauchte für seine sieben Tore lediglich 15 Torschüsse - was im Umkehrschluss einen deutlichen Hinweis liefert auf die hohe Qualität der Torchancen und aus welchen Positionen Manchesters Spieler auf das Schalker Tor feuern durften.

Jetzt steht da eine Mannschaft, die zerrissen ist und in Grüppchen aufgeteilt. Es gibt die Tedesco-Befürworter, die auch in dieser schwierigen Phase an ihren Trainer glauben.

Es gibt die scharfen Kritiker, die intern Stress machen und quer schießen. Allen voran die Bankdrücker und Aussortierten - auch so eine Volte von Tedesco: Gut gemeint, um mit einer kleineren, fokussierten Gruppe die Aufgaben anzugehen.

Aber letztlich völlig nutzlos, weil sich nun die Cliquen manifestiert haben und es keine Antwort auf die Frage gibt, wie sie sich in den verbleibenden Spielen der Saison noch einmal zusammenraufen sollen. Unter diesem Trainer.

Schalke läuft die Zeit davon

In der momentanen Gemengelage ist es für Schalke ganz gut, dass der erste Wettbewerb nun zu den Akten gelegt werden kann. Im DFB-Pokal steht Anfang April das Viertelfinale gegen Werder Bremen an, ansonsten genießt der Kampf gegen den Abstieg höchste Priorität, zumindest offiziell.

In der Liga sind es noch neun Spiele. Das erscheint auf den ersten Blick genug Zeit, um die erforderlichen zehn bis zwölf Punkte einzufahren, die in dieser Saison wohl für mindestens Platz 15 reichen sollten. Die Frage ist nur: Wie will diese Mannschaft so viele Punkte noch zusammenkratzen?

Die Zeit rinnt Schalke durch die Finger. Jedes Spiel ist nun doppelt wichtig, für das Gemüt der geschundenen Knappen-Seelen und für die Tabelle.

Am Wochenende steht das Heimspiel gegen RB Leipzig an, die nächste übergroße Aufgabe. Verweigert die Truppe erneut den Gehorsam wie zuletzt, droht das nächste Debakel.

Auf Schalke bibbern sie jetzt schon dem letzten Spieltag entgegen: Die Spielplaner der DFL schicken Mitte Mai den VfB Stuttgart nach Gelsenkirchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Domenico Tedesco bis dahin noch Trainer auf Schalke ist, tendiert gegen Null.

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