Elmar Paulke ist Deutschlands "Stimme des Darts". Im Exklusiv-Interview spricht der Kommentator über die aktuelle WM, erklärt, was einen echten Darts-Profi auszeichnet und verrät, warum früher reihenweise Spieler auf und von der Bühne kippten.

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Jeder Fan kennt seine Stimme, auch dank ihm wurde aus einer Randsportart ein echter Publikumserfolg: Elmar Paulke ist Deutschlands "Stimme des Darts".

Für DAZN kommentiert er auch in diesem Jahr wieder die WM der Professional Darts Corporation (PDC), die seit dem 13. Dezember 2018 bis 1. Januar 2019 im Ally Pally, dem altehrwürdigen Alexandra Palace in London, ausgetragen wird.

Der 48-Jährige brennt für seine Leidenschaft, den Darts-Sport. Deshalb wechselte er Anfang des Jahres auch von Sport1 zu DAZN. Das Live-Stream-Portal ist der Rechteinhaber der PDC-Tour und bietet Paulke somit die Möglichkeit, nah dran zu sein und "möglichst viele Turniere zu begleiten und zu kommentieren", wie er unserer Redaktion sagte.

"Kontrast zwischen Mentalsport und durchgeknallter Fangemeinde"

Die aktuelle ist bereits die 15. Darts-WM, bei der er als Kommentator dabei ist. Im Exklusiv-Interview mit unserer Redaktion spricht Paulke über die Faszination des Darts-Sports.

Er erklärt, warum die Stars der Szene zwar ein "Bäuchlein und schlechte Tattos" haben, aber eben Meister ihres Fachs sind. Paulke verrät außerdem, welche Rolle Mentaltrainer inzwischen einnehmen und warum früher "Spieler nach einem WM-Halbfinale von der Bühne kippten".

Herr Paulke, wie erklären Sie einem Menschen, der noch nie Darts verfolgt hat, warum er bei der WM unbedingt einschalten oder sogar live dabei sein sollte?

Elmar Paulke: Die Stimmung beim Darts, vor allem im Ally Pally während der WM, der Kontrast zwischen Mentalsport und durchgeknallter Fangemeinde, die wie beim Karneval oder auf dem Oktoberfest Gas gibt, diese Kombination gibt’s sonst nicht. Der Profiverband PDC lässt außerdem in ganz besonderem Maße den Fan auch Teil dieser Show sein. Das spüren die Leute, das lieben sie – und dadurch entsteht diese ganz eigene Atmosphäre.

Was in den letzten Jahren immer häufiger zu hören war: Sprechchöre wie im Fußballfanblock, Pfiffe gegen einzelne Spieler, aktuell die Bierdusche für Michael van Gerwen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen?

Das ist nicht schön, klar. Ab einer gewissen Größe hast du immer ein paar Bekloppte dabei. Mit diesen ein, zwei, drei Prozent der Fans musst du einfach leben. Du kannst auch nicht viel dagegen machen. Wenn ich die Fans in der Halle bitte, keine Fußballsongs zu singen, fangen sie doch erst recht an. Man muss darauf hoffen, dass sie irgendwann selbst merken, wie dämlich das eigentlich ist.

Max Hopp und Martin Schindler konnten in diesem Jahr Achtungserfolge verzeichnen, doch nach wie vor zählt kein Deutscher zu den absoluten Topspielern. Was würde ein Weltmeister aus Deutschland für die Stellung des Darts-Sports hierzulande bedeuten?

Das würde den Boom noch einmal immens beschleunigen. In allen anderen Sportarten ist es so passiert: Tennis, Formel 1, Boxen – wenn du deinen deutschen Weltmeister hast, dann kracht’s. Was zum Beispiel in der Halle in Saarbrücken los war, als Max Hopp dort die German Open gewonnen hat (erster Sieg eines Deutschen bei einem PDC-Turnier, Anmerk. d. Red.) – Gänsehaut, da haben 3.000 Leute am Rad gedreht.

Dartspieler sind - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht gerade Modellathleten. Wie groß ist der Fitnessfaktor beim Darts?

Natürlich spielt die Fitness auch beim Darts eine Rolle. Wenn du, wie bei der WM, anderthalb bis zwei Stunden auf der Bühne stehst, dann musst du mental wach sein. Und das schaffst du nur, wenn du auch körperlich einigermaßen fit bist. Wie in jedem anderen Sport oder auch bei der Arbeit gilt: Wenn ich körperlich nicht fit bin, dann kann ich mich auch nicht lange konzentrieren.

Trotzdem denken viele Zuschauer: Ach, das kann ich doch auch.

Ja, das ist genau das Coole, aber auch Skurrile an diesem Sport, dass du diese Typen hast, mit denen sich die Fans identifizieren, die aber trotzdem gehypt werden wie Popstars. Viele denken: Ich könnte auch der da oben auf der Bühne sein. Und sie vergessen, wie weit weg sie von der Leistung eigentlich sind, weil es so einfach aussieht. Die Profis sind so unfassbar gut. Trotzdem braucht dieser Sport diese Identifikation, wir wollen keine Ronaldos im Darts haben. Wir wollen diese greifbaren Typen, mit ihrem Bäuchlein und ihren schlechten Tattoos.

Worauf genau kommt es an beim Darts?

Darts ist ein Konzentrationssport, es geht um Millimeter. Die Profis beherrschen die große Kunst, möglichst lange in ihrem Flow zu sein. Die Schwierigkeit auf der Bühne ist, dass es sehr viele Faktoren gibt, die dich aus deinem Konzentrationstunnel herausreißen können: die Rufe der Fans, Pfiffe, die Leistung deines Gegners und noch viele andere Kleinigkeiten. Die Spieler müssen versuchen, möglichst lange in diesem Tunnel zu bleiben, und das klappt nur mit einer gewissen Fitness.

Wie halten sich die Spieler fit? Haben sie einen Trainer?

Der Sport wird professioneller, teilweise haben die Spieler einen Mentalcoach an ihrer Seite. Das verrät nicht jeder. Aber ich weiß beispielsweise von van Gerwen, dass er sich Tricks angeeignet hat, wie das Hochziehen der Socken in wichtigen Momenten, um genau wieder in diesen vorhin angesprochenen Fokus zu kommen. Auch Mensur Suljovic hat sich vor der WM noch mit einem neuen Mentalcoach zusammengetan. Er sagt, ihm würden schon zwei, drei Sitzungen reichen, um durch die Gespräche wieder den Fokus für sein Spiel zu finden. Klar können die Spieler keinen Marathon laufen, aber sie sind alle körperlich in der Lage, zwei Stunden lang auf sehr hohem Niveau Darts zu spielen.

Zumindest früher sollen die Spieler in den Pausen auch mal das eine oder andere Pint vernichtet haben. Gibt es so etwas heute noch?

Nein, das ist heute nicht mehr vorstellbar. Bis 1988 waren Zigaretten und Alkohol auf der Bühne erlaubt. Da kam es zu Szenen, über die man sich heutzutage kaputtlachen würde. Die Spieler sind mitunter nach einem WM-Halbfinale von der Bühne gekippt, weil sie während der Partie sechs Pints oder mehr gebechert haben. Das war auch der Grund für den Imageverlust, irgendwann fand man keinen Sponsor mehr, der das unterstützen wollte. Vor diesem Hintergrund entstand dann die PDC, um die Profisportart zu retten.

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