Wenn Darts-Profis auf der Bühne verkrampfen, ihre Pfeile nicht mehr loslassen können und völlig die Konzentration verlieren, leiden sie an Dartitis. Auch bei der kommenden Darts-WM in London (ab dem 14. Dezember) sind einige Spieler dabei, die mit dieser Krankheit zu kämpfen haben. Die mentale Blockade kann allerdings behandelt werden.
Ein Darts-Spieler kann einfach seinen Pfeil nicht mehr loslassen. Ein Golfer leidet beim Putten plötzlich unter Zuckungen. Ein Bogenschütze kann die Mitte der Scheibe nicht mehr anvisieren.
Bei diesen Phänomenen handelt es sich um sportartenspezifische Krankheiten oder Blockaden. Dartitis, Yips und Goldangst sind Beispiele dafür. Vor allem erstere rückte nach dem tränenreichen Aufritt von Darts-Profi Berry van Peer in den öffentlichen Fokus.
Ein Rückblick – was war passiert?
Wolverhampton, 12. November 2017, der Grand Slam of Darts. Der 21-jährige van Peer tritt in seinem zweiten Gruppenspiel gegen den zweimaligen Weltmeister Gary Anderson an.
Van Peer ist gut in Form, schlug in seinem ersten Match noch den Weltranglistenzehnten Simon Whitlock. Doch gegen Anderson ist etwas anders. Van Peer kann seine Dartpfeile einfach nicht loslassen. Er verkrampft. Eine mentale Blockade.
"Ich hatte in den vergangenen Monaten Probleme. Ich habe die ersten drei Sätze sehr gut gespielt. Doch dann kam es zurück, ich weiß nicht, durch was es ausgelöst wurde", sagt der Niederländer nach der Partie.
Die anwesenden Zuschauer und Ansager-Legende Russ Bray merken: Da stimmt etwas nicht. Sie unterstützen van Peer. Der steht unter Tränen auf der Bühne. Kann seine Pfeile kaum loslassen, verfehlt die anvisierten Ziele und verliert am Ende deutlich. Die Dartitis hat ihn geschlagen.
Dartitis - was genau ist das denn?
"Dartitis ist eine Blockade, eine vorübergehende Störung, die auftritt, wenn ein Spieler zu hohe Erwartungen an sich selbst hat. Bei den Betroffenen ist das Stresslevel so hoch, dass der Körper darauf reagiert", beschreibt Darts-Mentaltrainer Richard Weese gegenüber "Spox" das Phänomen.
Nachdem Darts-Experte Tony Wood den Begriff bereits 1981 zum ersten Mal verwendete, wurde er 2007 sogar ins Oxford English Dictionary aufgenommen. "Ein Zustand der Nervosität, der einen Spieler davon abhält, den Dart während des Wurfes zum richtigen Zeitpunkt loszulassen", heißt es dort.
Auch Amateur-Darts-Spieler können von der Blockade betroffen sein. Der Brite Bob Johnson schildert gegenüber "Globaldarts" sein Problem: "Aus welchem Grund auch immer es sich entwickelt. Wenn Euer Verstand Euch sagt: ‚Wirf!‘ - und Eure Hand wirft den Dart nicht, dann habt Ihr ein Problem."
Was kann dagegen getan werden?
Dartitis kann jeden ereilen. Oft trifft es die besonders ehrgeizigen Spieler, die sich selbst zu viel Druck machen. "Es gibt Spieler, die ihre Persönlichkeit über Darts definieren und permanent unter Leistungsdruck stehen. Wenn ich gut spiele, bin ich ein guter Mensch, wenn ich schlecht spiele, weniger. Entscheidend ist das Stresslevel der Personen", so Weese.
Und genau darin könnte auch die Lösung des Problems liegen. "Die einzige Möglichkeit ist die Akzeptanz der Situation", erklärt der Mentaltrainer Weese: "Wichtig ist, dass die Spieler wieder Spaß am Darts entwickeln, dann kann jeder Dartitis überwinden."
Auch Johnson, der nach jahrelangem Training seine Krankheit in den Griff bekommen hat, ist sich sicher, dass man "akzeptieren muss, dass Dein Selbstvertrauen gering ist und wieder aufgebaut werden muss".
"Wenn der Druck zu hoch wird, versuche Dich zu entspannen und in den Zustand des ‚einfach nur Werfens‘ zurückzufinden und entwickle es weiter als eine Art ‚Standby-Wurf‘ oder eben Behelfs-Technik. Einfach nur den Dart zu werfen - das ist für jeden, der unter Dartitis leidet, ein wichtiger mentaler Schritt", so Johnson weiter.
Dartitis erfolgreich bekämpfen
Auch der Berliner Darts-Spieler Karsten Jaffke litt an Dartitis. Im Gespräch mit "Vice" erzählt er von zwei Lösungswegen, um die mentale Blockade zu bekämpfen: "Entweder man lernt einen neuen Wurfstil, sodass das Gehirn einen neuen Weg gehen muss, oder man entspannt das Gehirn, indem man den Druck rausnimmt."
Bestes Beispiel im Profisport ist der Österreicher Mensur Suljovic. Wie auch der fünffache Weltmeister Eric Bristow oder die bekannten Dartprofis Mervyn King und Mark Walsh litt Suljovic an Dartitis, hat die Krankheit aber heutzutage weitestgehend im Griff – weil er seinen Wurfstil änderte.
Der Österreicher zielt mit dem Flight in Richtung Scheibe, dreht seine Darts dann erst bei der Ausholbewegung und lässt sich mit seinen Würfen viel Zeit. Mit Erfolg. Im September gewann Suljovic bei der Champions League of Darts seinen ersten großen Titel.
Bei der kommenden Darts-Weltmeisterschaft (ab 14. Dezember in London) ist Suljovic einer der Mitfavoriten. Auch Mervyn King nimmt teil.
Berry van Peer wird nicht dabei sein. Vielleicht ist es für ihn auch erst einmal besser, wenn er versucht, die Dartitis zu bekämpfen und seine Blockade in den Griff zu bekommen.
Denn größer als bei einer WM kann der Druck nicht sein.
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