• Das Coronavirus verändert die Reisewelt. Viele Länder beschränken die Einreise, Touristenmagnete sind geschlossen, Kreuzfahrtschiffe stechen nicht in See.
  • Gleichzeitig haben aber in vielen Ländern Impfkampagnen begonnen.
  • Ist der Sommerurlaub 2021 damit gerettet?

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Kraft geben würde es im aktuellen Lockdown vermutlich vielen Deutschen: Die Gewissheit auf einen Urlaub im Sommer 2021.

Leichter fielen wohl all die Entbehrungen, könnte man doch nur dem Strand, den Bergen oder dem Städte-Trip entgegenfiebern. Daran glauben tun jedoch die wenigsten: Nur etwa jeder Zehnte hält nach einer Umfrage des Instituts "YouGov" uneingeschränktes Reisen im zweiten Quartal des Jahres 2021 für möglich.

Optimistischer gibt sich TUI-Chef Fritz Joussen: Er erwartete im Gespräch mit der "Rheinischen Post" einen "weitgehend normalen Sommer". Für Mai sei das Angebot bereits zur Hälfte ausgebucht, auch für die Sommerferien rechnet der Reisekonzern mit vollen Flugzeugen. Die komplette Kreuzfahrtflotte des Unternehmens, bestehend aus 16 Schiffen, sollen wieder in See stechen.

Urlaub 2021: Wiederbelebung erst in zweiter Jahreshälfte

Ulrike Ockoniewski sieht das skeptisch. Sie ist seit über 30 Jahren Reiseberaterin, berät inzwischen Kunden ohne stationäres Ladenlokal. "Erst in der zweiten Jahreshälfte wird es mit dem Reisen wieder losgehen, aber dann auch nicht voll ausgelastet", meint die Expertin. Fernreisen und Kreuzfahrten dürften aus ihrer Sicht eine untergeordnete Rolle spielen. "Das Infektionsgeschehen lässt sich auf Schiffen nicht gut handeln", so Ockoniewski.

Für realistisch hält sie hingegen Nahziele im Inland sowie Urlaub in Österreich, Spanien, Kroatien, Malta oder Griechenland. "Vielleicht wird auch Holland möglich sein, wenn unsere Nachbarn hier etwas mehr in Richtung Pandemie-Vorsichtsmaßnahmen denken", hofft die Branchenkennerin.

Corona-Pandemie: Trend zum Deutschlandurlaub

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hofft durch Impfungen und Schnelltests auf Besserung. Geschäftsführerin Ingrid Hartges teilt mit: "Viele Menschen haben Deutschland als Reiseland neu entdeckt.

Der Trend zum Deutschlandurlaub und zum regionalen Tourismus wird sich weiter fortsetzen." Viele Gäste hätten bereits für das Frühjahr und den Sommer ihren Urlaub in der heimischen Hotellerie gebucht.

Dabei würden insbesondere Unterkünfte und Aktivitäten in der Natur weiter hoch im Kurs stehen, außerdem Wellnessreisen zum Erholen und Entspannen. "In Zeiten großer Unsicherheiten und Unwägbarkeiten stehen Aspekte wie Heimat, Vertrautheit und Sicherheit hoch im Kurs", meint Hartges. Deutschland könne mit hohen Sicherheits- und Hygienestandards sowie einer gut ausgebauten Infrastruktur punkten.

Virologe macht Hoffnung

Hoffnung macht auch Virologe Ulf Dittmer vom Universitätsklinikum Essen. Er sagt: "Im Sommer wird sich die Lage deutlich verbessern". Drei Faktoren spielen aus seiner Sicht dabei eine Rolle.

"Das Virus überträgt sich bei höheren Temperaturen und mehr UV-Strahlung schlechter. Es werden sicher einige Millionen Deutsche geimpft sein. Außerdem haben einige Millionen Deutsche COVID-19 durchgemacht und sind zumindest vorerst immun", erklärt der Mediziner.

Urlaub in Deutschland werde daher kaum eingeschränkt sein. "Reisen ins Ausland werden aber sehr stark von der lokalen Situation beeinflusst", erinnert er. Diese könne auch im Sommer schlecht sein.

"Von Reisen in Länder, die weder gute Schutzmaßnahmen noch Impfprogramme haben, würde ich abraten", sagt Dittmer. Bei der Reiseplanung empfiehlt er auch den Blick auf den Inzidenzwert: Er sollte unter 50 pro 100.000 Einwohner liegen.

Planung nur bei Flexibilität

Ob man den Urlaub dennoch jetzt schon planen sollte, hängt laut Reiseexpertin Ockoniewski von der eigenen Flexibilität ab. "Wenn man heute eine Reise plant, muss man damit rechnen, dass sie aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens drei Wochen vorher wieder abgesagt wird", warnt die Expertin. Habe man dann Urlaub eingetragen, müsse man flexibel agieren können und sich um eine Alternative bemühen.

"Wer also frühzeitig bucht, muss sich darauf einstellen, dass sich die Reisepläne eventuell noch ändern", stellt Ockoniewski klar. Frühbucher könnten aber auch profitieren. "Viele Veranstalter haben derzeit Offerten, bei denen man bis 14 Tage vor Abreise ohne Angaben von Gründen stornieren kann", weiß Ockoniewski.

COVID-19-Schutz in Reisepaketen

Zusätzlich hätten viele Veranstalter einen COVID-19-Schutz in ihre Angebote integriert. "TUI" inkludiert in seine Reisepakete beispielsweise zusätzliche Kosten durch eine mögliche Corona-Infektion. Dazu zählen etwa Kosten für eine medizinische Rückführung, Unterbringungskosten aufgrund von Quarantäne oder Kosten durch verweigerte Einreise aufgrund einer Körpertemperaturkontrolle.

Muss dennoch eine Reiserücktrittsversicherung her? "Wenn die Reise aufgrund des Infektionsgeschehens, Quarantäne-Maßnahmen vor Ort oder einer Reisewarnung im Zielland abgesagt wird, kündigen die Reiseveranstalter die Verträge und der Kunde erhält sein Geld komplett zurück", sagt Ockoniewski. Für eine eigene Erkrankung gilt das ohne entsprechenden Covid-Schutz natürlich nicht.

Impfung als Einreisevoraussetzung

Beide Experten sind sich außerdem einig: Eine Impfung gegen COVID-19 könnte zur Einreisevoraussetzung werden. "Gerade Länder wie Australien und Neuseeland, die die Pandemie durch Abschottungsmaßnahmen recht gut außerhalb ihres Landes gehalten haben, könnten dazu greifen", schätzt Ockoniewski.

Bei Gelbfieber, einer von einem Virus übertragenen Infektionskrankheit, gibt es eine solche Pflicht bereits. Die Impfung wird beispielsweise in Kenia und Panama nach Aufenthalt in einem Gelbfiebergebiet vorgeschrieben. Sierra Leona, Uganda und Sansibar verlangen einen gültigen Impfnachweis bei Einreise in ihr Land.

Fast überall Reisewarnungen

"Das mindert natürlich die Reiselust. Es dauert außerdem, bis die jüngeren Bevölkerungsteile an die Reihe kommen", sagt Ockoniewski. Ihrer Meinung nach müssten rund 60 Prozent der Deutschen geimpft sein, bis man mit einer Wiederbelebung des Reisegeschäftes rechnen könne.

"Dann werden sich die Deutschen auch wieder sicherer fühlen", schätzt sie. In der ersten Hälfte des Jahres erwartet sie aber noch leere Strandkörbe, Urlaubs-Ressorts und Hotelbuffets.

Die Liste der Covid-19-bedingten Reisewarnungen oder Teilreisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist lang: Von Ägypten bis Zypern rät das Auswärtige Amt aufgrund hoher Infektionszahlen von nicht notwendigen, touristischen Reisen ab. "Selbst auf Madeira, eins der wenigen Ziele ohne Reisewarnung, sind die Betten leer und die Portugiesen ringen um Kunden", weiß Ockoniewski. Noch kurzfristig habe man über Weihnachten und Silvester Reisen buchen können.

Existenzbedrohte Branche

"Auch, wenn sich das Reisegeschäft in der zweiten Jahreshälfte wieder ein bisschen belebt, wird es frühestens zum Herbst hin etwas voller werden", erwartet Ockoniewski. 2021 werde wohl nirgends eine 100-prozentige-Auslastung erreicht. "Die Reisebranche kann sich glücklich schätzen, wenn sie ein Drittel des Jahresumsatzes von 2019 erreicht", sagt Ockoniewski.

Laut einer Umfrage des Deutschen Reiseverbandes (DRV) verzeichneten rund drei Viertel der Reiseveranstalter und Reisebüros Ende 2020 Umsatzausfälle von 80 bis 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Fast 90 Prozent der Reiseveranstalter bezeichneten ihre Situation als stark belastet und existenzbedrohend.

Hoffnung auf Tapetenwechsel

Wer in der Reisebranche angesichts der Corona-Krise nicht überleben wird, will Reiseexpertin Ockoniewski nicht prophezeien. "Wenn man aktuell jedoch sieht, mit welchen Milliarden die TUI gefüttert werden muss, um zu überleben, wird es sicherlich für einige Unternehmen schwierig", schätzt Ockoniewski.

Kleinere Veranstalter, die in Nischen operieren, sowie mobile Berater sieht sie dabei besser aufgestellt: "Sie müssen nicht mit den Massen operieren und können schon früher in Kleingruppen wieder starten", erklärt die Expertin. Bei aller Hoffnung auf den Tapetenwechsel hilft wohl also nur eins: Sich zu sagen, dass es nur besser werden kann.

Über die Experten: Dr. Ulf Dittmer ist Direktor am Institut für Virologie des Universitätsklinikum Essen. Ulrike Ockoniewski betrieb bis 2017 ein Reisebüro mit Ladenlokal und berät mittlerweile freiberuflich.

Verwendete Quellen:

  • Frankfurter Neue Presse: Gut 40 Prozent erwarten uneingeschränkten Sommerurlaub, 30.11.2020
  • Auswärtiges Amt: Covid-19-bedingte Reisewarnungen und Teilreisewarnungen (Stand 9.1)
  • RP-online.de: Tui-Chef Fritz Joussen rechnet mit sehr hoher Nachfrage im Sommer 2021, 5.1
  • TUI.com: Covid-Protect
  • Deutscher Reiseverband: Ohne Überbrückungshilfen kommt Reisewirtschaft nicht über den Winter
  • Anfrage beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband
  • Interview mit Ulrike Ockoniewski
  • Interview mit Prof. Dr. Ulf Dittmer
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