- Arbeitnehmer haben während ihrer Arbeitszeit grundsätzlich die Verpflichtung zu arbeiten - und nichts anderes zu tun.
- Ohne Absprache dürfen sie also nicht nebenbei ein EM-Spiel schauen oder sich aus der Arbeit "ausklinken" - es sei denn, spezielle Regelung wie Gleitzeit geben das her.
- Wer heimlich schaut und erwischt wird, dem droht eine Abmahnung.
Ein Jahr später als geplant startet heute die Fußball-Europameisterschaft. Das Interesse an der Veranstaltung dürfte groß sein, nachdem Fans wegen der Corona-Pandemie so lange darauf warten mussten.
Anders als bei der letzten Fußball-Großveranstaltung, der WM in Russland 2018, finden bis auf sieben der 51 Spiele alle abends statt, darunter sämtliche Deutschland-Spiele. Da viele Arbeitnehmer noch im Homeoffice sind, ist die Versuchung, tagsüber während der Arbeitszeit mal reinzuschauen, aber vielleicht trotzdem groß. Kann ja keiner kontrollieren, was macht das also schon? Und überhaupt: Gehört Fußballgucken nicht irgendwie "dazu"?
Fußballschauen während der Arbeitszeit nicht ohne Absprache
Aus arbeitsrechtlicher Sicht: nein. Denn mit ihrem Arbeitsvertrag verpflichten sich Arbeitnehmer, während der vereinbarten Arbeitszeit zu arbeiten und dabei nichts anderes zu tun. Auch wenn viele Firmen in der Praxis nicht ganz so streng sind und etwa das gelegentliche Checken von Mails dulden: Private Dinge dürfen in dieser Zeit eigentlich nicht gemacht werden. Also kein privates Surfen im Internet, keine private Nutzung eines dienstlichen Smartphones und auch: kein Fußballgucken - weder am Arbeitsrechner noch am privaten Fernseher. Selbst wenn die private Nutzung des dienstlichen Internets erlaubt ist, wäre ein dauerhaftes Verfolgen der 90 Minuten im Live-Stream - im Gegensatz zum Spielstandchecken beispielsweise alle 30 Minuten - unzulässig.
Daher sollte gerade das Fußballschauen mit dem oder der Vorgesetzten abgesprochen werden. Wie diese Absprache aussieht, ist unterschiedlich. "Wer rechtlich auf Nummer sicher gehen will, sollte dies jedenfalls per Mail machen; in der Praxis dürfte bei einem guten Vertrauensverhältnis aber auch eine telefonische Absprache ausreichen", sagt Wolfgang Wittek, Arbeitsrechtsexperte bei der Kanzlei Noerr.
Grundsätzlich kann auch Gleitzeit genutzt werden, um sich eine Zeit lang aus der Arbeit auszuklinken, sofern solche flexiblen Arbeitszeitregelungen im Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen sind. So könnten Arbeitnehmer am Spieltag früher anfangen und dann auch früher Schluss machen oder die fehlende Arbeitszeit an einem anderen Tag nacharbeiten. "Allerdings muss man genau nachlesen, ob eine Kernarbeitszeit festgesetzt wurde, während der auf jeden Fall gearbeitet werden muss", erklärte Wittek im Gespräch mit unserer Redaktion.
Bei heimlichem Gucken droht eine Abmahnung
Natürlich kann man sich fragen: Wer soll das denn merken, wenn ich nebenbei auf meinen Fernseher schaue? Schließlich müsste ich mich schon relativ naiv verhalten (Bilder auf Instagram, Absage von Terminen zur besagten Zeit), um erwischt zu werden. Im Sinne des gegenseitigen Vertrauens, vor allem im Homeoffice, ist es aber wohl eine Frage der Fairness, so etwas mit den Kollegen und Vorgesetzten abzusprechen.
Wird man tatsächlich erwischt, drohen ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen. "Da kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen", sagt Rechtsanwalt Wittek, "und im Wiederholungsfall droht gar der Ausspruch einer Kündigung."
Urteile zum Fußballschauen: Abmahnung ja, fristlose Kündigung nein
Dass eine solche Abmahnung berechtigt sein kann, hat das Arbeitsgericht Köln vor einigen Jahren geurteilt. Hier hatte ein Mechaniker mit einem Kollegen ein Spiel geguckt, wurde vom Vorgesetzten erwischt und bekam eine Abmahnung wegen Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Das Gericht sah diese Abmahnung als gerechtfertigt an - wobei dem Mann nicht half, dass er angab, er habe den Kollegen nur darauf hinweisen wollen, dass Fußballschauen während der Arbeitszeit nicht erlaubt sei. Es half ihm auch nicht, dass die beiden nur ein, zwei Minuten geguckt hatten, bevor der Chef kam.
Abmahnungen sind in solchen Fällen also rechtlich angemessen - fristlose Kündigungen ohne vorherige Abmahnung sind es nicht. Das hat zumindest das Arbeitsgericht Frankfurt am Main in einem Urteil von 2011 festgestellt. Damals hatte eine Finanzdienstleistungsfirma einem Mitarbeiter gekündigt, weil der angeblich in eine Filiale des Unternehmens einen Fernseher mitgebracht und sich während der WM 2008 Spiele angesehen hatte.
Davon abgesehen, dass die Zeugen - in erster Linie die Vorgesetzte des Mannes - nicht genau sagen konnten, wann und wie lange der Mann das gemacht haben soll, befand das Gericht: Selbst wenn es so gewesen wäre, reicht diese Art von Pflichtverletzung für eine fristlose Kündigung nicht aus. Sich ein WM-Spiel anzusehen, sei wegen der gesellschaftlichen Bedeutung von Fußball "sozialadäquat" und somit kein "wichtiger Grund", der eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Vor der Kündigung hätte zumindest eine Abmahnung erfolgen müssen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dr. Wolfgang Wittek, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Noerr
- Spielplan der Europameisterschaft 2021
- Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28. August 2017 (Aktenzeichen: 20 Ca 7940/16)
- Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2011 (Aktenzeichen: 7 Ca 4868/10); nach IWW Institut
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Arbeitsvertrag (§ 611a) und zur fristlosen Kündigung (§ 626)
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