Sabine Müller und Norman Meier sind seit 20 Jahren beste Freunde. Sie nutzen ihre BahnCard etwas anders: Ehrenamtlich fahren sie Kleintiere wie Kaninchen, Mäuse, Hamster, Hühner und Frettchen in ihr neues Zuhause und sorgen so dafür, dass die Tiere eine zweite Chance auf ein besseres Leben bekommen. Denn die armen Kleinen kommen aus schlechter Haltung, dem Labor, waren einsam, haben eine Behinderung oder wurden ausgesetzt.
Sabine Müller nennt sie ihre "Notfellchen" oder "Notfederchen". Gemeint sind Kleintiere wie Hamster, Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse oder eben Vögel. Aber auch Katzen, die in ihr zweites oder drittes Zuhause kommen. Die Tiere stammen meist aus Pflegestellen oder Tierheimen und werden von Müller und ihrem besten Freund Norman Meier in andere Pflegestellen oder zu ihrem "Forever-Home" gebracht. Da sie niemand anders abholen kann, bringt Müller sie in ihr neues Zuhause, wo sie für immer bleiben sollen. Das Besondere dabei: Sie reist mit der Bahn und transportiert die Tiere im Zug.
Eine zweite, dritte oder vierte Chance für Tiere
"Es gibt ja Züchter – nichts gegen Züchter, denn es gibt ja auch gute – wie Sand am Meer. Darunter finden sich auch Vermehrer, und die Tiere landen dann oft auf der Straße, im Müll oder im Tierheim", erklärt die Sozialpädagogin im Interview mit DeineTierwelt. Ihre "Tiertransporte mit Herz – die Fahrt mit guter Tat" – so ist sie auf Facebook zu finden – unternimmt sie ehrenamtlich in ihrer Freizeit neben ihrem Vollzeitjob in der Kita. "Da möchten wir helfen, den Tieren eine Chance zu geben, noch ein schönes Leben zu haben", sagt sie. Auch Tiere aus schlechter Haltung und Labortiere bringt sie zunächst übergangsweise an eine Pflegestelle oder direkt zu ihrem neuen Zuhause.
"Das sind oft Menschen, die riesige Gehege für die Tiere bauen, die im Vorfeld durch die Pflegestellen geprüft und abgenommen werden. Und dann hapert es manchmal an der Entfernung – je nachdem, wo gerade ein Platz frei ist – da kommen wir dann ins Spiel: der Norman und ich", erklärt Müller.
Unterstützung bekommt die 43-Jährige dabei von ihrem besten Freund Norman Meier, mit dem sie schon seit 20 Jahren befreundet ist. Früher haben sie gemeinsam Projekte mit Kindern bei der Naturschutzjugend (NAJU) gemacht und sind als Hobbyautoren mit eigenen Lesungen aufgetreten. Ab und zu machen sie kleine Clownsauftritte für den guten Zweck und sammeln dabei Spenden für Tiere.
Vom Hobby zum Herzensprojekt
Jetzt verbindet die beiden seit etwa zwei Jahren dieses gemeinsame Hobby, das zum Herzensprojekt wurde. "Wir haben beide eine BahnCard 100. Wenn wir ohnehin verreisen, um eine Stadt zu besichtigen oder um Freunde zu besuchen, verbinden wir das. Manchmal fahren wir auch nur, um das Tier abzuholen und in sein neues Zuhause zu bringen", sagt Müller. Im November besuchte sie mit der Bahn eine Freundin in Hamburg und nahm einen Hamster aus Bochum bis nach Hannover zu seiner neuen Halterin mit. Meier wiederum machte einen Kurzurlaub in Salzburg und nahm auch Tiere mit.
Für die Pflegestellen bieten die zwei ihre Fahrten kostenfrei an. Von Leuten, die Tiere für immer bei sich aufnehmen, nehmen sie Futterspenden an. Das Futter spenden sie dann unter anderem an Tierheime oder Tierschutzorganisationen. Ihr Hauptfokus liege derzeit auf Nagetieren wie Mäusen, Hamstern, Kaninchen, sie haben aber auch schon Tauben, Frettchen und Wildtierpfleglinge wie Mauersegler von A nach B gebracht. Kürzlich habe Meier drei Zwerghennen transportiert. Eine Dame aus Esslingen habe die Hühner von Privatleuten in ihr Gehege aufgenommen. "Bei Hunden hat der Transport leider noch nicht geklappt, da die ja meistens zu groß für die Transportbox sind und wir die Tiere ja nicht kennen", sagt Müller. Auch bei zu langen Strecken mit der Bahn müssen sie leider ablehnen.
Wann und wohin sie fahren, teilen die beiden vorab auf ihrer Facebook-Seite mit. Angefangen haben die zwei Freunde aus Düsseldorf vor etwa zwei Jahren. Das habe sich eher durch Zufall ergeben, erzählt Müller. Mittlerweile waren die beiden unter anderem bereits in folgenden Städten: Berlin, Freiburg, Mannheim, Stuttgart, Esslingen, Erfurt, Leipzig, Hannover und Frankfurt.
"Ein schönes Netzwerk"
In einer Nagerschutzgruppe auf Facebook sei sie auf ein Fahrgesuch aufmerksam geworden. "Das wurde dann immer mehr und irgendwann ist Norman mit eingestiegen, sodass wir im Mai 2021 unsere Facebookseite gegründet haben", blickt sie zurück. Inzwischen herrsche dort reger Betrieb, sie bekommen zwei bis drei Nachrichten mit Fahranfragen täglich. "Da haben wir mittlerweile ein schönes Netzwerk aufgebaut, in dem uns die Menschen anschreiben, ihre Hilfe anbieten und Futter spenden", freut sie sich.
An ihre allererste und längste Bahn-Strecke erinnert sich Müller noch gut zurück: Der Startpunkt war ihre Heimatstadt Düsseldorf, von dort aus ging es über Aschaffenburg (260 Kilometer in knapp drei Stunden) nach Berlin (nochmal 570 Kilometer in vier bis fünf Stunden) und wieder zurück nach Düsseldorf (weitere 570 Kilometer in vier Stunden). Das ist eine beachtliche Reise. Doch es lohne sich, denn die Fahrten sind ja für den guten Zweck.
Ihr Kumpel Meier führe fleißig eine Liste über die transportierten Tiere. Der 46-Jährige freue sich besonders, wenn ihn die Tiere aus der Kiste freundlich anschauen. Während der Fahrt in der Bahn kommen sie auch oft mit interessierten Fahrgästen über die Transporttiere ins Gespräch. Sabine Müller nehme die Transportboxen auf dem Schoß oder stelle sie auf dem Boden ab. Zum Zeitvertreib habe sie immer ein Buch oder ihren Laptop dabei. Es sei besonders schön, anhand von Fotos und Videos zu sehen, wie sich die Tiere in ihrem neuen Heim eingelebt haben, sagt Müller.
Klartext: Herkunft und Destination der Tiere wichtig
Dennoch betonen die beiden auf Facebook: "Wir sind zwar tierlieb und gutmütig, aber nicht doof. Daher behalten wir im Blick, woher die Tiere kommen." Und weiter: "Unser Herz schlägt für Tiere, die Hilfe benötigen und eine zweite, dritte oder vierte Chance verdient haben, für Tiere aus dem Labor, für einsame Tiere, die dann einen neuen Partner oder eine neue Gruppe bekommen. Tiere, die Behinderungen haben oder die ausgesetzt wurden und die keiner mehr wollte und und und. Auch Tiere von Vermehrern sind niedlich und können ja nichts dafür, aber das möchten wir nicht unterstützen, in dem wir diese Tiere am besten noch kostenfrei und direkt ins Wohn- oder Kinderzimmer von den Besitzer*innen (nicht Adoptant*innen!) fahren."
Weiterhin stellen die beiden Freunde klar: "Wir fahren auch keine Mäuse in Reptilienterrarien, höchstens aus so einem Terrarium heraus. (Wir mögen auch Schlagen und wissen, dass diese auch fressen müssen, aber wir fahren Tiere zum Liebhaben und nicht zum Verfüttern!)."
Müller kennt sich aus, schließlich schenkte sie früher selbst Tieren aus schlechter Haltung ein neues Zuhause. Ab und an passe sie jetzt auf einen Pflegehund auf und besuche ein altes Pony in der Nähe. Doch aktuell sei an eigene Haustiere nicht zu denken, bedauert die Tierliebhaberin: "Ich habe weder Garten noch Balkon hier in der Großstadt, das wäre sonst purer Egoismus, aber ich hole mir den Ausgleich durch die Fahrten."
So geht es mit den Tiertransporten in der Bahn mit Herz weiter
Dass sie diesen Weg eingeschlagen ist, ist kein Wunder: Schon als Kind habe sie sich immer gewünscht, Tierärztin zu sein und einen Lebenshof haben. Doch es habe an Geld und der Unterstützung von tatkräftigen Helfern gefehlt. Nun sei es schön, diejenigen zu unterstützen, die Tieren helfen. Mit dem Tiertransport haben sie und ihr Kumpel etwas Eigenes auf die Beine gestellt, in das sie viel Herzblut stecken und das ihnen viel zurückgibt.
Müller ist hoffnungsvoll, vielleicht in zwei oder drei Jahren wieder selbst Tiere bei sich aufnehmen zu können, denn es stehe ein beruflicher Wechsel für sie bevor. Die Sozialpädagogin plant, Theaterworkshops für ältere Jugendliche anzubieten. Ihr gemeinsames Herzensprojekt, die Tiertransporte, wollen Meier und Müller in den kommenden Jahren ebenfalls fortführen. Noch haben sie keinen Verein gegründet, da dies sehr aufwendig sei. "Wir streben es aber an", verspricht Müller. © Deine Tierwelt
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