Berlin - Unter dem Eindruck der hohen Inflation wird bei der Internationalen Grünen Woche in diesem Jahr vor allem über steigende Preise und die angespannte Lage auf dem Lebensmittelmarkt diskutiert.
Die Herausforderungen seien noch nie so groß gewesen wie 2022 und auch 2023, sagte Christian von Boetticher, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, am Mittwoch (18. Januar) vor der Eröffnung der traditionellen Agrarmesse in Berlin. Vor allem hohe Energiepreise "zwingen die Industrie langsam in die Knie". Für dieses Jahr erwartet die Branche weiter steigende Lebensmittelpreise.
1400 Aussteller aus rund 60 Ländern auf der Grünn Woche
Die Grüne Woche beginnt nach zwei Jahren Corona-Pause an diesem Freitag (20. Januar) wieder als Vor-Ort-Event in den Berliner Messehallen. Erwartet werden 1400 Aussteller aus rund 60 Ländern - etwas weniger als vor Corona. Als Höhepunkte bewarb Messe-Chef Dirk Hoffmann die Blumenhalle mit 2200 Quadratmetern Fläche und ein abwechslungsreiches Programm in der Tierhalle. Die Messe hofft bis zum Abschluss am 29. Januar auf rund 300.000 Besucher.
Die Preise für Nahrungsmittel gingen im vergangenen Jahr bereits um 13,4 Prozent nach oben. Für Gemüse meldete das Statistische Bundesamt einen Anstieg um 10,7 Prozent, bei Obst um 3,0 Prozent. "2022 war noch eine Mischkalkulation mit alten 2021er-Preisen. Die Spitzen der Preise 2022 machen sich auch 2023 noch bemerkbar und schlagen durch", sagte von Boetticher. Problematisch für die Industrie sei, dass nicht alle Kostensteigerungen weitergegeben werden könnten - bei bestimmten Preisschwellen würden die Produkte dann schlicht nicht mehr gekauft.
Verbraucher schauen mehr auf den Preis
In einigen Statistiken ließ sich zuletzt bereits ablesen, dass die Verbraucher verstärkt zu günstigeren Produkte greifen. So erhielt das Geschäft mit Bio-Lebensmitteln einen ungewohnten Dämpfer, vor allem Reformhäuser und reine Bio-Märkte bekamen das zu spüren. Bio wurde stattdessen eher im Discounter gekauft - oder gar nicht.
Die Branche appellierte auch mit Blick auf den vorgesehenen Wandel zu mehr Tier- und Naturschutz an die Konsumenten, im Einkaufsverhalten die Richtung vorzugeben. "Wenn die Weiterentwicklung der deutschen Landwirtschaft gelingen soll, dann muss auch weiterhin der Griff ganz gezielt zu höherwertigen Produkten erfolgen", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Bundesagrarminister
Özdemir betonte: "Ich möchte, dass wir in Deutschland unter hohen qualitativen Standards Fleisch erzeugen und unsere Bäuerinnen und Bauern damit wirtschaftlich erfolgreich sein können." Er will ein verpflichtendes Tierhaltungslogo mit fünf Stufen vom gesetzlichen Mindeststandard bis Bio an den Start bringen - im ersten Schritt für Schweinefleisch im Handel. Ein Programm mit einer Milliarde Euro bis 2026 soll Neu- und Umbauten von Schweineställen und laufende Mehrkosten einer besseren Haltung fördern. Der Bauernverband hatte scharf gegen Bedingungen etwa zu maximalen Tierzahlen protestiert.
Hohe Inflation lässt Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln sinken
Rukwied sagte, ein Öko-Flächenanteil von 30 Prozent bis 2030 sei ein sehr anspruchsvolles politisches Ziel. "Wenn die Nachfrage da ist, werden wir deutschen Bauern die Nachfrage auch bedienen." Von Boetticher warnte, dass der Markt kollabiere, wenn es 30 Prozent Bio-Angebot gebe, aber nicht 30 Prozent Bio-Nachfrage. Laut einer Befragung des Instituts Yougov kaufen 28 Prozent der Deutschen angesichts der hohen Inflation weniger Bio-Lebensmittel ein als zuvor. 60 Prozent gaben demnach an, dass sie ihr Kaufverhalten nicht angepasst hätten, 5 Prozent kaufen mehr Bio-Lebensmittel ein.
Problem des Bio-Handels war zuletzt das generell höhere Preisniveau - denn der Preisanstieg fiel im Vergleich zu konventionell erzeugten Lebensmitteln geringer aus. "Bio wirkt als Inflationsbremse", fasste der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) das Ergebnis einer Untersuchung zusammen, die die Preise von Grundnahrungsmitteln im Herbst 2022 mit denen im Herbst 2021 verglich. Ein Beispiel: Für konventionell erzeugte Butter waren der Studie zufolge im Herbst 2022 im Lebensmittelhandel fast 60 Prozent mehr zu zahlen als ein Jahr zuvor. Die Preise für Bio-Butter erhöhten sich dagegen bei den Discountern um 35 Prozent und in Supermärkten um 29 Prozent.
Lage der Milchbauern hat sich verbessert
Verhältnismäßig gut lief es zuletzt für Milchbauern - nach mehreren Jahren der Krise. Ende des vergangenen Jahres verdienten sie dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) zufolge knapp 60 Cent pro Liter Rohmilch - das waren fast 12 Cent mehr als sie der Liter in der Herstellung kostete. In den Jahren davor lagen die Erzeugerpreise zum Teil deutlich über den Kosten. Zahlreiche Betriebe gaben auf.
Einen Grund zur Entwarnung sieht der Verband darin aber nicht. "Wir müssen die Märkte beobachten, wir müssen, wenn es notwendig ist, auch handeln", sagte Verbandssprecher Hans Foldenauer. Die Abhängigkeit der Milchbauern von den großen Molkereien bestehe weiter, die Nachfrage auf dem für Deutschland und Europa wichtigen Weltmarkt gehe zurück. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich da auch auf Milcherzeugerpreisebene ein deutlicher Rückgang einstellt."
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