In Israel steht die Regierung kurz vor der Umsetzung ihrer umstrittenen Justizreform. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sieht die Demokratie in dem Land gefährdet – und hofft auf baldige Neuwahlen.
Er ist ein entschiedener Kritiker der neuen israelischen Regierung. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sorgt sich um die Demokratie im jüdischen Staat. Im Gespräch mit unserer Redaktion äußerte er nun die Hoffnung auf baldige Neuwahlen in Israel – und betont gleichzeitig das unbedingte Existenzrecht des jüdischen Staates.
Die von der Regierung unter Ministerpräsident
Israel droht eine schwere politische Krise
Die Regierung, gebildet aus einem Bündnis von sechs Parteien, wurde Ende Dezember 2022 vereidigt. Es ist die wohl am weitesten rechts stehende in der Geschichte des Landes. Das wichtigste innenpolitische Projekt der Koalition ist der Umbau des Justizsystems. Die Kompetenzen des Obersten Gerichtshofs, den die Netanjahu-Regierung für zu mächtig hält, sollen beschnitten werden. Im Sommer passierte ein Teil der Justizreform das israelische Parlament. Das Gesetz liegt zur Überprüfung nun wiederum beim Obersten Gericht. Sollte dieses das Vorhaben für verfassungswidrig erklären, droht dem Land eine schwere politische Krise.
Die neue Regierung stieß von Anfang an auf breiten Widerstand in der israelischen Zivilbevölkerung, der politischen Opposition und den Sicherheitsbehörden. Seit beinahe 40 Wochen demonstrieren jeden Samstagabend Hunderttausende Israelis gegen die Pläne Netanjahus und seines Kabinetts. Zuspruch bekommen die Regierungsgegner häufig von jüdischen Repräsentanten aus anderen Ländern. Auch Josef Schuster sagte unserer Redaktion: "Die breite Protestbewegung in Israel spricht für ein gefestigtes demokratisches Verständnis im Land."
Josef Schuster: "Betreibe kein Israel-Bashing"
Der Zentralratspräsident hält die innenpolitischen Vorgänge in Israel auch für die jüdischen Gemeinschaften im Ausland für relevant. "Israel ist die Lebensversicherung für Juden in der Diaspora, und in Deutschland ist das mit Blick auf die Geschichte ganz besonders wichtig." Kritik an der israelischen Regierung, auch aus dem Ausland, hält Schuster für legitim. "Ich gehöre aber nicht zu denen, die Israel-Bashing betreiben." An dem Existenzrecht Israels dürfe "nicht gerüttelt werden".
Josef Schuster steht seit 2014 an der Spitze des größten jüdischen Gemeindeverbands in Deutschland. Der Zentralrat vertritt etwa 100 Gemeinden und 90.000 Mitglieder. Für deutsche Politikerinnen und Politiker ist der Verband der wichtigste Ansprechpartner für Fragen, die die jüdische Gemeinschaft betreffen. Der Zentralrat setzt sich für die Bewahrung und Förderung des Judentums in Deutschland ein und hat gleichzeitig ein zionistisches Selbstverständnis: Die Solidarität mit Israel ist ihm ein wichtiges Anliegen.
Josef Schuster gehörte dennoch – oder genau deshalb – zu den frühen Kritikern der neuen Regierung in Jerusalem. Im Januar beschrieb er das Zustandekommen des rechten Bündnisses in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" als einen "Tiefpunkt der israelischen Politikgeschichte". Seit beinahe einem Jahr regiert die Koalition nun schon – länger als von vielen erwartet. Schuster glaubt trotzdem an die Möglichkeit, dass die umstrittene Justizreform noch scheitert. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", sagt er.
Zur Person:
- Josef Schuster ist 1954 im israelischen Haifa geboren. Seine Eltern flohen 1937 vor den Nazis ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina, kehrten aber mit ihrem Sohn 1956 zurück nach Deutschland. Zwei Großeltern Josef Schusters wurden in Auschwitz ermordet. Seit 2014 ist Schuster Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er ist Arzt und lebt in Würzburg.
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