Gab es vor einem Jahr in der Ö1-Sendung "Klartext" noch ein einigermaßen amikales Gespräch, war die gestrige Debatte zwischen den Chefs von SPÖ und FPÖ von Uneinigkeit und scharfen Tönen geprägt. "Uns trennen Welten", meinte Christian Kern. Für Heinz-Christian Strache kein großes Thema, schließlich sei für ihn der Kanzler nach der Wahl ohnedies Geschichte.

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Bereits im Vorfeld des gestrigen TV-Duells war klar, dass es im Gespräch zwischen Bundeskanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu eher wenigen Nettigkeiten kommen wird.

Schon nach wenigen Minuten zeigte sich dann auch tatsächlich, dass beide auf "Attacke" programmiert waren. Aber der Reihe nach.

Zu Beginn der Klassiker des aktuellen Wahlkampfs

Gestartet wurde – klarer Fall – mit der Affäre "Silberstein".

ORF-Moderatorin Claudia Reiterer wollte vom Kanzler wissen, wie glaubwürdig er in dieser Causa noch sei. Dieser betonte einmal mehr, die Seiten nicht in Auftrag gegeben zu haben, was Strache vor dem Hintergrund involvierter Personen wie dem SPÖ-Wahlkampfmanager Paul Pöchhacker oder dem SPÖ-nahen Rudi Fußi für "unglaubwürdig" befand.

"Wir haben die Beziehung zu Silberstein beendet, alles offen gelegt und auch unser Geschäftsführer ist deshalb zurückgetreten. Jetzt haben wir geklagt, um die Sache gerichtlich aufzuklären. Das ist Verantwortungskultur. Gäbe es eine solche auch in ihrer Partei, würde ich jetzt hier mit einer Gemeinderätin aus Euratsfeld sitzen", so Kern etwas zynisch.

Geläuteter Strache? "Das Gegenteil ist der Fall."

Da sich Strache im Zuge des Wahlkampfs betont staatsmännisch gab, wollte Reiterer zudem vom Kanzler wissen, ob für ihn der Chef der Blauen geläutert und dessen Partei für eine Regierung geeignet sei. "Das Gegenteil ist der Fall", so Kern. "Wir erleben eine unglaubliche Annäherung zwischen ÖVP und FPÖ, deren Ausländer- und Wirtschaftspolitik gleichsam ident ist."

Kern kritisierte darüber hinaus, dass im Programm der FPÖ, die sich gern als Partei der fleißigen Arbeiter präsentiere, vom kleinen Mann überhaupt keine Rede mehr sei." Das konnte Strache natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Er unterstellte dem Kanzler seinerseits, Turbokapitalisten wie Steinmetz, Silberstein und Gusenbauer an Bord geholt zu haben, um dann auch noch zu Kerns angeblich dubiosen Firmenstrukturen in Israel überzugehen.

"Das ist unterste Schublade", so Kern empört. "Sie beziehen sich hier auf eine Berichterstattung in der Boulevardzeitung 'Österreich' – und damit auf eine fingierte Geschichte. Das Blatt betreibt eine beispiellose Hetzkampagne und glaubt, sich den nächsten Bundeskanzler gemeinsam mit der ÖVP aussuchen zu können."

Endlich ein Sachthema: Die Entsenderrichtlinie

Das erste Sachthema: Wer schützt die Österreicher vor Lohndumping durch etwa ungarische Unternehmen, die hierzulande Jobs annehmen.

Strache sprach sich hier für eine sektorale Schließung des Arbeitsmarktes aus.

Kern wiederum kritisierte die nicht vollzogene Verlängerung der Übergangsfristen. (Anm. Red.: Für die osteuropäischen Mitgliedsstaaten wurde bis 2011 eine befristete Sperre des Arbeitsmarktes verhängt.)

Die Sperre sei bereits ausgelaufen, so Kern, weshalb diese Menschen jetzt das Recht hätten, auf den österreichischen Arbeitsmarkt zu kommen. Man hätte damals die Übergangsfristen verlängern müssen. Damals sei aber die FPÖ in der Regierung gewesen, und nicht die SPÖ. "Herr Strache beklagt all das, was seine eigenen Parteifreunde verabsäumt haben."

Nächster Punkt: Die FPÖ-Pläne zur Steuerentlastung

Hier forderte Strache gestern erneut einen Mindestlohn von 1.500 bis 1.700 Euro. "Wir müssen dazu aber Einkommensteuer, Lohnnebenkosten und Körperschaftsteuer senken", so der FPÖ-Chef.

Als Claudia Reiterer die Höhe der Lohnnebenkosten-Senkung wissen wollte, konnte ihr Strache diese nicht nennen. Er müsse das im FPÖ-Wirtschaftsprogramm nachlesen, da dies von Experten errechnet worden sei. "Das haben aber Sie versprochen – und nicht Ihre Experten", so Kern genüsslich.

Eine Millionärssteuer will die FPÖ nicht, "weil wir ein Ausgabenproblem und Höchststeuern wie kaum ein anders Land haben", so ihr Chef.

Auch hier ist man sich uneinig.

Kern bestätigte zwar, dass die Einkommen seit der Finanzkrise nicht gestiegen seien, verwies aber auf das Rekordwirtschaftswachstum. Die Standortbedingungen in Österreich seien exzellent, weshalb es für Unternehmen keine Steuergeschenke brauche, so die Ansicht des Kanzlers.

Next stop: "Viktor Orban" und die Flüchtlingskrise

"Viktor Orban hat die Flüchtlingsströme nach Österreich sicher deutlich reduziert. Jetzt aber geht es darum, wie die Flüchtlinge in der EU verteilt werden", erklärte Christian Kern. Er kritisierte, dass Ungarn zwar sechs Milliarden Euro von der EU bekommen würde, aber mit dem Geld die Unternehmenssteuersätze auf neun Prozent gesenkt habe. "Die EU – und somit auch Österreich – finanziert Orban also die niedrigen Steuersätze, damit die ungarischen Unternehmen mit jenen aus Österreich konkurrieren können", kritisierte der Kanzler.

Strache: Österreich soll Mitglied der Visegrád-Gruppe werden

Strache hat für diese Staaten hingegen Verständnis und wünscht sich im Falle einer Regierungsbeteiligung auch eine österreichische Mitgliedschaft in der Visegrád-Gruppe, dem Bündnis der der Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Für Christian Kern eine nicht schlüssige Vision: "Ich versteh mich ja ganz gut mit meinen Visegrád-Kollegen, aber Sie beklagen auf der einen Seite das Lohn- und Sozialdumping, wollen sich auf der anderen Seite aber auf den Schoß der Staatschefs dieser Länder setzen? Sie bringen ständig die Dinge durcheinander", belehrte der SPÖ-Chef sein Gegenüber.

Letzte Frage: Ist Rot-Blau nach diesem Gespräch noch ein Thema?

Kern: "Heute haben wir wieder erlebt, dass Herr Strache großzügig die Idee übernommen hat, Steuergeschenke an Großindustrielle und Superreiche zu machen." Die FPÖ habe ja auch schon Listen erstellt, wer welchen Ministerposten übernimmt, und werde sich wohl wieder von der ÖVP über den Tisch ziehen lassen. "Uns trennen Welten", fasst es Kern zusammen.

Strache sieht indes in Kern gar keinen echten Gegner mehr. "Sie sind in Wahrheit sowohl als Kanzler als auch Parteichef bereits Geschichte!"

Überhaupt seien Kern und Kurz Vertreter des Versagens einer rot-schwarzen Regierung. "Uns geht’s um die richtigen Inhalte. Und wir wollen nach der Wahl so stark sein, dass man nicht mehr an der FPÖ vorbei kann", so der FPÖ-Chef abschließend.

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